Justizreform

Herzogs neuer Plan vorgestellt - und abgelehnt

Israels Präsident Isaac Herzog Foto: Flash90

Er nennt ihn einen »goldenen Mittelweg«. Israels Präsident Issac Herzog hat am Mittwochabend in einer erneuten Ansprache an die Nation seinen zweiten Kompromissvorschlag als Alternative zur geplanten Reform der Justiz durch die von Premier Benjamin Netanjahu geführte Regierung vorgestellt.

Sein Vorschlag stehe für »ein faires und ausgewogenes Verhältnis zwischen den Säulen der Demokratie und ist den Grundsätzen der Unabhängigkeitserklärung uneingeschränkt verpflichtet«, sagte er.

MEHRHEIT Nach dem Plan von Herzog würde einer der umstrittensten Teile wegfallen: die sogenannte Override-Klausel, die es dem Parlament erlauben würde, jegliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes mit einer einfachen Mehrheit in der Knesset auszuhebeln. Die Abschaffung des »Angemessenheits-Standards« – der es den Richtern ermöglicht, Regierungsentscheidungen außer Kraft zu setzen, die sie für »unangemessen« halten, würde aber bestehen bleiben.

Die Ernennung von Richtern würde nach Herzogs Idee von einem Ernennungskomitee durchgeführt werden, das aus elf Mitgliedern besteht: drei Richtern des Obersten Gerichtshofs, drei Ministern, drei Knesset-Mitgliedern, davon ein Koalitionsmitglied, und zwei Oppositionsmitgliedern. Eine Mehrheit von sieben Mitgliedern würde neue Richter ernennen können. Auch will der Präsident einen Prozess zur Ausarbeitung einer Verfassung einleiten.

»Es ist eine Notwendigkeit, das Justizsystem zu diversifizieren, damit die verschiedenen Stimmen des israelischen Volkes Teil davon sein werden.«

präsident isaac herzog

Herzog, der den Kompromiss in einer Rede vorschlug, hob noch einmal hervor, dass »ein breiter Konsens in diesem Moment das Richtige ist. Die israelische Demokratie ist die Seele unserer Nation, und wir müssen sie um jeden Preis schützen.« Sein Vorschlag solle eine breite Debatte eröffnen. Er unterstrich, das Justizsystem zu diversifizieren sei eine Notwendigkeit, damit die verschiedenen Stimmen des israelischen Volkes Teil davon sein könnten.

BÜRGERKRIEG Gleichfalls warnte er: »Wer glaubt, der Bürgerkrieg werde nicht stattfinden – der hat keine Ahnung. Der Abgrund ist zum Greifen nah. Ein Bürgerkrieg ist die rote Linie. Das werde ich nicht zulassen«.

Die Nationale Einheitspartei von Benny Gantz und Gideon Saar nahm den Vorschlag an und verlangte von der Koalition, es ihr gleichzutun. »Wir fordern Netanjahu und alle Elemente des politischen Systems auf, sich in dieser schicksalhaften Stunde verantwortungsbewusst zu verhalten, den Entwurf anzunehmen und sofort damit zu beginnen, ihn zu fördern.«

INTELLIGENZ Doch noch am selben Abend verweigerte der Likud seine Zustimmung. Bildungsminister Yoav Kisch, der für die Partei sprach, sagte, Teile davon hielten die bestehende Situation aufrecht und böten nicht das erforderliche Gleichgewicht zwischen den Zweigen. Verkehrsministerin Miri Regev meinte gar, der Vorschlag »verletzt unsere Intelligenz«.

Auch Netanjahu äußerte sich, kurz bevor er ins Flugzeug in Richtung Berlin stieg: »Die Dinge, die der Präsident vorschlägt, wurden von der Koalition nicht vereinbart, und zentrale Elemente des Vorschlags verewigen nur die bestehende Situation. Sie bringen nicht das notwendige Gleichgewicht zwischen den Säulen«, sagte er. »Und das ist die traurige Wahrheit.«

»Der Vorschlag bringt nicht das notwendige Gleichgewicht zwischen den Säulen.«

premierminister benjamin netanjahu

Die Partei von Oppositionsführer Yair Lapid, Jesch Atid, reagierte auf die Ablehnung mit einer Erklärung: »Die Reaktion der Koalition auf den Entwurf ist eine Verachtung der Institution der Präsidentschaft, eine völlige Verkennung der Schwere des Augenblicks und eine Abkehr der Idee, dass wir eine Nation sind«.

PROTESTE Am Donnerstag begannen bereits am Morgen Protestaktionen gegen die Regierungspolitik in weiten Teilen des Landes. Die Organisatoren gaben an, dass sie im Laufe des Tages Hunderttausende Israelis erwarten, die sich daran beteiligen.

Vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem malten Demonstranten am frühen Morgen eine rote Linie auf den Boden, als Symbol gegen die Schwächung der Justiz. »Ad kan - bis hierher«, hatten sie auf Schilder geschrieben. Diese Grenze darf nicht überschritten werden.

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