Literatur

»Erst mal die Wohnung aufräumen«

Das Jerusalem Writers Festival in Mishkenot Sha’ananim findet vom 10. bis 13. Mai statt. Foto: pr

Schreiben findet nicht nur in Corona-Zeiten größtenteils vor dem Bildschirm statt. Und doch suchen auch Schriftsteller den Austausch mit Kollegen und Lesern und treffen sich regelmäßig zu Messen oder Festivals auf der ganzen Welt. Wie zum jährlichen Jerusalem Writers Festival in Mishkenot Sha’ananim.

Es findet vier Tage lang vom 10. bis 13. Mai statt – auch in diesem Jahr. Vielleicht sogar als einziges internationales kulturelles Großevent weltweit. Beim 8. Jerusalem Writers Festival trifft man sich zwar nicht persönlich, sondern digital, doch mit komplettem Programm. Und das kann sich sehen lassen. Eine Riege von weltbekannten Autoren gibt sich von ihren Computern in aller Welt ein Stelldichein in Israel, darunter die amerikanischen Schriftsteller Nicole Krauss und Tom Perrotta, die israelischen Autoren Etgar Keret, Zeruya Shalev und Ayelet Tsabari sowie die deutsche Krimiautorin Leonie Swann (Glennkill, Garou und Gray).

Alle Veranstaltungen sind kostenlos und weltweit zugänglich. Viele werden auf Englisch abgehalten. Ein besonderer Fokus wird auf technologische Änderungen gelegt, die das Gesicht der Gesellschaft wandeln, auf Sprache, Identität und das Dasein von Flüchtlingen in einer Welt, die ihre Grenzen geschlossen hat. Außerdem wird die Zukunft der Literatur und ihre komplexe Beziehung zu Fernsehen und Kino diskutiert.

ZEITZONEN »Wir haben überlegt, es abzusagen oder zu verschieben – ungefähr 30 Sekunden lang«, erinnert sich Festivaldirektor Moti Schwarz an den Tag Anfang März, als ihm und seinem Team klar wurde, dass die Einschränkungen wegen Corona keine kurzfristige Sache sein werden. »Wir haben jahrelang an diesem Programm gearbeitet und waren bereit.«

Dennoch war es eine Herausforderung, in lediglich zwei Monaten alles von real auf digital umzustellen. Technische und organisatorische Hürden mussten genommen werden, denn die Teilnehmer leben auf verschiedenen Kontinenten in unterschiedlichen Zeitzonen. »Das Festival ist ja kein gewöhnliches ›Zoom‹-Treffen von ein paar Leuten, sondern eine hoch komplizierte Angelegenheit. Alle Veranstaltungen werden live auf der Website des Festivals und auf Facebook gesendet und sind anschließend auf YouTube abzurufen.«

Doch es gibt auch ganz alltägliche Herausforderungen, von denen der Direktor schmunzelnd berichtet: »Plötzlich fragen sich die Teilnehmer, in welchem Zimmer sie am besten sitzen sollen. Oder: ›Hach, ich muss noch die Bibliothek sortieren und die Wohnung aufräumen, wenn alle hineinschauen können …‹ Aber wir haben es geschafft und sind sehr stolz darauf.«

Nur einige wenige Autoren wollten in diesem Format nicht teilnehmen, die meisten aber stimmten freudig zu. Dazu gehört auch Leonie Swann. Sie wird sich mit dem israelischen Autor Dror Mishani (Drei) darüber unterhalten, wie man in heutiger Zeit eine spannende Geschichte schreibt (11. Mai, 17 Uhr, auf Englisch).

TECHNIK Für die deutsche Schriftstellerin ist es die erste Begegnung mit dem Jerusalem Writers Festival. »Israel durfte ich aber vor langer Zeit bei einem Schüleraustausch kennenlernen und hatte mich schon sehr darauf gefreut, diese schönen Erinnerungen nun aufzufrischen. Doch nun ist es eben erst einmal anders gekommen.«

Über sich selbst erzählt sie: »Meine Bücher kommen als Krimis daher, laden den Leser aber dazu ein, sich auf Gedankenausflüge zu begeben, Perspektivenwechsel vorzunehmen. Wie würde ein Schaf mit diesem Problem umgehen, wie ein Floh, ein Papagei oder – in meinem neuesten Roman Mord in Sunset Hall – ein Haufen schräger alter Leute?«

Sie findet gut, dass die Veranstalter sich »nicht ins Bockshorn jagen lassen und versuchen, das Beste aus dieser außergewöhnlichen Situation zu machen. Außerdem gibt es momentan eine Menge Menschen, die zu Hause festsitzen – viele freuen sich sicher über ein interessantes Angebot digitaler Festival-Inhalte«.

Dabei musste sie auch erst einmal mit der Technik ringen. »Diese Online-Diskussion war mein erstes Zoom-Gespräch, und obwohl die Sache denkbar einfach ist, muss man ein paar Dinge erst einmal ausprobieren. Funktioniert das Mikro? Welcher Kamerawinkel ist günstig? Stören Hintergrundgeräusche? Aber am Ende hat alles ganz gut geklappt.«

PAUSEN Dennoch sei ein Online-Gespräch etwas ganz anderes als ein persönliches. »Es gibt eine kleine Zeitverzögerung, die den Gesprächsfluss hemmt und manchmal zu seltsamen Pausen oder Überlappungen führt, und als Gegenüber hat man nur einen kleinen Kasten auf dem Bildschirm. Vielleicht bin ich einfach ein bisschen altmodisch, aber ich fand die Sache gewöhnungsbedürftig. Andererseits war es wirklich schön, Dror zumindest digital kennenzulernen und zur Abwechslung mal wieder mit Menschen über interessante Themen zu sprechen.« Swann würde auch im nächsten Jahr gerne wieder mitmachen und die Begegnung vertiefen.

So sehr sich Direktor Schwarz freut, dass das Festival auch in diesem Jahr die Literatur feiern kann, so weiß er doch, dass es nicht ganz dasselbe sein wird. »Wenn man vor Ort ist, kann man Veranstaltungen von eineinhalb Stunden abhalten, doch zu Hause geht das nicht. Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen vor den Bildschirmen ist kürzer, also wird eine Veranstaltung nur 30 Minuten dauern.«

»Vor allem ist es jedoch die außergewöhnliche Atmosphäre von Mishkenot Sha’ananim, die fehlen wird.« Besonders für jene Schriftsteller, die aus dem Ausland anreisen und zum ersten Mal dabei sind, sei das eine wundervolle Erfahrung. Dennoch freut er sich, »online viele Menschen willkommen zu heißen, und zwar nicht nur die Kulturliebhaber, die ohnehin jedes Jahr nach Jerusalem kommen, sondern viele andere mehr«.

http://fest.mishkenot.org.il/en/home/a/main/

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