Geheimdienst

Im Auftrag der Mullahs?

Alter Bekannter: Gonen Segev in seinem Berufungsverfahren 2006 Foto: Flash 90

Passfälschung, Drogenschmuggel, Kreditkartenbetrug und nun Spionage für den Iran. Der einstige israelische Minister Gonen Segev ist tief gefallen. Sicherheitskräfte gaben am Montagabend in Jerusalem bekannt, dass sie den ehemaligen Politiker festgenommen haben. Der Vorwurf: Spionage für den Iran im Kriegsfall. Die Polizei spricht von »einer der ernsthaftesten Sicherheitsverletzungen, die es jemals in Israel gab«.

Segev, der in den vergangenen Jahren in Nigeria lebte, ist bereits im Mai nach Israel ausgeliefert und sofort verhaftet worden. Das wurde erst jetzt öffentlich bekannt gegeben. Den Angaben des Jerusalemer Staatsanwaltes zufolge wurde nach ausgiebigen Ermittlungen bereits Anklage erhoben, Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit stimmte dem zu. Nach seiner Ankunft in Israel wurde Segev von den Sicherheitsdiensten verhört.

Das Ergebnis: Er sei im Jahr 2012 von Mitgliedern des iranischen Geheimdienstes rekrutiert worden und als Agent des iranischen Regimes aktiv gewesen, um Informationen über Israel zu sammeln und weiterzugeben. »Segev half ihnen in ihren Aktivitäten gegen den Staat Israel«, heißt es in der Erklärung.
Segev soll sich in Nigeria mit iranischen Agenten getroffen und Infos weitergegeben haben.

Nigeria Doch erst als Segev versucht hatte, im Mai 2018 nach Äquatorialguinea zu reisen, konnten ihn die israelischen Behörden fassen. Das afrikanische Land verweigerte ihm die Einreise aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit, und Israel stellte einen Auslieferungsantrag, der genehmigt wurde. Der Inlandsgeheimdienst Schin Bet veröffentlichte die Anklagepunkte: Hilfe für einen feindlichen Staat im Kriegsfall, Spionage gegen Israel und die Weitergabe von Informationen an einen Feind.

Der einstige Politiker habe sich mit iranischen Agenten in Nigeria in verschiedenen Hotels und Wohnungen getroffen und sogar zweimal den Iran besucht. Er sei sich vollständig darüber im Klaren gewesen, dass es sich dabei um Agenten handelte. Er habe Informationen zur Energiewirtschaft, zu Sicherheitseinrichtungen, diplomatischem sowie Sicherheits­personal und verschiedenen Gebäuden in Israel weitergegeben.

Dafür habe er Beziehungen zu israelischen Bürgern unterhalten, die in relevanten Bereichen arbeiten. Außerdem wollte Segev auch rekrutieren und vermittelte Treffen, bei denen er den Israelis die Iraner als »unschuldige Geschäftsleute« vorstellte.

Nachrichtensperre Israelische Medien berichten, dass Segev »seit seiner Verhaftung vollständig mit den Behörden zusammenarbeitet«. Er habe zudem erklärt, dass er Israel nicht habe schaden wollen, und seine Verbindungen mit den Iranern offengelegt. Seiner Aussage zufolge habe er keine geheimen Informationen weitergegeben sowie weder finanzielle noch ideologische Gründe für die Spionage gehabt. Er habe stattdessen Israel helfen und seinen Ruf wiederherstellen wollen. »Ich wollte die Iraner an der Nase herumführen und nach Israel als Held zurückkehren«, wollte er den Angaben zufolge während der Verhöre glauben machen.

Das allerdings widerspreche den Beweisen, die die Ermittler zusammengetragen haben. Segevs Anwälte erklärten unterdessen, dass »die gesamte Anklage ein anderes Bild darstellt, als jenes, das zur Veröffentlichung freigegeben ist«. Die Nachrichtensperre ist lediglich teilweise aufgehoben worden.
Die Vorwürfe gegen Segev wiegen schwer. »Hilfe für einen Feindstaat in Kriegszeiten« kann mit lebenslanger Haft bestraft werden, Spionage mit 15 Jahren bis lebenslänglich.

Theoretisch könnte sogar die Todesstrafe verhängt werden. Sie ist in der israelischen Rechtsprechung formell für Hochverrat und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgesehen, ist jedoch lediglich einmal seit Staatsgründung angewandt worden: gegen den »Architekten der Endlösung«, Adolf Eichmann. Es ist unwahrscheinlich, dass Segev dieses Schicksal droht. Allerdings könnte seine Tätigkeit, sofern er für schuldig befunden wird, als besonders schwerwiegend angesehen werden, da der Iran dem jüdischen Staat wiederholt mit Zerstörung droht und sich in der Region immer weiter ausbreitet.

Vorstrafen Der 62-jährige Segev, der von 1992 bis 1995 als Energie- und Infrastrukturminister in der israelischen Regierung unter Premier Yitzhak Rabin diente, ist kein unbeschriebenes Blatt. Nachdem er 1996 der Politik den Rücken kehrte, wurde er Geschäftsmann – offenbar keiner mit weißer Weste. 2005 wurde er für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt, weil er versucht hatte, mehr als 30.000 Ecstasy-Pillen aus Holland nach Israel zu schmuggeln – insgesamt sechs Kilogramm –, und einen diplomatischen Pass gefälscht hatte.

»Ich dachte, es seien M&M’s«, sagte er damals bei der Gerichtsverhandlung. Auch Kreditkartenbetrug steht auf der Liste seiner Vergehen. 2004 beschuldigte ihn die israelische Armee, der Regierung von Sri Lanka Waffen hinter dem Rücken der IDF billiger angeboten zu haben. Sein eigener Cousin hatte bei der Verhandlung gegen ihn ausgesagt und ihn als »pathologischen Lügner« bezeichnet, »der keine Verantwortung für seine Taten übernimmt«.

Segev, der Medizin studiert hatte, ging nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis 2007 nach Nigeria. Dort eröffnete er in Abudja eine Arztpraxis, in der er auch oft israelische Diplomaten, Angestellte von Botschaften, Mitglieder der lokalen jüdischen Gemeinde sowie Geschäftsleute behandelte. Seine medizinische Lizenz allerdings hatte er bereits 2007 in Israel wegen seiner kriminellen Aktivitäten verloren. 2016 beantragte er eine Wiederausstellung. Der Grund: Er wolle etwas für die israelische Gesellschaft tun »und für das Land, das ich liebe«. Sein Gesuch wurde abgelehnt.

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