Nahost

Israel macht Druck im Nahost-Konflikt

Benjamin Netanjahu Foto: picture alliance/dpa

Israel übt in allen Konfliktgebieten Druck auf seine Feinde aus. Im Libanon bombardierte die israelische Armee erneut Stellungen der Hisbollah-Miliz, die ihren Verpflichtungen hinsichtlich eines Abzugs aus dem Grenzgebiet noch immer nicht nachkam.

Die israelische Luftwaffe ließ Kampfflugzeuge über die Trauerfeier für Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah hinwegdonnern, während sie im Rahmen des Anti-Terror-Einsatzes im Westjordanland erstmals seit Jahrzehnten wieder Panzer einsetzte. Zugleich drohte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, man sei im Gazastreifen »jederzeit bereit«, die Kämpfe wiederaufzunehmen.

Der Sieg über die palästinensische Terrororganisation Hamas in Gaza könne in Verhandlungen erzielt werden, sagte Netanjahu israelischen Medien zufolge vor Offiziersanwärtern, fügte aber zugleich hinzu: »Er kann auch auf andere Weise erreicht werden.« Israel sei »jederzeit bereit, zu intensiven Kampfhandlungen zurückzukehren. Die Einsatzpläne sind fertig«.

»Operative Einsatzbereitschaft«

Isaels Armee kündigte an, die »operative Einsatzbereitschaft« am Gazastreifen zu erhöhen. Der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, kündigte unterdessen im US-Fernsehen an, voraussichtlich am Mittwoch in den Nahen Osten zu reisen.

Er arbeite daran, eine Verlängerung der ersten Phase der Waffenruhe in Gaza und die nächste Runde der indirekten Gespräche zwischen Israel und der Hamas auszuhandeln, sagte Witkoff dem Sender CNN. Er habe Termine in Israel, Ägypten, Katar, den Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien.

Nach dem Stopp der Freilassung palästinensischer Häftlinge durch Israel erwägt die Hamas offenbar die Aussetzung der Gespräche. Die Verhandlungen über Vermittler könnten nicht weitergehen, solange Israel die 602 palästinensischen Häftlinge nicht im Austausch für die am Samstag von der Hamas übergebenen sechs israelischen Geiseln freilasse, schrieb Hamas-Funktionär Mahmud Mardawi auf Telegram.

Demütigende Zeremonien

Das Büro von Netanjahu hatte in der Nacht zu Sonntag mitgeteilt, die im Waffenruhe-Abkommen vorgesehene Entlassung palästinensischer Häftlinge werde ausgesetzt. Erst müsse die Hamas versichern, mit den demütigenden Zeremonien bei der Freilassung der israelischen Geiseln aufzuhören.

Noch sind nach israelischen Angaben 63 Geiseln in der Gewalt von Terroristen im Gazastreifen, von denen jedoch nur noch 27 am Leben sein sollen. »Alle unsere Geiseln, ohne Ausnahme, werden nach Hause zurückkehren«, sagte Netanjahu.

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Er rechne damit, dass es zur zweiten Phase des Waffenruhe-Abkommens komme, sagte derweil Witkoff dem Sender CBS. Diese soll zum endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Die Hamas aber müsse gehen, sagte Witkoff. Auf die Frage, ob sie Gaza physisch verlassen müsse, sagte er: »Physisch.« Und auf die Frage, wer die Hamas denn aufnehmen würde, antwortete der US-Sondergesandte: »Der Teufel steckt im Detail«.

»Einige Ideen«

Man habe »einige Ideen, und das wird Teil der Verhandlungen sein.« »Die Hamas wird den Gazastreifen nicht beherrschen. Der Gazastreifen wird entmilitarisiert, und die Kampftruppen werden aufgelöst«, sagte Netanjahu.

In Bezug auf Syrien forderte er derweil Berichten zufolge eine Demilitarisierung von Gebieten südlich der Hauptstadt Damaskus. Es gehe um die Provinzen Kuneitra, Daraa und Suweida, habe Netanjahu vor den Offiziersanwärtern gesagt, hieß es in Zeitungsberichten. Dort dürften weder Truppen der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) noch jene einer neuen syrischen Armee stationiert sein. Eine Rebellenallianz unter Führung der HTS hatte im vergangenen Jahr Syriens Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gestürzt.

Seitdem hat die israelische Armee ihre militärischen Aktivitäten auf syrischem Gebiet bereits deutlich ausgeweitet. Netanjahu betonte, israelische Truppen würden auf dem Berg Hermon und in der Pufferzone auf den Golanhöhen bleiben, und zwar »auf unbegrenzte Zeit«. Die eigentlich demilitarisierte Pufferzone wird von den Vereinten Nationen überwacht und liegt zwischen den von Israel seit 1967 besetzten syrischen Golanhöhen und dem Rest Syriens.

Verändertes Gesicht

Syrien fordert den Abzug der israelischen Truppen. Netanjahu hatte kurz nach dem Sturz Assads gesagt, der Zusammenbruch des Regimes sei eine »direkte Folge der schweren Schläge«, die Israel der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und dem Iran versetzt habe. »Der Staat Israel etabliert sich zu einem Machtzentrum in unserer Region, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war«, sagte Netanjahu. Sein Land verändere das »Gesicht des Nahen Ostens«.

Bei der Trauerfeier für Hisbollah-Chef Nasrallah forderten die rund 50.000 Teilnehmer den »Tod Israels«, während dpa-Reporterinnen zufolge israelische Kampfjets und Drohnen zu sehen und zu hören waren. Am selben Tag veröffentlichte die israelische Armee Videos des tödlichen Bombenangriffs auf Nasrallahs Bunker am 27. September.

Die Hisbollah hatte Israel mehr als ein Jahr lang mit Raketen attackiert, bevor Israel den militärischen Druck massiv erhöhte. Ende November wurde eine seither weitgehend eingehaltene Waffenruhe vereinbart.

Panzer im Westjordanland

Unterdessen setzte die israelische Armee erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten wieder Panzer im besetzten Westjordanland ein. »Eine Panzereinheit wird in Dschenin als Teil der Angriffsbemühungen vorgehen«, hieß es auf der Plattform X.

Dschenin gilt als Terror-Hochburg. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast eineinhalb Jahren ist es auch im Westjordanland zu einem Anstieg des Terrors gekommen. (mit ja)

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