Jom Kippur

Fasten bei bis zu 40 Grad

Freie Bahn nicht nur für Zweiräder: Am Jom Kippur waren die Straßen nahezu leer. Foto: Flash 90

Es war einer der heißesten Tage des israelischen Sommers. Ging man aus dem Haus, schien es, als trete man vor eine Wand aus undurchdringbar schwüler Luft. Dabei steht eigentlich bereits der Herbst vor der Tür. Doch die Hitzewelle, die das Land am Jom Kippur überschwappte, stellte Fastende wie radelnde Kinder auf eine harte Probe. Fast 2000 Menschen mussten wegen Dehydration, Ohnmacht oder Verletzungen durch Radfahrunfälle ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Ansonsten verlief der höchste Feiertag im Judentum von Naharija bis Eilat ruhig. Berichte von Auseinandersetzungen oder gar Unruhen, wie vor wenigen Jahren in Akko etwa, gab es nicht. Vielleicht war es bei Temperaturen bis 40 Grad einfach zu heiß zum Streiten.

Erste Hilfe Die Rettungskräfte von Magen David Adom hatten aus den vergangenen Jahren ihre Lehren gezogen und waren bestens vorbereitet. So standen in mehreren Synagogen im ganzen Land Notfallausrüstungen zur Wiederbelebung bereit. 16-mal wurde nach Angaben der medizinischen Dienste davon Gebrauch gemacht.

Am Jom Kippur zu fasten, gehört für die meisten Israelis zu ihrer Identität. Ob streng religiös oder gänzlich säkular. Nach einer Befragung des Instituts für Jüdischen Pluralismus, BINA, halten sich 73 Prozent der Bevölkerung an das Gebot, 25 Stunden lang keine Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab »religiöse Gründe« an, fast 23 Prozent fasten im Namen der Tradition und 14 Prozent aus »Solidarität mit dem jüdischen Volk«.

Ruhe Noch mehr Menschen halten sich daran, an diesem Tag keine Vehikel zu benutzen, außer jenen, die durch Muskelkraft angetrieben werden. So waren die Straßen – bis auf einige wenige Krankenwagen – völlig leer. Einmal im Jahr beherrschen somit nicht einmal auf dem Ayalon, der Stadtautobahn Tel Avivs, Staus das Bild. Stattdessen heißt es: freie Bahn für die Radler.

Es ist ein Tag in Israel, der nicht nur der Seele Zeit zum Entspannen verschafft, sondern auch der Umwelt. Das belegt zum ersten Mal eine wissenschaftliche Studie des Technions in Haifa. Vor allem im Großraum Tel Aviv sinken die Verschmutzungsgrade während des Jom Kippur beträchtlich. Ilan Levy aus dem Bereich Umwelt-Ingenieurwesen zeigt, dass Stickstoffoxid, eine der Hauptkomponenten von Smog, in den verkehrsarmen Stunden sofort um 83 bis 98 Prozent zurückgeht.

Auch der Tel Aviver Daniel Goren atmet an diesem außergewöhnlichen Tag tief durch. Dabei bezeichnet er sich als »durch und durch säkular«. Generell hält er sich nicht an die Gebote der Tora, das Fasten an Jom Kippur aber ist für ihn ein Muss und eine Erklärung: »Ich bin Jude«. Dieses Jahr allerdings sei ihm der Verzicht auf kühle Getränke wegen der extremen Temperaturen besonders schwergefallen. Dennoch ist Goren im Nachhinein froh, gefastet zu haben. »Es ist eine besondere Erfahrung, die einmal im Jahr die völlige innere Ruhe bringt und mir meine Wurzeln bewusst macht«, sagt er. »Und außerdem ist die Portion Eis, die ich mir am späten Abend gönne, immer doppelt köstlich.«

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

 12.12.2025

Jerusalem

Netanjahu plant Reise nach Kairo für milliardenschweren Gasdeal

Der Besuch bei Präsident Abdel-Fattah al-Sissi wäre historisch. Aus dem Umfeld des Premierministers kommt aber zunächst ein Dementi

 12.12.2025

Chanukka

Alles leuchtet!

Nach besonders schwierigen Jahren lässt die Stadtverwaltung Tel Aviv in vollem Glanz erstrahlen und beschert ihren Einwohnern Momente des Glücks

von Sabine Brandes  12.12.2025

Vermisst

Letzte Reise

Die am 7. Oktober von der Hamas nach Gaza verschleppte Leiche von Sudthisak Rinthalak wurde an Israel übergeben und nach Thailand überführt

von Sabine Brandes  12.12.2025

Gaza

Neue Aufnahmen: Geiseln feierten vor ihrer Ermordung Chanukka

Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Hersh Goldberg-Polin, Ori Danino, Alexander Lobanov und Almog Sarusi begangen sie im Terrortunnel das Lichterfest. Einige Monate später werden sie von palästinensischen Terrroristen ermordet

 12.12.2025

London

Nach 26 Monaten: Amnesty wirft der Hamas Verstöße gegen das Völkerrecht vor

Die Organisation brauchte viel Zeit, um bekannte Tatsachen zu dokumentieren. Bisher hatte sich AI darauf konzentriert, Vorwürfe gegen Israel zu erheben

von Imanuel Marcus  12.12.2025

Nahost

USA verlangen von Israel Räumung der Trümmer in Gaza

Jerusalem wird bereits gedrängt, im Süden der Küstenenklave konkrete Maßnahmen einzuleiten

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert