Die Nachricht erreicht die Israelis um vier Uhr morgens im Bunker: »Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran«, so titeln die israelischen Medien. »Und wieso sitzen wir dann hier?«, fragt Tomer Eran, ein junger Mann aus Tel Aviv, als er die Schlagzeile auf dem Handy liest. Es soll nicht das einzige Mal sein, dass die Menschen an diesem Dienstagmorgen in die Schutzräume hasten müssen. Von vier bis sieben Uhr morgens rennen sie hinein und wieder hinaus, um sich vor den Raketensalven aus dem Iran in Sicherheit zu bringen.
Durch den Einschlag einer iranischen Rakete in Beer Sheva kommen vier Menschen ums Leben. Die Hälfte des Gebäudes ist zerstört. Das Regime in Teheran hatte bei seinen Angriffen vor allem auf dicht besiedelte Wohngebiete im Zentrum des Landes gezielt: Tel Aviv, Haifa, Beer Sheva. In der Stadt im Süden wurde am 19. Juni auch das Soroka-Krankenhaus getroffen. Insgesamt werden durch die Raketen aus dem Iran 28 Menschen getötet, ausnahmslos Zivilisten, und mehr als 3000 verletzt. Im Iran sollen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mehr als 600 Menschen bei israelischen Angriffen getötet worden sein. Die in den USA ansässige NGO HRANA spricht sogar von mehr als 900 Toten.
Am Wochenende zuvor hatten sich die USA in den Krieg eingemischt, indem sie Tarnkappenbomber mit Bunkerbrechern auf den Weg schickten, die die iranischen Atomanlagen angriffen. Anschließend spricht US-Präsident Donald Trump davon, dass die Anlagen in Isfahan, Natans und Fordo völlig zerstört worden seien. Er nennt es einen »Todesstoß für das iranische Atomprogramm«.
Die amerikanischen Angriffe auf den Iran markieren einen »historischen Höhepunkt in den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Israel und festigen das wichtige Bündnis zwischen beiden Nationen ungeachtet formeller Verteidigungsverträge«, schreibt die Tageszeitung »Yedioth Ahronoth« am nächsten Morgen. Durch diesen Paradigmenwechsel hätten die Staaten der Region nun größere Anreize, ihre Beziehungen mit Israel zu normalisieren, während ein robuster, generationenübergreifender Sicherheitsrahmen für Israel geschaffen worden sei, analysiert Politikkommentator Ron Ben-Yishai.
Am Sonntag erklärt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, das Land habe sowohl dem Iran als auch dessen Atomanlagen erheblichen Schaden zugefügt, und verspricht, dass Israel sich nicht in einen »Zermürbungskrieg« mit der Islamischen Republik hineinziehen lasse. Gleichzeitig betont er aber, dies bedeute nicht, dass er bereit sei, den Feldzug zu beenden, bevor alle Ziele erreicht seien.
Doch einen Tag darauf ist alles vorbei. Der US-Präsident verkündet eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran, die am nächsten Morgen eintreten soll. Israel bestätigt, doch der Iran bricht die Feuerpause mit Raketenangriffen. Israel reagiert, was zu einem Wutausbruch von Trump führt. Auf seiner Online-Plattform »Truth Social« fordert er Israel auf, von einem Vergeltungsschlag abzusehen: »Israel, werft diese Bomben nicht ab.« Netanjahu wendet sich am Dienstagmorgen mit einer Videobotschaft an seine Landsleute: »Israel hat einen historischen Sieg errungen, der für Generationen Bestand haben wird.« Auf Trumps Worte geht er nicht ein.
Tatsächlich werden die israelischen Angriffe auf Irans Atom- und Militäranlagen vom Großteil der Bevölkerung als »gerecht und überfällig« bewertet. Viele sehen den Krieg als existenziell an. Auch die israelische Opposition steht voll und ganz hinter dem Einsatz der Armee.
Nach Bekanntgabe des Waffenstillstands postet Yair Lapid von Jesch Atid, Vorsitzender der Opposition, auf X: »Und jetzt Gaza. Auch dort ist es an der Zeit, Schluss zu machen. Israel muss mit dem Wiederaufbau beginnen.« Doch nicht alle sind mit der Feuerpause einverstanden, nennen sie »vorzeitig«. Der Abgeordnete Dan Illouz von Netanjahus Likud-Partei twittert: »Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Sieger dieses Krieges sind. Aber die Frage ist: Hat der Feind kapituliert? Oder ist dies nur eine Runde, die wir nach Punkten gewonnen haben?« Auch Yair Golan, Chef der Linkspartei Die Demokraten, warnt, dass das Waffenstillstandsabkommen überprüft werden müsse, um zu »verhindern, dass der Iran jemals Atomwaffen hat«.
»Und jetzt Gaza. Auch dort ist es an der Zeit, Schluss zu machen.«
Yair Lapid
Stimmen die Medienberichte aus den USA, ist der Iran allerdings auch jetzt nicht allzu weit davon entfernt. Eine erste geheimdienstliche Einschätzung soll davon ausgehen, dass das Bombardement vom Wochenende Irans unterirdische Atomanlagen nicht zerstören konnte, berichten die »New York Times« und der Sender CNN. Das Nuklearprogramm sei lediglich für einige Monate zurückgeworfen worden. Dem Bericht zufolge sollen etwa an der tief in den Berg gebauten Anlage in Fordo nur die Eingänge verwüstet worden sein, die unterirdischen Strukturen aber nicht. Zudem hätte der Iran seinen Bestand an angereichertem Uran bereits vor dem Angriff an andere Orte verlegt.
Dass Netanjahu von Trump mit der Verkündung der Feuerpause überrumpelt wurde, glaubt der einstige Leiter der strategischen Abteilung im Generalstab der IDF, Ram Yavne, nicht. Er sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis »und war bereit für das Ende der Kämpfe«. Der historische Einsatz der USA für Israel im Krieg gegen das Regime in Teheran habe zudem eindrücklich gezeigt, dass »die israelisch-amerikanische Allianz stärker ist als alle wirtschaftlichen Interessen und Deals von Trump«, ist er sicher. »Doch natürlich will Netanjahu jetzt nichts tun oder sagen, was den Präsidenten verärgern könnte.«
Der Sicherheitsexperte zieht eine ausgesprochen positive Bilanz des zwölftägigen Krieges. Israel habe eine regelrechte »Shock and Awe«-Taktik an den Tag gelegt und kämpferische Fähigkeiten gezeigt, die alle überrascht haben – insbesondere Teheran. »Allerdings war der Iran tatsächlich viel schwächer als angenommen.«
Die große Herausforderung sei nun zu verhindern, dass der Iran seine Fähigkeiten für den Bau einer Atombombe wiedererlangt, so Yavne. »Doch dieser Krieg ist jetzt vorbei. Und der nächste, der beendet werden muss, ist Gaza.«