Nach dem Stopp humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen kappt Israel nun auch die Stromversorgung für das abgeriegelte Küstengebiet. Mit den Maßnahmen will Israel den Druck auf die palästinensische Terrororganisation Hamas erhöhen, die in ihrer Gewalt verbliebenen Geiseln freizulassen. Eine israelische Delegation soll heute nach Katar reisen, um die Gespräche über eine Fortsetzung der Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln voranzubringen.
»Wir werden alle Mittel einsetzen, die uns zur Verfügung stehen, damit alle Geiseln zurückkehren, und wir werden gewährleisten, dass die Hamas am Tag danach nicht mehr in Gaza ist«, sagte der israelische Energieminister Eli Cohen in einer Videobotschaft. Er habe daher angeordnet, Gaza sofort den Strom abzustellen. »Schluss mit dem Gerede, es ist Zeit zu handeln!«, schrieb er auf X.
Laut dem israelischen Nachrichtenportal »Ynet« lieferte Israel seit Kriegsbeginn nur noch über eine Leitung Strom nach Gaza. Diese sei direkt mit einer Wasseraufbereitungsanlage verbunden. Vor dem Massaker der Hamas und anderer Terrororganisationen am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem 1200 Menschen ermordet und 251 verschleppt wurden, seien es noch zehn Leitungen gewesen.
Weitere Maßnahmen könnten folgen
Israel habe die Stromversorgung de facto bereits im Oktober 2023 gestoppt, behauptete der Hamas-Sprecher Hasem Kassem. Viele Menschen behelfen sich mit Solarstrom und Generatoren. Die Hamas sprach auf Telegram von einem Versuch Israels, »den Druck auf unser palästinensisches Volk und den Widerstand durch seine billige und inakzeptable Erpressungspolitik zu verstärken«.
Nach Ablauf der ersten Phase der am 19. Januar in Kraft getretenen Waffenruhe hatte Israel vor einer Woche bereits einen vollständigen Stopp der Hilfslieferungen in den Gazastreifen angeordnet. Das Nachrichtenportal »ynet« berichtete unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten israelischen Regierungsvertreter, auch ein Stopp der Wasserlieferungen werde erwogen.
Sollten diese Schritte nicht die gewünschte Wirkung zeigen, könnte Israel zu Luftangriffen und »taktischen« Einsätzen gegen die Hamas übergehen, zitierte das »Wall Street Journal« einen israelischen Sicherheitsanalysten, der mit den Planungen vertraut sei. Als Nächstes könnte demnach eine erneute Umsiedlung der Bewohner aus dem Norden in den Süden Gazas folgen. Als letzte Maßnahme könnte Israel den Krieg wieder voll aufnehmen und dabei mit weitaus mehr militärischer Wucht als vor der Waffenruhe vorgehen, hieß es.
Bewegt sich die Hamas?
Bisher konnten sich Israel und die Hamas nicht auf die Konditionen einer Verlängerung der Waffenruhe einigen. Die Terrororganisation hat nach israelischen Informationen noch 24 Geiseln und 35 Leichen von Verschleppten in ihrer Gewalt. Fünf von ihnen haben auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft - nur einer davon, ein junger Mann, ist israelischen Angaben zufolge noch am Leben.
»Kreise der Hamas« hatten der Deutschen Presse-Agentur in den vergangenen Tagen bestätigt, dass direkte Gespräche mit der US-Regierung über die amerikanischen Geiseln und eine mögliche umfassendere Vereinbarung zur Beendigung des Gaza-Kriegs stattfanden.
Hamas-Vertreter hätten nun angedeutet, dass sie bereit wären, ein Interimsabkommen über die Aushändigung der amerikanischen Verschleppten einzugehen - im Gegenzug für eine Verlängerung der Waffenruhe, Garantien für die Aufnahme von Gesprächen über die zweite Phase und die Freilassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen, schrieb das »Wall Street Journal«.
Verhandlungen werden fortgesetzt
Die zweite Phase sieht die Freilassung aller Geiseln sowie ein dauerhaftes Ende des Kriegs vor. Israel verfolgt weiterhin auch das Kriegsziel einer vollständigen Zerschlagung der Hamas und will eine Fortsetzung der Herrschaft der palästinensischen Terrororganisation in Gaza nicht akzeptieren.
Eine Delegation der Hamas führte in den vergangenen Tagen in Kairo Gespräche mit ägyptischen Vermittlern und reiste am Sonntag Richtung Katar ab, wie die dpa aus Flughafenkreisen erfuhr.
In der katarischen Hauptstadt Doha sollen heute die indirekten Verhandlungen fortgeführt werden, bei denen Katar, Ägypten und die USA als Vermittler zwischen den beiden Kriegsparteien fungieren. Auch Israel wird heute eine Delegation nach Doha schicken, um die Verhandlungen voranzubringen, wie das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu mitteilte. dpa/ja