Während in Deutschland Eltern traditionell jedes Jahr den ersten Schultag ergoogeln müssen, ist in Israel klar: Die Schule beginnt immer am 1. September. Als es der ehemalige Bildungsminister Gideon Sa’ar 2011 wagte, das Schuljahr am 26. August zu starten, herrschte große Verwirrung. Und so wurde schnell die offizielle Rückkehr zum 1. September beschlossen, es sei denn, dieser fällt auf einen Freitag oder Samstag. Dieses Jahr war es jedoch ein Montag. Und so schritten rund zweieinhalb Millionen Kinder und Jugendliche Anfang dieser Woche durch die festlich geschmückten Tore ihrer Schulen.
Doch auf die vielen Schüler kommen in Israel zu wenige Lehrer. Kenner sprechen von Tausenden Pädagogen, die fehlen. Das hat vor allem strukturelle Gründe. Trotzdem habe das Bildungsministerium nicht vor, die Empfehlungen eines öffentlichen Ausschusses vom März umzusetzen, hieß es aus Jerusalem.
180.000 neue Schulkinder
180.000 Kinder wurden am Montag eingeschult. Und dabei gibt es zum ersten Mal in der Geschichte des Landes mehr Erstklässler an religiösen Schulen als an säkularen. Seit Jahren weisen Experten auf einen demografischen Wandel in der israelischen Gesellschaft in Richtung Religiosität hin. Diese Entwicklung zeichnet sich auch in der Politik ab: Israelische Medien berichteten am Montag, das Bildungsministerium habe entschieden, dass in den Abiturprüfungen nicht mehr zu Themen wie den Prinzipien einer liberalen Demokratie, der Bedeutung einer Unabhängigkeitserklärung oder Verfassung als Kontrolle der Staatsmacht geprüft wird. Nach wie vor werden aber Konzepte eines Staates mit religiös-traditioneller Identität und die Rolle des religiösen Rechts abgefragt.
Dieses Schuljahr ist aber auch in anderer Hinsicht historisch: Tausende junge Israelis kehrten zum ersten Mal seit ihrer Evakuierung nach dem 7. Oktober 2023 in die Schulen ihrer Heimatgemeinden im Süden in der Nähe des Gazastreifens und in den nordisraelischen Grenzgemeinden zurück.
Tekuma, die Regierungsbehörde, die für den Wiederaufbau der Gemeinden im Süden nach dem Hamas-Massaker zuständig ist, gab an, die Zahl der Schulkinder in den betroffenen Gemeinden sei im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent gestiegen, sowohl aufgrund der Rückkehr der meisten Familien als auch aufgrund natürlichen Wachstums. Insgesamt drücken hier 23.522 Kinder die Schulbank. Fünf der geschundenen Gemeinden, Nir Oz, Be’eri, Kissufim, Holit und Kfar Aza, sind jedoch noch nicht vollständig wiederaufgebaut, sodass Familien nicht zurückkehren können.
Symbol der Hoffnung, der Stärke und des Lebens
»Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet. Wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlieren, dass weitere Schüler ihrer Rückkehr entgegenfiebern, und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass sich noch 48 Geiseln in Gefangenschaft befinden, von denen 15 Mitglieder unserer Gemeinschaft sind«, sagte Michal Uziyahu, Vorsitzende des Eschkol-Regionalrates.
»Die Augen des gesamten Staates Israel sind auf uns gerichtet, denn wir sind eine Gemeinschaft, die zu einem Symbol der Hoffnung, Stärke und des Lebens geworden ist. Das ist eine enorme Verantwortung – aber es gibt uns auch enorme Kraft«, fügte sie hinzu. Stabschef Eyal Zamir habe ihr kürzlich gesagt, dass der Beginn des neuen Schuljahres »eines der wichtigsten Elemente unseres Sieges« sei. Im Norden waren es 95 Prozent der Schüler, die in 32 Gemeinden zurückkehrten, nachdem sie aufgrund des Konfliktes mit der libanesischen Terrorgruppe Hisbollah vertrieben worden waren.
Eine Schule in Kiriat Schmona wurde beschädigt. Jetzt kehren die Kinder zurück.
Präsident Isaac Herzog besuchte am ersten Schultag die Kinder der Rambam-Schule in Kiriat Schmona und lobte die Stadt an der nördlichen Grenze für ihre Standhaftigkeit. »Eure Stadt stand an vorderster Front, an der Grenze, gegen schreckliche und unerbittliche Angriffe der Hisbollah«, richtete sich Herzog an die Kinder der Schule, die im Krieg beschädigt worden war. »Ihr habt eure Häuser verlassen, einige von euch sind zurückgeblieben, um die Stadt zu verteidigen. Und hier sind wir nun, als Symbol des Mutes.«
Doch der Krieg ist noch nicht vorbei: Zum zweiten Mal begann das Schuljahr inmitten der andauernden Kämpfe gegen die Hamas in Gaza. Hunderte von Gymnasiasten schwänzten den ersten Schultag, um an Kundgebungen für einen Waffenstillstands- und Geiselbefreiungsdeal teilzunehmen.
Andere erschienen zwar zum Unterricht, trugen als Zeichen der Solidarität aber gelbe T-Shirts – der Farbe des Kampfes für die Freilassung der Geiseln – statt den für diesen Tag üblichen weißen. »Wir sind nicht bereit, in einer Welt zu leben, in der Geiseln in Hamas-Tunneln ermordet werden und die israelische Regierung sich nicht einmal die Mühe macht, über einen Deal zu sprechen«, lautete die Botschaft der Schülervereinigungen, die den Streik organisiert hatten. »Wir akzeptieren nicht, dass wir zur Routine zurückkehren, während noch 48 Geiseln in Gaza sind.«