Nahost

Hält der Deal?

Shira Albag spricht bei einer Kundgebung für die Freilassung der Geiseln. Ihre Tochter Liri könnte schon am Sonntag freikommen Foto: Copyright (c) Flash90 2025

Die von den Vermittlerstaaten verkündete Einigung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen weckt Hoffnung auf ein Ende des seit 15 Monaten andauernden Krieges. Israels Staatspräsident Isaac Herzog rief das Sicherheitskabinett und die Regierung seines Landes auf, die Vereinbarung mit der Hamas zu billigen.

»Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment«, sagte Herzog am Mittwochabend nach Angaben seines Büros. Der israelischen Nachrichtenseite »Ynet« zufolge handelt es sich bei den laut Netanjahus Büro noch zu klärenden Einzelheiten um »technische Details« wie die Zusammensetzung der Liste palästinensischer Häftlinge, die Israel im Austausch für die Hamas-Geiseln im Gazastreifen freilassen soll.

Doch am Donnerstagmorgen teilte das Büro von Ministerpräsident Netanjahu mit, die Terrorgruppe würde das Abkommen in letzter Minute torpedieren. »Die Hamas hält sich nicht an Abmachungen und stürzt uns in letzter Minute in eine Krise, die ein Abkommen verhindert«, heißt es in der Pressemitteilung.

Eigentlich sollte das Sicherheitskabinett heute um 11 Uhr Ortszeit zusammenkommen und dann das Kabinett des Ministerpräsidenten, um über den Geisel-Deal abzustimmen. Doch nun stehen die Zeichen auf Stop. »Das israelische Kabinett wird sich erst versammeln, wenn die Vermittler Israel benachrichtigen, das die Hamas alle Teile des Abkommens akzeptiert hat.«

Nach Informationen der »Times of Israel« sind Mossad-Chef David Barnea und das israelische Verhandlungsteam noch immer in Doha, um die Details des Abkommens auszuverhandeln.

Feuerpause ab Sonntag

Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani hatte gestern verkündet, die Waffenruhe solle am Sonntag um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten und zunächst für 42 Tage gelten. Laut israelischen Medien sollen noch am selben Tag die ersten Geiseln nach Israel zurückkehren.

Während der Waffenruhe sollen 33 der insgesamt weiterhin in der Gewalt der Hamas befindlichen 98 Entführten im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen – wobei ungewiss ist, wie viele Geiseln überhaupt noch am Leben sind. Krankenhäuser in Israel haben sich auf die Aufnahme zutiefst traumatisierter und teilweise auch kranker und verletzter Menschen vorbereitet.

Netanjahu dankt Biden und Trump

Während im durch Ägypten und Israel abgeriegelten Gazastreifen, wo die Terroristen der Hamas seit 2007 herrschen, die Menschen in Jubel ausbrachen, nahmen Angehörige der israelischen Geiseln die Verkündung einer Einigung mit gemischten Gefühlen auf.

»Für mich ist es erst vorbei, wenn es vorbei ist«, sagte Jimmy Miller, Cousin der deutsch-israelischen Geisel Schiri Bibas, im Zentrum von Tel Aviv. Der Platz war am Abend ungewöhnlich leer, niemand schien in Feierstimmung.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden gratulierte Netanjahu nach Angaben des Weißen Hauses derweil zum Waffenruhe-Deal, der in drei Phasen unterteilt ist. Beide Politiker hätten über die unvorstellbaren Bedingungen gesprochen, die die Geiseln – darunter auch Amerikaner – in Gefangenschaft ertragen mussten und über das schreckliche Leid ihrer Familien.

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»Dringend benötigte Hoffnung«

Er habe Trump für seine Unterstützung beim Voranbringen des Abkommens gedankt, teilte Netanjahus Büro mit. Der Republikaner habe Israel geholfen, »das Leiden Dutzender Geiseln und ihrer Familien zu beenden«. Netanjahu lobte demnach auch Trumps Äußerungen, dass die USA gemeinsam mit Israel sicherstellen wollten, dass der Gazastreifen niemals Zufluchtsort für Terroristen werde. Beide wollten sich »demnächst« in Washington treffen und diese wie auch weitere Fragen erörtern.

Die vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas biete »dringend benötigte Hoffnung für Millionen Menschen, deren Leben durch diesen Konflikt zerstört wurden«, sagte UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher. In der Tat haben die Hamas und ihre Verbündeten in Teheran und im Libanon viel Leid angerichtet.

Grenzübergang Rafah wird geöffnet

Zu der Waffenruhevereinbarung kam es aufgrund des von Israel ausgeübten militärischen Drucks auf die Terroristen der Hamas. Diese wurden weitgehend besiegt.

Der wichtige Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll bereits heute Morgen wieder eröffnet werden. Entsprechende Anweisungen seien eingegangen, bestätigte ein Sicherheitsbeamter der Deutschen Presse-Agentur. Rund 600 Lastwagen mit Hilfslieferungen wurden demnach für die Einfuhr vorbereitet.

Die humanitäre Lage in dem durch Ägypten und Israel abgeriegelten Küstenstreifen am Mittelmeer ist nach dem von der Hamas begonnenen, monatelangen Krieg dramatisch. Es fehlt laut UN an Wasser, Notunterkünften und Arzneimitteln.

Macron und Erdogan

Auch mehrere arabische Staaten begrüßten die Einigung auf eine Waffenruhe. »Mit dieser Ankündigung endet eine blutige Seite in der Geschichte des palästinensischen Volkes, das unter der israelischen Aggression schwer gelitten hat«, erklärte Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati.

Beide Seiten müssten sich nun an die getroffenen Vereinbarungen halten, um dem Leiden der Geiseln und der palästinensischen Häftlinge ein Ende zu setzen, hieß aus dem Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate.

Das Abkommen müsse eingehalten werden, forderte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er pocht auf eine politische Lösung des Nahost-Konflikts. Nach 15 Monaten »eines nicht zu rechtfertigenden Martyriums« gebe es Erleichterung für die Menschen in Gaza und Hoffnung für die Geiseln und ihre Familien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teilte mit, er hoffe auf dauerhaften Frieden und Stabilität. Seine Regierung pflegt enge Beziehungen zu den Hamas-Terroristen.

»Sicherheit und Würde«

Das Abkommen müsse »rigoros umgesetzt werden«, verlangte auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Mit »Führung und Weisheit können wir Fortschritte auf dem Weg zu dem Tag machen, an dem Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden und Sicherheit in zwei souveränen Staaten leben, in gegenseitiger Sicherheit und Würde«. dpa/im

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