Skandal

Geschenke unter Freunden

Gegen Premier Netanjahu wird wegen des Verdachts der Korruption ermittelt

von Sabine Brandes  09.01.2017 17:06 Uhr

Neue Vorwürfe überschatten das Image des Premierministers. Foto: Flash 90

Gegen Premier Netanjahu wird wegen des Verdachts der Korruption ermittelt

von Sabine Brandes  09.01.2017 17:06 Uhr

Es soll um Zigarren und Rosé Champagner gehen, um Maßanzüge und Delikatessen, Luxusreisen und verbotene Präsente für eine Person im öffentlichen Amt. Die übliche Liste, wenn es um Korruption geht. Wegen dieses Verdachts wird derzeit gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ermittelt. Doch dann gibt es noch den »Fall 2000«, der, eingehüllt in einen Nebel des Mysteriösen, dieser Tage die israelische Öffentlichkeit wirklich schockiert.

Von einem Autor für Verschwörungsthriller hätte der Plot kaum fantasievoller erfunden werden können. Ein Regierungschef und ein Medienmogul tauschen seit Jahrzehnten erbitterte Beschuldigungen aus und sind erklärte Erzfeinde. Der Politiker unterstellt dem anderen, er wolle ihn politisch zerstören und nutze seine Medien, um Profit daraus zu schlagen. Der Zeitungsmann beruft sich auf die Pressefreiheit und wettert weiterhin in seinem Blatt gegen den Premierminister. Doch plötzlich kommt ans Licht, dass die beiden eigentlich miteinander kungeln. Der Politiker bietet geschäftliche Vorteile an und verlangt im Gegenzug eine wohlwollende Berichterstattung.

Skandal Setzt man die Namen Benjamin Netanjahu und Noni Mozes, Eigentümer der Zeitung Yedioth Ahronoth und der Internetseite Ynet, ein, hat man den vermeintlichen Skandal, der die Schlagzeilen im ganzen Land bestimmt. Angeblich haben Netanjahu und Mozes miteinander telefoniert und ebenjenen Deal ausgeheckt. Netanjahu soll, berichten mehrere Tageszeitungen, so weit gegangen sein, dass er angeboten hat, das Gratisblatt Israel Hayom einzuschränken oder sogar ganz vom Markt nehmen zu lassen. Alles für eine gute Presse.

Israel Hayom ist tatsächlich die größte Konkurrenz von Mozes’ Yedioth Ahronoth. Doch mehr noch: Die im Volksmund als »Bibiton« titulierte Zeitung ist dermaßen pro Netanjahu, dass selbst gleichgesinnte Politiker sie als zu einseitig bezeichnen. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sagte einst: »Die ist wie die Prawda.« Herausgegeben und finanziert wird sie vom engen Freund und Unterstützer des Ministerpräsidenten, Sheldon Adelson, Casinomagnat aus Las Vegas. Israel Hayom macht Stimmung für Netanjahu. Daher ist es verwunderlich, dass der diesen Trumpf freiwillig aus der Hand geben würde.

Oder wollte der Premier etwa Mozes und Adelson gegeneinander ausspielen? Über diese Vermutung spekuliert derzeit ganz Israel. Von der Vereinbarung zwischen Netanjahu und Mozes hätten beide profitiert, heißt es. Netanjahu bekäme eine wohlwollendere Berichterstattung, Mozes lukrative Geschäfte. Herausgekommen ist das alles, weil es einen Mitschnitt des Gesprächs gibt, der den Ermittlern vorliegt. Angeblich hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit nach dem Hören des Gesprächs sein endgültiges Okay für die Ermittlungen gegen Netanjahu gegeben. Mittlerweile wird auch Mozes unter Vorbehalt verhört. Ob jenen Absprachen allerdings auch Taten folgten und ob es überhaupt ein krimineller Vorgang ist, ist noch nicht bekannt.

High Society Falls nicht, gibt es immer noch die Sache mit den Präsenten, die das Image des Premiers überschattet – weniger spektakulär, aber vielleicht durch handfeste Beweise gestützt. Denn es scheint, als hätte die internationale High Society jahrelang um Netanjahus Gunst gerungen – und sich das etwas kosten lassen.

Die Polizei hat mittlerweile die Aussagen von 50 Zeugen aufgenommen, darunter die des Präsidenten des World Jewish Congress, Ronald Lauder. Der bestätigte, Netanjahu und seiner Familie Geschenke gemacht zu haben. Netanjahu persönlich soll unter anderem Anzüge erhalten haben, sein Sohn Yair auf Auslandsreisen beherbergt worden sein. Lauder betonte, dass es sich dabei um »Geschenke unter Freunden im Rahmen einer Jahrzehnte andauernden Freundschaft« gehandelt habe.

Ein Fernsehbericht im Kanal 2 erwähnte auch den Geschäftsmann und Hollywood-Produzenten Arnon Milchan, der Netanjahu und seine Ehefrau Sara in den vergangenen sieben oder acht Jahren mit Zigarren und Champagner im Wert einer sechsstelligen Summe versorgt haben soll. Für denselben Milchan habe Netanjahu dreimal beim amerikanischen Außenminister John Kerry angerufen und ihn gebeten, sich um die Angelegenheit mit Milchans US-Visum zu kümmern. Milchan erhielt tatsächlich ein Visum.

Die Ausgaben für die Luxusgaben soll sich der Filmproduzent übrigens mit einem anderen geteilt haben, der sich im Celebrity-Business bestens auskennt: dem Australier James Packer. Der Ex-Verlobte der Schmusesängerin Mariah Carey besitzt ein Haus in der Nähe von Netanjahus Villa im israelischen Nobelort Caesarea und hätte gern eine Aufenthaltsgenehmigung für Israel – aus steuerlichen Gründen. Da er kein Jude ist, kann die ihm allerdings verwehrt werden. Wurde sie auch, als der Freund von Netanjahu und Anwalt Yaakov Weinroth bei Innenminister Arie Deri in Sachen Packer anfragte. Netanjahus Kommentar zu den Vorwürfen: »Freut euch nicht zu früh!«

spezialeinheit Dem Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ist ohnehin nicht nach Freude zumute. Ihm ist es ernst. Die Ermittler hätten im vergangenen Monat ausreichend Beweise gefunden, die es zuließen, Netanjahu als Verdächtigen zu befragen. »Die neuen Entwicklungen haben die Lage verändert«, so Mandelblit, der statt einer Voruntersuchung nun eine vollständige Ermittlung gegen den Regierungschef bevollmächtigte. In der Behörde wurde eine Spezialeinheit gebildet, um mit den Vorwürfen gegen den Regierungschef in den zwei unterschiedlichen Affären effektiv umzugehen. Geleitet wird sie von Schlomo Meshualem, der zuvor das Betrugsdezernat geführt hatte.

Der Premierminister selbst wies alle Vorwürfe zurück, riet den Oppositionspolitikern, sich »zu entspannen«, und twitterte im Anschluss an die Befragungen: »Die jahrelange tägliche Verfolgung meiner Person und meiner Familie hat nichts ergeben. Und ich wiederhole: Es wird nichts ergeben, weil es nichts gibt.«

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