Habeck in Nahost

Vizekanzler auf glattem Parkett

Robert Habeck am Rande seines Israel-Besuchs diese Woche in Jerusalem Foto: picture alliance/dpa

Robert Habeck fühlt sich als Normalo. Wenn der eigene Status allzu offensichtlich wird, macht der deutsche Vizekanzler eine flapsige Bemerkung. Auf seiner Nahost-Reise hatte er reichlich Gelegenheit für diese ironische Distanz: In vier Tagen traf er unter anderem den israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett, den palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje und in Jordanien König Abdullah II. sowie den Kronprinzen Hussein. Alles Gesprächspartner in einer oberen politischen Gewichtsklasse.

Habeck mag im Hauptberuf Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sein, auf seiner Tour durch Israel, die Palästinensergebiete und Jordanien wird er aber auch als deutscher Vizekanzler wahrgenommen. In Israel ist der sonst so wortgewaltige Habeck mit angezogener rhetorischer Handbremse unterwegs - offenbar soll nichts schief gehen. Er drückt sich zwar auch hier vor keiner Journalistenfrage, nur lässt einen manch umständliche Antwort ratlos zurück.

Der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geht ihm nahe. Als er das Gedicht des jüdischen Dichters Paul Celan verliest, mit dem er sich ins Gästebuch einträgt, bricht ihm mehrmals die Stimme. »So absurd das klingt«, habe der sein Verständnis vom Holocaust geprägt, dem deutschen Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden.

Seinen ersten Auftritt mit einem Politiker seiner Gastregion absolviert Habeck mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje in Ramallah, am Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde - nach seinen Treffen mit israelischen Kollegen am Vortag war er stets allein vor die Kameras getreten. Der bezeichnet ihn als »lieben Freund« und versucht gleich, ihn für die eigene Sache in Beschlag zu nehmen: Mit Deutschland stünde man fest zusammen »beim Schutz des internationalen Rechts, den Menschenrechten und auch beim Ruf nach einer Zwei-Staaten-Lösung«.

Israel hingegen wirft er vor, die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates zu untergraben und gezielt Zivilisten in den Palästinensergebieten zu töten. Vorwürfe, die Habeck mit einem Verweis auf die Verantwortung beider Seiten kontert und der Forderung nach »pragmatischen Lösungen«. Deutsche Entwicklungshilfe könnte doch in Solaranlagen in Flüchtlingslagern fließen, überlegt er laut.

Die Pressekonferenz ist eigentlich schon vorbei, ohne dass Habeck in den Untiefen des Nahost-Konflikts auf Grund gelaufen wäre, da ergreift er noch einmal das Wort. Die Israelis sollten vorsichtig sein, was sie in den Palästinensergebieten täten und die Palästinenser sollten die Gewalt in Israel stoppen, wo bei Anschlägen zuletzt immer wieder Menschen ums Leben kamen.

»Bitte versuchen Sie zu verstehen, dass der Verlust und die Gefühle und die Emotionen auch auf der anderen Seite sind.« Der Nahost-Konflikt ist damit einer Lösung kein Stück näher, aber Habeck hat zumindest noch mal klargestellt, dass er nicht einseitig Partei ergreifen will.

Ein Lieblingsprojekt, auf das Habeck überall wieder zurückkommt, ist ein Energievorhaben, das Israel, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im November vereinbart haben. Israel soll Jordanien demnach mit entsalztem Wasser versorgen und im Gegenzug Solarstrom erhalten. Zu diesem Zweck soll ein Solarkraftwerk in der jordanischen Wüste gebaut werden, das mit Geld aus den VAE finanziert wird.

Wandel durch Handel - ist das nicht schon bei Russland gescheitert? Hier könnte es anders laufen, glaubt Habeck, weil von der Energieerzeugung aus Wind und Sonne viele profitieren könnten, während bei der Ausbeutung fossiler Energien häufig nur einige wenige Mächtige profitierten.

Überhaupt Solarstrom. »Ich komme aus Deutschland«, sagt Habeck bei der Eröffnung einer jordanisch-deutschen Energiekonferenz in einem Luxushotel am Toten Meer. »Wir pflastern unsere Landschaft mit Solarpaneelen, und die Sonne scheint nicht halb so viel wie sie das in Ihrer Region tut.« Sonnenstrom und CO2-frei hergestellter Wasserstoff würden gebraucht für die Energiewende. Das könne der Region auch Wohlstand bringen.

Den jordanischen König Abdullah II. trifft Habeck noch sowie Kronprinz Hussein - er hört sich an einer deutsch-jordanischen Hochschule die Klagen von Studenten an, die über hohe Hürden klagen, wenn sie nach dem Studium noch Arbeitserfahrung in Deutschland sammeln wollen.

Und dann steht Habeck am Donnerstagmorgen neben einer Müllkippe und schaut syrischen Flüchtlingen dabei zu, wie sie in einem Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Müll sortieren und pressen.

Mehr als die Hälfte der fast 40.000 Menschen im jordanischen Flüchtlingslager Asrak sind Kinder oder Jugendliche und sie haben wenig Perspektiven. Viele seien schon seit 2013 dort, erzählen Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR). Arbeitsmöglichkeiten in Jordanien gibt es nur eingeschränkt.

Habeck herzt Kinder, spricht mit Mitarbeitern und einer Flüchtlingsfamilie. Er wolle mal schauen, ob Deutschland nicht Ausbildungsprogramme für Flüchtlinge unterstützen und dann Absolventen ins Land holen könnte, sagt er danach. »Es ist ja offensichtlich, dass wir einen ungeheuren Bedarf an Fachkräften und an Arbeitskräften haben.« Das fiele zwar eher in die Zuständigkeit zweier SPD-Kollegen im Kabinett, Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil, doch Habeck ficht das nicht an.

Am Ende der Reise schaut der Grüne noch bei Soldaten auf der jordanischen Luftwaffenbasis Al-Asrak vorbei und dankt den dort stationierten deutschen Bundeswehrsoldaten für ihren Einsatz. »Ich war hier in der Region. Es wäre absurd gewesen, hier vorbeizufahren, ohne einmal danke zu sagen für das, was Sie für Deutschland tun - was Sie hier für den Frieden in der Region tun.«

Als Soldaten ihm ihre Ausrüstung zeigen, hebt er mal einen Helm hoch. Von den ausgestellten Waffen lässt der von Kameras umgegebene Grünen-Politiker lieber die Finger. Bei allem Selbstbewusstsein: Die Diskussion um solch ein Foto will Habeck dann doch nicht riskieren.

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025