Israel

Ein ganzes Land in Trauer

»Jerusalem trauert mit den Familien, die ihre Liebsten verloren haben«: Auf die Mauern der Altstadt wurden am Samstagabend die israelische Flagge und Kerzen projiziert. Foto: Flash 90

An diesem Sonntag trauert ganz Israel. Nach einem der schwersten zivilen Unglücke in der Geschichte des Landes haben Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Benny Gantz zugestimmt, den 2. Mai zum nationalen Trauertag zu erklären. In der Nacht zum Freitag waren bei einer Massenpanik während einer Lag-BaOmer-Feier auf dem Berg Meron 45 Menschen getötet worden. Mehr als 150 wurden verletzt.

BEERDIGUNGEN Mittlerweile seien die meisten Toten identifiziert, unter ihnen mehrere US-amerikanische Staatsangehörige, berichteten israelische Medien. Am Freitag wurden bereits die ersten Opfer beigesetzt, nach dem Ende des Schabbats sollten weitere Beerdigungen folgen. Das Oberrabbinat hatte verfügt, dass die Identifizierungen während des Schabbats nicht weitergehen durften.

Auf die Mauern der Jerusalemer Altstadt wurden am Samstagabend Kerzen und die Flagge Israels projiziert. »Jerusalem trauert mit den Familien, die ihre Liebsten verloren haben«, steht daneben. Die Fahnen überall im Land wurden auf Halbmast gesetzt.

MITGEFÜHL Beileidsbekundungen trafen aus der ganzen Welt ein. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Bundesregierung sandte auch US-Präsident Joe Biden sein Mitgefühl. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas schrieb einen Brief auf Arabisch an das israelische Staatsoberhaupt Reuven Rivlin: »Wir beten um Gnade für die Toten und eine schnelle Genesung für alle, die Verletzungen erlitten haben – und für die Familien der Opfer.«

König Hussein von Jordanien, dem Nachbarland Israels, rief Rivlin an. Der Monarch sprach dem gesamten israelischen Volk sein Beileid aus. »Dieses Mitgefühl wärmt unsere Herzen und gibt uns Stärke«, habe der Präsident geantwortet. Ebenso bekundeten die Oberhäupter der Golfnationen Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate ihr Beileid.

Das Außenministerium gab an, dass es »Botschaften voller Mitgefühl auch aus Ländern gab, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen hat«. Um welche Nationen es sich konkret handelte, wurde nicht veröffentlicht.

SCHULDFRAGEN Währenddessen gibt es immer lauter werdende Schuldzuweisungen, unter anderem gegen die strengreligiösen Parteien, deren Vertreter Medienberichten zufolge die »Aufhebung jeglicher Beschränkungen der Anzahl von Besuchern« gefordert hatten – trotz Bedenken wegen des Coronavirus und der unsicheren Strukturen auf dem Berg. Auch das Ministerium für religiöse Dienste wird in diesem Zusammenhang genannt.

Statt der geplanten 10.000 Menschen waren nach Angaben der Polizei am Donnerstagabend nahezu 100.000 Menschen auf den Meron gepilgert. Dennoch war die Zahl der Gläubigen, größtenteils ultraorthodoxe Juden, wesentlich niedriger als in den Vorjahren. In manchen Jahren hatten sich bis zu einer halben Million Menschen auf dem begrenzten Areal gedrängt.

VERANTWORTUNG Der Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana vom Likud, der die Veranstaltung genehmigt hatte, erklärte, er übernehme die Verantwortung für das Desaster. »Aber Verantwortung bedeutet nicht Schuld.«

Die gesamte Kette der Verantwortlichen habe ihre Rolle dabei gehabt. »Ich bin bereit, mich vor jede Untersuchung zu stellen und jede Frage zu beantworten. Ich will es tun. Dieses Unglück ist in diesem Jahr geschehen, doch es hätte jedes andere Jahr ebenso passieren können.« Am Freitagmorgen waren bereits Mitarbeiter von Untersuchungsbehörden an der Unglücksstelle eingetroffen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.   

UNTERSUCHUNG Polizeichef Kobi Shabtai äußerte sich anschließend. Er drückte den Hinterbliebenen sein »tiefstes Beileid« aus und fügte hinzu: »Ich werde nicht still zuschauen, bis die Umstände, die zu dieser Tragödie geführt haben, klar sind. Die israelische Polizei wird unter meiner Leitung vollends und mit kompletter Transparenz bei der Untersuchung kooperieren.«

Minister Ohana versprach, mit allen Beteiligten eng zusammenzuarbeiten. »Denn dieses Geschehen geht weit über die Polizei hinaus. Ich will alles tun, damit eine solche Tragödie nie wieder in Israel geschieht.«

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