Vor dem Hintergrund einer drohenden militärischen Eskalation in Nahost ist am Samstag eine israelische Delegation zu indirekten Verhandlungen über die weiterhin von der Terrororganisation Hamas in Gaza gefangengehaltenen 115 Geiseln in Ägyptens Hauptstadt gereist. Laut israelische Berichten waren die Chefs der Geheimdienste Mossad (Ausland), David Barnea, und Schin Bet (Inland), Ronen Bar, darunter. Ägypten, Katar und die USA haben vermittelt.
Nachdem unter anderem US-Präsident Joe Biden in einem, wie dieser sagte, »sehr direkten« Gespräch mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu darauf hingewiesen hat, dass die Tötung des politischen Hamas-Führer Ismail Haniyeh am vergangenen Mittwoch - für die Israel bisher nicht die Verantwortung übernommen hat - die Chance auf eine Freilassung der Geiseln beeinträchtigt habe, und nach wie vor der Vorwurf im Raum steht, dass der Premier einen Deal mit der Hamas sabotiere, wehrte sich das Büro Netanjahus am Freitagabend mit scharfen Worten: »Sinwar ist das Hindernis für das Abkommen, nicht der Premierminister«. Das berichtet die »Jerusalem Post«.
Schärferer Umgangston
Bei den Gesprächen in Kairo mit dem ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamal und anderen hochrangigen Regierungsvertretern sollte es Berichten zufolge auch um künftige Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten gehen. Israel will verhindern, dass sich die Hamas über diese Grenze Nachschub an Waffen und Munition sichert.
Laut einem Bericht des israelischen Newsportals »walla.co.il« hat sich Katar nach der Tötung Hanijehs vorläufig als Vermittler aus den Gesprächen zurückgezogen. Das Golfemirat hält in dem Prozess die Kontakte zur Terrororganisation Hamas. Hanijeh lebte in der katarischen Hauptstadt Doha im Exil, wo er am Freitag beerdigt wurde.
Die letzte Gesprächsrunde unter Leitung von CIA-Direktor William Burns hatte Ende Juli in Rom mit dem katarischen Premierminister Mohammed Al-Thani und dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamel stattgefunden. Das israelische Team unter der Leitung von Mossad-Chef David Barnea legte Israels Erläuterungen zu dem dreiteiligen Vorschlag vor, den US-Präsident Joe Biden am 31. Mai zur Freilassung der restlichen 115 Gefangenen unterbreitet hatte.
Israelische Medien berichten, dass die jüngste Gesprächsrunde mit israelischen und ägyptischen Teilnehmern am Samstag in Kairo keinen Durchbruch brachten, doch die »Jerusalem Post« zitiert hochrangige Beamte, die von Fortschritten bei den Parametern im Zusammenhang mit dem Philadelphi-Korridor (eine Kontrollzone unter anderem zur Eindämmung von Waffenschmuggel) und dem Grenzübergang Rafah vermelden.
Tausende demonstrieren für die Geiseln
Am Samstagabend haben Tausende Menschen in Tel Aviv, Jerusalem, Haifa und anderen israelischen Städten für ein Abkommen zur Freilassung der 115 Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas demonstriert. Redner auf verschiedenen Kundgebungen warfen Israels Netanjahu vor, durch seine Blockadehaltung einen Deal zu verhindern.
«Die Zeit für einen Deal ist gekommen, und die Zeit ist gekommen für (vorgezogene) Wahlen», rief der ehemalige Diplomat Eran Etzion vor der Residenz Netanjahus in Jerusalem in die Menge, wie die «Times of Israel» berichtete. Der Deal liege auf dem Tisch, Netanjahu würde ihn lediglich «aus politischen, persönlichen und strafrechtlichen Gründen» blockieren. Ja/dpa