Umwelt

Kein Tropfen geht verloren

Kibbuz Kturah im Negev Foto: Marco Limberg

Vom Zufall zum Weltmarktführer. In den 30er-Jahren wunderte sich der 1897 in Warschau geborene Simcha Blass, warum auf einer Farm im Negev nur ein einziger Baum innerhalb einer ganzen Gruppe so richtig blühen wollte. Des Rätsels Lösung: eine direkt daneben verlaufende defekte Wasserleitung, aus der es regelmäßig tropfte. Auf Basis dieser Beobachtung entwickelte der Ingenieur und Erfinder ein so einfaches wie geniales System. Statt mit der sprichwörtlichen Gießkanne bringen dünne Plastikschläuche mit winzigen Löchern das Wasser punktgenau dahin, wo es gebraucht wird, nämlich zu den Wurzeln der Pflanze.

Das war die Geburtsstunde der sogenannten Tröpfchenbewässerung und einer wohl einmaligen Geschäftsidee, aus der 1965 die Firma Netafim hervorging, die die Technologie immer weiter verfeinerte und »intelligenter« machte. Heute sind die Anlagen des Unternehmens in über 110 Ländern im Einsatz – übrigens auch in solchen, die keine diplomatischen Beziehungen mit Israel haben oder sich offiziell sogar im Kriegszustand mit dem jüdischen Staat befinden.

ENTWICKLUNG »Damit zeigt sich zugleich auch, dass das Thema Wasser in der Region Naher Osten Unternehmen und Politik gleichermaßen beschäftigt«, bringt es Jeremy Issacharoff auf den Punkt. Gemeinsam mit den diplomatischen Vertretern Zyperns hatte Israels Botschafter in Berlin zahlreiche internationale Experten aus den Bereichen Wasserwirtschaft und -management im Rahmen der European Sustainable Development Week zu einem Fachgespräch in die Residenz der Botschaft eingeladen. »Israel ist zudem ein junges Land, das nicht unbedingt für seine Regenmengen bekannt ist«, so Issacharoff.

Aus dieser Not machte man eine Tugend und entwickelte zahlreiche innovative Ansätze. »Heute werden über 50 Prozent unseres Trinkwassers aus Meereswasserentsalzungsanlagen gewonnen, und die Abwasser-Recyclingquote liegt bei fast 90 Prozent.« Im internationalen Vergleich sind das absolute Spitzenwerte. »Zugleich liegt darin das Potenzial für Kooperationen in der gesamten Region, woraus sich für alle Beteiligten eine Win-win-Situation ergeben kann.«

Griechenland und Zypern arbeiten sehr eng mit Israel zusammen.

»Mit nationalen Alleingängen kann man den Herausforderungen einfach nicht mehr begegnen«, erklärt auch Zyperns Botschafter Andreas Hadjichrysanthou. »Daher arbeiten wir bereits seit Jahren sehr eng mit Griechenland und Israel zusammen. Das schafft Synergien.« Vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels und demografischer Entwicklungen funktionieren nachhaltige Konzepte oft nur im Rahmen solcher internationaler Kooperationen. »Genau deshalb haben wir diese Aspekte auch zu einem Schwerpunkt unserer Aktivitäten in der Außenpolitik gemacht«, ergänzt Tania von Uslar-Gleichen, Beauftragte im Auswärtigen Amt für Menschenrechte, internationale Entwicklung und Soziales sowie Ressortkoordinatorin für nachhaltige Entwicklung.

DÜRREN Einen Eindruck davon, welche katastrophalen Folgen der Wassermangel in der gesamten Region haben kann, lieferte aus historischer Perspektive Gil Yaron. »Zahlreiche mächtige Reiche wie das der Fatimiden im 11. Jahrhundert verschwanden quasi über Nacht«, so der Israel-Korrespondent der Tageszeitung »Die Welt«. »Angefangen von Fluchtbewegungen, wirtschaftlichen Problemen bis hin zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung – Dürren lösten in der Vergangenheit immer wieder verheerende Kettenreaktionen aus.« Einiges davon kommt einem aus der Gegenwart recht bekannt vor.

»Die zionistischen Pioniere wollten die Wüste zum Blühen bringen«, skizziert Natan Barak, Marketingdirektor von Netafim, die Ausgangslage Israels. »Vielleicht waren sie etwas naiv, aber sie haben es geschafft.« Nicht zuletzt auch dank der Tröpfchenbewässerung.

Gerade einmal fünf Prozent aller Flächen werden mit Systemen wie dem von Netafim bewässert.

Baraks Angaben zufolge fließen derzeit in den meisten Ländern der Region bis zu 70 Prozent und mehr des zur Verfügung stehenden Wassers in die Landwirtschaft. »Doch der Umgang mit der so knappen wie wertvollen Ressource ist oft verschwenderisch und wenig effizient.«

Gerade einmal fünf Prozent aller Flächen werden mit Systemen wie dem von Netafim bewässert. In Israel hingegen wird nur ein geringer Teil des kostbaren Wassers in der Landwirtschaft konsumiert. »Dabei werden bei uns sogar 85 Prozent der Flächen künstlich bewässert, aber fast alle davon nach der Tröpfchenmethode.«

EFFIZIENZ Im Vergleich zu klassischen Sprinkleranlagen ist der Wasserverbrauch bis zu 30 Prozent geringer, der Ertrag kann jedoch 33 Prozent höher ausfallen, so ein Beispiel einer Baumwollplantage in Mexiko. Und in Indien, wo man gerne ganze Zuckerrohrfelder der Einfachheit halber flutet, waren die Ernteerfolge mit der Technik aus Israel sogar um 133 Prozent besser – und das, obwohl fast die Hälfte weniger Wasser gebraucht wurde.

Auf das Problem des richtigen Abwassermanagements ging Manfred van Afferden vom Zentrum für Umweltforschung der Helmholtz-Gemeinschaft in Leipzig ein. »Genau dieses verhindert den Aufbau geschlossener Kreislaufsysteme bei Israels Nachbarn, allen voran Jordanien.«

Dort wie in den meisten anderen Ländern in der Region wird die Situation durch die völlig maroden Leitungssysteme in den Städten noch verschlimmert, was zu Verlusten von bis zu 70 Prozent des Trinkwassers führt. »Auch hier ist Israel technologischer Vorreiter«, betont Issacharoff und verweist auf seine Heimatstadt Jerusalem. »Ein ausgeklügeltes System von Sensoren sorgt dafür, dass kaum ein Tropfen ungenutzt verloren geht.«

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