Kadima

»Ich gehe jetzt schlafen«

Musste ihren Posten räumen: Zipi Livni Foto: Flash 90

Sie war eine Überfliegerin. Abgehoben ist sie aber nie. Zipi Livni, ehemalige Außenministerin und Vorsitzende der Kadima-Partei, spielte jahrelang auf Israels schlittrigem Politparkett eine der Hauptrollen. Zuletzt als Anführerin der Opposition. Jetzt ist sie aus dem Rampenlicht getreten. Offiziell angekündigt hat sie ihren Rückzug aus der Politik zwar nicht, doch die Zeichen könnten kaum eindeutiger sein.

Bei den letzten Vorwahlen um den Vorsitz ihrer Partei in der vergangenen Woche war die 53-Jährige grandios gescheitert. Während sie gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der abgegebenen Stimmen erhielt, trat ihr innerparteilicher Gegner Schaul Mofaz aus ihrem Schatten heraus. Mit fast 62 Prozent erfuhr er eine breite Zustimmung der Mitglieder, ließ sich in den Chefsessel fallen und krönte sich selbst bereits als Bibi-Herausforderer. Bei den nächsten Knessetwahlen will Mofaz die Regierung ablösen. Daran, dass ihm das gelingen könnte, zweifeln die meisten Analysten allerdings stark.

Dennoch hatte Mofaz offenbar seine Hausaufgaben fleißig erledigt und in den letzten Monaten jede Menge Basisarbeit geleistet. Etwas, das Livni immer ein Gräuel gewesen war. Schwätzchen mit Parteifreunden und Klinkenputzen waren noch nie ihre Sache gewesen.

Livni sagte im Anschluss an die Wahlen, sie habe eine Mission gehabt, doch sie habe es nicht geschafft, und jetzt sei es vorbei. Sicher hat Livni weder die Absicht, im Schatten von Mofaz in einer Partei mit mäßigem Erfolg herumzudümpeln, noch die, eine andere zu gründen. Zumindest nicht in der nahen Zukunft. Denn eine neue Partei wäre in Zeiten des Politikstarts von Yair Lapid, dem smarten TV-Star und Hoffnungsträger für einen Regierungswechsel, mit großer Sicherheit nur unter ferner liefen angesiedelt.

Geheimnis Livni galt immer als Senkrechtstarterin in der Politik. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. Geboren 1958 in Tel Aviv als Tochter zweier Aktivisten der Irgun, einer jüdischen Untergrundorganisation, die während der britischen Mandatszeit in Palästina Anschläge verübte, kam sie schon als Kind mit Politik in Berührung. Nach ihrem zweijährigen Armeedienst ließ sie sich vom israelischen Geheimdienst Mossad anheuern. Es ist mehr als 20 Jahre her, doch noch immer hängt ihr eine gewisse Aura des Geheimnisvollen an. Niemand weiß genau, was sie in den vier Jahren als Agentin in Paris getan hat. Livni selbst verliert kein Wort darüber. Dennoch wurde sie von Öffentlichkeit wie Medien gleichermaßen geschätzt. Ausländische Magazine titulierten sie oft als »eine der mächtigsten Frauen der Welt«.

Im Anschluss an den Dienst beim Mossad studierte Livni Jura an der Bar-Ilan-Universität und sammelte einige Jahre Berufserfahrung als Anwältin für Öffentliches und Handelsrecht.

Die Frau mit den herben Gesichtszügen und der dunklen Stimme hat sich stets unprätentiös und volksnah gegeben. Offiziell kleidet sie sich unauffällig, meist in gedeckten Hosenanzügen, privat trägt sie am liebsten Jeans und Pullis. In ihrer Freizeit spielt sie Schlagzeug. Ins israelische Parlament zog sie 1999 als Mitglied des Likud ein, jener Partei, die schon ihre Eltern gewählt hatten. Livni unterstützte 2004 die Räumung der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und galt als eines der zentralen Mitglieder der »Taubenfraktion« innerhalb der Partei. Im November 2005 folgte Livni dem aus dem Likud ausgetretenen Ex-Premier Ariel Scharon und trat seiner neuen Partei Kadima (Vorwärts) bei.

karriere Es folgte eine Karriere, wie sie steiler nicht hätte sein können: Innerhalb von sieben Jahren schaffte Livni es bis zur Außenministerin und Chefunterhändlerin bei den Gesprächen mit den Palästinensern. Jeder Schritt, den sie tat, brachte sie höher und höher auf der Karriereleiter. Bei den letzten Wahlen zur Knesset war es ihre Persönlichkeit, die der relativ profilarmen Kadima 28 Sitze einbrachte.

Viele politische Analysten meinten lange, sie habe definitiv das Potenzial, eine zweite Golda Meir zu werden – im positiven Sinne. Livni galt lange als wichtigste Frau in Israel. Sie war offensichtlich eine, die die Fäden gern hinter den Kulissen zieht. Wenn es jedoch darauf ankam, machte sie meist ihren Mund auf. Sie war die Erste, die Olmert nach dem Libanon-Desaster von 2006 zum Rücktritt aufforderte.

Doch dann wurde es immer stiller um Livni. Im vergangenen Sommer versagte sie gänzlich. Während die jetzige Chefin der Arbeitspartei, Shelly Jachimovitch, voller Inbrunst die Fahne der sozialen Proteste mitschwang, war von Livni kaum ein Wort zu vernehmen. Es wäre der Ort gewesen, an dem sie sich Herzen und Stimmen hätte sichern können. Doch sie war nicht dort.

Vielleicht hat sie sich zu sehr in Sicherheit gewähnt, vielleicht hatte ihr vorzeitiges Scheitern andere Gründe. Noch schweigt sie sich aus. Von den Mitgliedern ihrer Partei hat sie sich bereits in Tel Aviv verabschiedet. Mit den Worten: »Das ist das Ergebnis – und ich gehe jetzt schlafen.« Müder könnte man sich selbst nach einer Bruchlandung nicht anhören.

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