Die israelische Regierung bereitet sich auf eine mehrmonatige Militäroperation vor, die weite Teile des Gazastreifens unter direkte Kontrolle bringen soll. Das Sicherheitskabinett soll den umstrittenen Plan am Donnerstagabend billigen, trotz erheblicher Warnungen aus den Reihen der Militärführung. Kritiker in Israel befürchten, dass dadurch das Leben der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln massiv gefährdet werde.
Der Plan sieht eine schrittweise Offensive vor, die sich zunächst auf Gaza-Stadt und das Zentrum des Streifens konzentrieren soll. Ziel sei es, den bewaffneten Arm der Hamas zu zerschlagen und durch militärischen Druck die Freilassung von rund 50 verbliebenen Geiseln zu erzwingen, schreiben israelische Medien. Nach israelischen Angaben sollen etwa 20 dieser Geiseln noch am Leben sein.
In einer ersten Phase soll die Zivilbevölkerung zur Evakuierung aufgerufen und Richtung Süden, insbesondere in die humanitäre Zone bei al-Mawasi, gedrängt werden – zu ihrer eigenen Sicherheit. Dies könnte etwa eine Million Menschen betreffen – fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Gazastreifens.
Mehrere Divisionen
Laut Zeitungsberichten wurde Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstag in einem dreistündigen Treffen mit verschiedenen Szenarien für das weitere militärische Vorgehen konfrontiert. Er soll nun im Sicherheitskabinett grünes Licht für eine großangelegte Bodenoffensive suchen. Einen Alternativvorschlag, der auf gezielte Razzien und die Einkreisung von Gaza-Stadt setzt, lehnte Netanjahu offenbar ab.
Die Militäroperation soll laut Kan, Kanal 12 und anderen israelischen Medien vier bis fünf Monate dauern und mehrere Divisionen der IDF umfassen. Neben der Offensive soll der Ausbau humanitärer Hilfszentren in Zusammenarbeit mit den USA vorangetrieben werden. Washington plant laut US-Botschafter Mike Huckabee die Errichtung von zwölf neuen Hilfspunkten zusätzlich zu den vier bestehenden.
Die militärische Führung warnt jedoch eindringlich vor den Folgen eines solchen Vorgehens. Generalstabschef Eyal Zamir soll in internen Gesprächen erklärt haben, eine vollständige Einnahme Gazas könne Israel in ein »schwarzes Loch« ziehen, mit jahrzehntelanger Besatzungsverantwortung, asymmetrischer Kriegsführung in dicht besiedeltem Gebiet und massiven Risiken für die in Gaza festgehaltenen Geiseln. Auch die zu erwartenden Verluste unter israelischen Soldaten seien erheblich – von »Dutzenden Toten« ist die Rede.
Militärisch und politisch
Nicht nur militärisch, auch politisch ist das Vorhaben umstritten. Während sich Netanjahu laut Medienberichten auf eine Mehrheit im Sicherheitskabinett stützen kann, gibt es aus dem Lager der Minister durchaus Gegenstimmen. Außenminister Gideon Sa’ar und der Vorsitzende der ultraorthodoxen Schas-Partei, Aryeh Deri, sind demnach skeptisch.
Ob der neue Plan die Lage in Gaza und die Chancen auf eine Geiselbefreiung verbessert oder die humanitäre und militärische Krise weiter verschärft, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Israel steht vor einem der folgenschwersten militärischen Schritte, seitdem die Hamas den Krieg am 7. Oktober 2023 begonnen hat – und der Ausgang ist ungewiss. im