Interview

»Es geht um Resilienz«

Noa Ella Foto: Sabine Sharon

Interview

»Es geht um Resilienz«

Noa Ella über die psychologische Hilfe für die Angehörigen der Geiseln und traumatische Belastungen

von Sabine Brandes  30.11.2023 12:06 Uhr

Wie ist die psychologische Unterstützung der Angehörigen der Geiseln organisiert?
Die großartige zivile Organisation des Familien-Forums ist ein Zuhause für die Menschen geworden. Wir sind ein Team aus rund 15 Freiwilligen, darunter Psychologen und Psychotherapeuten, die permanent für die Angehörigen da sind. Wir versuchen, sie persönlich zu überwachen, bieten aber keine Therapien an. Es geht hier um Resilienz.

Was bedeutet Resilienz bei einem derart traumatischen Ereignis, das noch immer andauert?
Resilienz aufzubauen, kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Wir gehen nach keinem Lehrbuch vor. Es gibt nicht die übliche professionelle Distanz, sondern viele Umarmungen, wir essen gemeinsam oder fahren zu Events. Viele der Menschen haben alles verloren und bangen um ihre Angehörigen. Wir versuchen, sie stabil zu halten. Wie bei einer Frau, die erfuhr, dass ihre Tochter noch am Leben ist. Zuvor hatte sie nicht auf sich geachtet. Doch wir sagten ihr, sie könne nicht in so einer Verfassung sein, wenn ihre Tochter zurückkommt. »Du musst schlafen und essen. Unsere Mission ist, dass du für deine Tochter gesund bist und sie sich auf dich stützen kann.« Dann sind wir zum Friseur gefahren. Das ist Resilienz.

Ein Ereignis dieser Schwere in Bezug auf Geiseln hat es noch nie gegeben, es existieren wenige Erfahrungen oder Literatur. Wie gehen Sie damit um?
Mein Fachgebiet ist die existenzielle Psychotherapie, ich bin daran gewöhnt, mit Menschen in großen Krisen zu arbeiten. Dies ist eine der existenziellsten Bedrohungen überhaupt. Wir sprechen mit Experten und versuchen, das Wissen anzupassen.

Was sind die größten Herausforderungen?
Es ist individuell unterschiedlich. Viele quälen sich selbst, wollen nicht mehr essen oder sich irgendetwas Gutes tun, weil es ihren Liebsten so schlecht geht. Ein junger Mann, dessen Freundin entführt wurde, wanderte barfuß von Tel Aviv nach Jerusalem. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu helfen, ihre Stärke wiederzufinden, um weiter für die Freilassung der Geiseln zu kämpfen.

Was ist besonders wichtig?
Den Anker in der Familie zu finden. Es ist oft jemand, der gar nicht zur engsten Familie gehört, etwa ein Onkel oder guter Freund. Der kann viel übernehmen. Und da die großen Dinge des Lebens außer Kontrolle und völlig ungewiss sind, müssen die Menschen versuchen, Dinge zu finden, die sie selbst beeinflussen können. Es kann etwas Kleines und doch sehr Wichtiges sein.

Sehen Sie unterschiedliche Phasen im Laufe der Zeit?
Ja, diese Tage sind für viele die schwierigsten. Der emotionale Stress, andere Angehörige, aber nicht die eigenen, nach Hause zurückkehren zu sehen, ist kaum zu ertragen. Und ich denke, dass die schwersten Tage leider noch vor uns liegen.

Die Fragen an die Psychotherapeutin stellte Sabine Brandes.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Palästinensischer Terror

Auch Hamas-Geisel Guy Gilboa-Dalal wurde in Gaza sexuell missbraucht

Der Täter setzte ihm ein Messer an den Hals und sagte: »Wenn du jemandem davon erzählst, bringe ich dich um.«

 21.11.2025

Tourismus

Totes Meer: »Enttäuschende Sehenswürdigkeit«

Warum bekommt ein so schöner Ort eine so miese Bewertung? Welche Touristenorte stehen noch auf der wenig ruhmreichen Liste der enttäuschendsten Urlauberziele auf der Welt?

 21.11.2025

Jerusalem

Gideon Sa’ar verurteilt steigende Terror-Renten der Palästinenser

»Die Palästinensische Autonomiebehörde hat ihre Zahlungen an Terroristen nicht eingestellt. Tatsächlich verdoppelt sie diese fast«, so der Außenminister

 21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jerusalem

US-Botschafter: Radikale Siedler nicht repräsentativ für gesamte Gemeinschaft

US-Botschafter: Israel nimmt das Problem ernst und dämmt die gewalttätigen Gruppen ein

 21.11.2025

Geiseln

»Alon – du bist nicht allein«

Der israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Alon Ohel spielt auf dem Klavier, das eigens auf dem Platz der Geiseln für ihn aufgestellt wurde

von Sabine Brandes  20.11.2025

Gaza-Gefangenschaft überleben

»Wut zerstört dich«

Der nach mehr als zwei Jahren aus der Hamas-Gefangenschaft entlassene Avinatan Or hat eine zutiefst bewegende und motivierende Rede über Resilienz gehalten. Eine Dokumentation

von Avinatan Or  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025