Jerusalem

»Es bringt Israel zurück zum 6. Oktober«

Der Oberste Gerichtshof in Israel Foto: Flash 90

Seiner Meinung nach bringe die Regierungskoalition mit den neuen Vorschlägen für eine Überholung der Justiz »Israel zurück zum 6. Oktober«. Benny Gantz, Vorsitzender der Nationalen Einheitspartei, kritisierte die jüngsten Einbringungen von Justizminister Yariv Levin und Außenminister Gideon Sa’ar, die das Justizsystem des Staates umwandeln sollen.

»Es ist uns allen klar – Israel muss sich auf den Kampf gegen seine Feinde konzentrieren, nicht auf interne Konflikte«, so Gantz. Er stellte drei Bedingungen für die Unterstützung des Vorschlags: »Erstens sollten wir einen Präsidenten für den Obersten Gerichtshof wählen. Zweitens sollte auf Grundlage dieses Vorschlags eine sachliche Debatte geführt werden. Wir werden ihn nicht als ›einzige Lösung‹ akzeptieren. Und drittens müssen alle Vorschläge gestoppt werden, die der Demokratie schaden.«

Mit seiner Aussage bezog er sich auf die tiefe Spaltung in der israelischen Gesellschaft, die durch die höchst umstrittene »Justizreform« der rechtsreligiösen Koalition ausgelöst worden war. Die Regierung solle sich stattdessen darauf konzentrieren, die Geiseln aus Gaza zurückzubringen, betonte Gantz.  

Reformen seien unter bestimmten Voraussetzungen möglich

»Um eine umfassende und angemessene Reform des Justizsystems durchzuführen, die die Demokratie stärkt, sind umfassende Vereinbarungen, Zeit und vor allem Vertrauen erforderlich«, führte er aus. »Derartig bedeutende Änderungen sind nichts, was man in Kriegszeiten in übereilt vornehmen sollte.« Allerdings unterstrich Gantz, dass Reformen in Sachen Justiz unter bestimmten Bedingungen möglich seien.

Justizminister Levin hatte den Plan gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Gesetzgebungskomitees, Simcha Rothman, nach Amtseintritt der Koalition ins Leben gerufen. Kritiker hoben hervor, dass er die demokratischen Eckpfeiler des Staates gefährde und Israel zu »einer Demokratie auf dem Papier« machen würde. Anschließend waren Massenproteste im ganzen Land ausgebrochen. Das verheerende Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 beendete die Demonstrationen vorerst.

Im Dezember hatte sich Gantz schon einmal gegen die Erneuerung der Gesetzgebung zur Justiz ausgesprochen und gesagt: »Sie spielt den Feinden Israels in die Hände.« Sinwar habe sich aufgrund der regierungsfeindlichen Proteste für den Angriff auf Israel entschieden. Den gleichen Fehler zu wiederholen, zeuge von völliger Fahrlässigkeit. »Ich rufe die Mitglieder der Koalition auf, Israel nicht zu schwächen.« Yahiya Sinwar war der Chef der Terrororganisation Hamas in Gaza. Er wurde ein Jahr nach dem Massaker von der IDF im Gazastreifen getötet.

»Für eine angemessene Reform des Justizsystems, die die Demokratie stärkt, sind umfassende Vereinbarungen, Zeit und vor allem Vertrauen erforderlich.«

Sa’ar und Levin, die die neuen Gesetzesänderungen gemeinsam ausgearbeitet hatten, bezeichnen sie als »Kompromiss«. Die Variante sei milder als die von Levin ursprünglich vorgeschlagene. Die Macht der Opposition, Richterernennungen im Ausschuss zu blockieren, würde erweitert.

Nach dem neuen Vorschlag würden Israels quasi-verfassungsmäßige Grundgesetze durch ein strengeres Gesetzgebungsverfahren mehr Gewicht erhalten, obwohl die Einzelheiten dieses Prozesses nicht detailliert beschrieben wurden. Darüber hinaus würden sie nicht der gerichtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegen.

»Es ist wohl eher ein Kompromiss im Likud«, konterte Gantz und fügte hinzu, dass so keine Einigung unter den Menschen erzielt werde. Gleichzeitig machte er klar: »Bei allen Vorbehalten und dem Misstrauen gegenüber der Koalition dürfen wir nicht ignorieren, dass es viele Menschen gibt, die der Meinung sind, dass es eine Reform braucht. Und diese Menschen dürfen nicht ignoriert werden.«

Justizminister will konservativen Obersten Richter

Justizminister Levin weigert sich seit über einem Jahr, eine Wahl für einen neuen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs zuzulassen. Er will einen konservativen Richter ins Amt berufen. Doch der amtierende Präsident Isaac Amit, der durch die momentane Zusammensetzung des Wahlkomitees bestätigt werden würde, gilt als Liberaler.

Es sind jedoch nicht nur die Oppositionsparteien, die es dem Team aus Außen- und Justizminister schwer machen. Die ultraorthodoxen Parteien stellten am Sonntag ein Ultimatum, um den Kompromiss zur Justizreform anzunehmen.

Der öffentlich-rechtliche israelische Sender Kan berichtete, dass die charedischen Parteien zwar zustimmten, den ersten Teil der entsprechenden Gesetzgebung anzunehmen. Sie machen ihre Unterstützung für den zweiten Teil, in dem es um die Macht des Obersten Gerichtshofes geht, jedoch von der Annahme des Gesetzentwurfs abhängig, der Befreiungen vom Militärdienst für ultraorthodoxe junge Männer festlegt.

Wirtschaft

Netanjahus unglücklicher »Sparta«-Vergleich

Israels Premierminister spricht in einer Rede von wirtschaftlicher Isolation und sieht sein Land in einer ähnlichen Situation wie einst der griechische Stadtstaat. Politik und Märkte reagieren unerwartet heftig

von Sabine Brandes  18.09.2025

Israel

Zwei Tote bei Anschlag an Grenze zu Jordanien

Der Angreifer ist offenbar in einem Lastwagen angekommen, der humanitäre Hilfsgüter für den Gazastreifen transportierte. Der Anschlag könnte laut Medien auch Auswirkungen auf Gaza-Hilfen haben

 18.09.2025 Aktualisiert

Nachruf

Sie trug ein strassbesetztes Krönchen

Tovia Ringer überlebte die Konzentrationslager Groß-Rosen und Schömberg, bevor sie 1948 nach Israel emigrierte. Nun ist die »Miss Holocaust Survivor 2018« im Alter von 102 Jahren gestorben

von Sara Klatt  18.09.2025

Kurznachrichten

Hotel, Datteln, Pilger

Meldungen aus Israel

von Sabine Brandes  18.09.2025

Tel Aviv

Israel: Entwicklung von Laser-Abwehrwaffe abgeschlossen

Das Hochleistungs-Lasersystem »Iron Beam« markiert einen Wendepunkt: Präzise, schnell und überraschend günstig. Wie verändert dies Israels Schutz vor Bedrohungen aus feindlichen Ländern der Region?

 18.09.2025

Kommentar

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025