Politik

Israel hat eine Regierung

Der alte, neue israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nach dem Einschwören der 35. Regierung Foto: Alex Kolomoisky

Mehr als 17 Monate hat es gedauert, bis Israel wieder eine funktionsfähige Koalition hat. Jetzt steht sie. Am Sonntagnachmittag wurde die 35. Regierung in der Knesset in Jerusalem eingeschworen.

Premierminister Benjamin Netanjahu vom rechtsgerichteten Likud und der Vorsitzende der Zentrumspartei Blau-Weiß, Benny Gantz, lobten sie, während Mitglieder der Opposition ihren Unmut über das größte Kabinett aller Zeiten mit Pfiffen und Buhrufen zum Ausdruck brachten.

PANDEMIE In den ersten sechs Monaten soll sie sich als Notfall-Regierung hauptsächlich um die Auswirkungen der Pandemie kümmern. »Es ist ein wichtiger Tag für den Staat Israel«, sagte Netanjahu und unterstrich, er glaube fest daran, dass er und Gantz erfolgreich zusammenarbeiten werden.

Laut Koalitionsvertrag werden sich die beiden das Amt des Premiers teilen. Nach 18 Monaten soll Netanjahu von Gantz abgelöst werden. In den drei vergangenen Wahlen waren die beiden erbitterte Kontrahenten. Erst durch die Corona-Pandemie und die Not, eine Regierung einzusetzen wurden sie zu Partnern, wie der Blau-Weiß-Vorsitzende sich rechtfertigte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der alte, neue Regierungschef Netanjahu hob den Erfolg des Umgangs mit Covid-19 hervor und erläuterte, dass ein spezielles »Corona-Kabinett« gegründet werden würde, das das Land auf die erwartete zweite Welle des Virus vorbereitet. Auch werde es ein »Budget der Hoffnung« geben, das Unternehmen in finanzieller Bedrängnis helfen soll.

KOSTEN Die Kritik, dass diese Regierung aufgeblasen sei, konterte er mit den Worten: »Wir haben drei Wahlen hinter uns, die Trennungen vertieft und uns viel gekostet haben. Für einen weiteren Urnengang hätten wir zwei Milliarden Schekel mehr ausgeben müssen«. Netanjahu bestand darauf, dass die jetzige Regierung »weitaus weniger kosten würde, nämlich 85 Millionen Schekel im Jahr«. Das sind umgerechnet knapp 22 Millionen Euro.

Besonders die Größe des Kabinetts – 36 Minister plus 16 Stellvertreter – wurde kritisiert. Vor allem in dieser Krisenzeit, in der die Arbeitslosigkeit auf über 25 Prozent anstieg, viele Menschen im Land ihr Einkommen verloren und noch nicht wissen, ob sie in naher Zukunft wieder Arbeit finden werden.

Verschiedene Ministerien sind speziell für diese Regierung geschaffen worden und scheinen sich mit anderen Institutionen zu überschneiden. Wie beispielsweise das Ministerium für Höhere Bildung und Wasserwirtschaft, das Ministerium für die Stärkung von Gemeinden oder das Siedlungs-Angelegenheiten-Ministerium. Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) und sein Bündnispartner Mosche Yaalon (Telem) ließen kein gutes Haar an der Koalition, die sie als »verschwenderischste in der Geschichte des Landes« bezeichneten.

RELEVANZ »Heute hat dieses ehrwürdige Gebäude das Vertrauen der Israelis verloren. Die Leute hassen Politiker und die Politik. Sie glauben definitiv nicht, dass sie Relevanz für ihr Leben haben. Und sie haben Recht. Die Politik nimmt ihnen ihr Geld, und sie bekommen nichts zurück«, sagte Lapid als Reaktion auf die eingeschworene Regierung.  Die Israelis verdienten Besseres, »und wir werden hier sein, um ihnen zu zeigen, dass es auch anders sein kann«.

Bislang sind nicht alle Namen, die Ministerposten beziehen, veröffentlicht, doch die wesentlichen sind mittlerweile bekannt. Verteidigungsminister wird der einstige Stabschef Gantz, Außenminister, auch er ein ehemaliger Armeechef, Gabi Aschkenasi (beide Blau-Weiß). Auch die als »Demokratieministerien« titulierten Bereiche Justiz und Kommunikation gehen an Blau-Weiß.

https://twitter.com/m_fietz/status/1262042069444579334

Vom Likud sind die bekanntesten Namen Yisrael Katz, der ins Finanzministerium wechselt, sowie die engsten Netanjahu-Verbündeten Miri Regev (Transport) und Amir Ohana (Sicherheit). Der während der Pandemie amtierende strengreligiöse Gesundheitsminister Yaakov Litzman, der durch seine Aktionen während der Pandemie in die Kritik geraten war, wird durch den einstigen Parlamentspräsidenten Yuli Edelstein (Likud) ersetzt. Ihm folgt der Ex-Tourismusminister Yariv Levin von dergleichen Partei ins Amt.  

MINISTER Obwohl der rechts-religiöse Block aus Likud und den ultraorthodoxen Parteien Schas sowie Vereintes Tora-Judentum zusammen 52 Mandate zählt und der Zentrumsblock aus Blau-Weiß und Arbeitspartei lediglich 19, besagt das Koalitionsabkommen, dass beide zumindest in den ersten sechs Monaten der Regierung dieselbe Zahl an Ministern haben.

Gantz wandte sich in seiner Rede auch an seine ehemaligen Bündnispartner Lapid und Yaalon: »Sie wissen, dass ich Sie an meiner Seite wollte.« Er sei bereit, jetzt mit der gesamten Opposition zusammenzuarbeiten und rief auf, die Zeit der Aufstachelung gegen eine der Versöhnung auszuwechseln. »Die Zeit der Regierung für nur die Hälfte des Volkes ist mit dieser Einheitsregierung vorbei.«

Israel

USA setzen keine Frist für Entwaffnung der Hamas

Bei einem Besuch betonte US-Vizepräsident JD Vance, dass die USA weiterhin darauf beharren, dass die Terrororganisation ihre Waffen niederlegt. Die Hamas lehnt das ab

 21.10.2025

Waffenruhe

Hamas übergibt zwei weitere Leichname mutmaßlicher Geiseln

Die Hamas muss im Rahmen eines Abkommens insgesamt 28 tote Entführte übergeben. Nun sind noch mindestens 13 Leichen von Verschleppten im Gazastreifen

 21.10.2025

Jerusalem

Netanjahu spricht mit Ägyptens Geheimdienstchef über Gaza-Friedensplan

Auch die Beziehungen zwischen Israel und seinem Nachbarland Ägypten seien thematisiert worden, erklärte das Büro des Ministerpräsidenten

 21.10.2025

Knesset

Ministerpräsident Netanjahu verteidigt letzte Offensive in Gaza

Die jüngste Operation gegen die Hamas sei Voraussetzung für das aktuelle Abkommen gewesen, so der Ministerpräsident. Der Opposition wirft er vor, das Land mit ihren Forderungen in Gefahr gebracht zu haben

 21.10.2025

Geiseln

Alon spielt wieder Klavier

Der israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Alon Ohel, der vom Nova-Festival gekidnappt wurde, ist ein talentierter Musiker

von Sabine Brandes  21.10.2025

Interview

»Die Hamas hat nicht die Absicht, die Waffen niederzulegen«

Der israelische Militärexperte Kobi Michael über die fragile Waffenruhe in Gaza, die Ziele des islamistischen Terrors und die israelischen Perspektiven

von Detlef David Kauschke  21.10.2025

Nahost

Israel-Besuch: J.D. Vance will Waffenruhe retten

Der amerikanische Vizepräsident soll sicherstellen, dass die Israelis die Vereinbarung nicht aufkündigen. Steve Witkoff und Jared Kushner gehören zu Vances Delegation

 21.10.2025

Geiseln

»Ein ewiger Junge mit 41 Jahren«

Die Leiche von Tal Haimi wurde aus Gaza überführt und in der Nacht identifiziert. Er lernte sein viertes Kind nie kennen

von Sabine Brandes  21.10.2025

Luxemburg

Kallas: EU-Sanktionen gegen Israel bleiben auf dem Tisch

Die EU-Außenbeauftragte will die Vorschläge für Strafmaßnahmen vorerst nicht zurückziehen - der CDU-Politiker Armin Laschet nennt Kaja Kallas deswegen »unbedarft«

von Michael Thaidigsmann  20.10.2025