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Die Chuppa kann warten

Brautkleider bleiben länger im Laden. Foto: Thinkstock

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Die Chuppa kann warten

In Israel wird früher geheiratet als anderswo – aber später als vor einigen Jahren

von Sabine Brandes  05.09.2016 18:29 Uhr

Wer jenseits der 25 nicht unter der Chuppe steht, galt lange Zeit als ewiger Junggeselle oder alte Jungfer. Doch das ändert sich mittlerweile. Hochzeiten im späteren Alter liegen auch in Israel im Trend. Das staatliche Statistikbüro (CBS) veröffentlichte jetzt Zahlen, die belegen, dass die Menschen im Heiligen Land viel später Ja sagen als noch vor einigen Jahren – und manche tun es sogar gar nicht mehr.

Doch noch immer sind die Israelis dem Heiraten gegenüber positiver eingestellt als andere westliche Nationen. Die Heiratsrate betrug im vom CBS angeführten Jahr 2014 im Durchschnitt 6,2 pro 1000 Einwohner und ist damit eine der höchsten der Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Zum Vergleich: In Deutschland lag diese Rate 2014 bei 4,8.

Das durchschnittliche Alter aber stieg: zwischen 1970 und heute für israelische Männer von 25 auf 28 und für Frauen von 21 auf 25 Jahre. Im Vergleich mit anderen westlichen Nationen ist das indes noch immer relativ früh. In Deutschland heirateten Männer 2014 mit durchschnittlich 33,7, Frauen mit 31 Jahren. Dennoch: »Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen dem Israel von heute und dem von 1970, wenn es um Heiraten geht«, resümiert das CBS.

nachwuchs Anat und Yoram Hadar bestätigen diesen Trend. Lange gehörten die beiden zu den Singles im Land. Jetzt sind sie verheiratet. Es ist ihre erste Ehe »und soll auch unsere letzte bleiben«, wünschen sich beide. Yoram ist 40, Anat 37, sie erwarten gerade ihr zweites Baby. Geheiratet haben sie vor eineinhalb Jahren, als Anat mit dem ersten Kind schwanger war. In Deutschland wäre das schon fast die Norm, in Israel ist es noch die Ausnahme – wenn auch der Trend in diese Richtung geht.

»Wir haben uns ganz bewusst, aber unabhängig voneinander, dafür entschieden«, erzählt Anat. »Wenn überhaupt, dann wollten wir spät heiraten. Denn keiner von uns hatte vor, eine Scheidung zu durchleben, weil man einfach viel zu jung war.« Yoram, Computerprogrammierer aus Haifa, nickt: »Ich war so etwas wie ein Hallodri, hatte wilde Jahre und war lange überhaupt nicht bereit, mich niederzulassen. Ich wusste, dass ich mich austoben muss.« Erst als Anat schwanger war, fühlten beide: »Jetzt wollen wir eine richtige Familie sein. Mit allem Drumherum.«

Obwohl sie ihn nicht an sich heranlassen wollten, lief dieser Prozess allerdings nicht ganz ohne Druck von außen ab, gibt Anat, die als Oberschullehrerin in Tel Aviv arbeitet, zu. »Als ich die 30 überschritten hatte, wurde meine Mutter panisch und hatte Angst, keine Enkelkinder mehr zu bekommen.« Auch Yorams Eltern hätten irgendwann angefangen zu drängen, »ob er denn nicht endlich ...«. »Doch wir stehen seit Jahren fest mit beiden Beinen auf dem Boden«, sagen beide vehement, »haben fast die Hälfte unseres Lebens allein gelebt. Und wir treffen Entscheidungen, die nur uns beide betreffen, für uns allein.«

Generell aber haben israelische Eltern bei der Familienplanung ihres Nachwuchses gern ein Mitspracherecht. Doch offenbar schwindet auch das langsam. Denn nach den Angaben des Zentralen Statistikbüros waren vor rund 45 Jahren lediglich 28 Prozent aller Männer zwischen 25 und 29 Single, mittlerweile sind es 65 Prozent. Die Zahl der Frauen im selben Alter stieg um mehr als das Dreifache an: 1970 waren es 13, heute sind es 50 Prozent, die noch keinen Partner fürs Leben gefunden haben – oder es zumindest nicht offiziell machen möchten. Die Zahl der unverheirateten Frauen und Männer zwischen 45 und 49 stieg in den verglichenen Jahren bei Männern von drei auf elf, bei Frauen von zwei auf neun Prozent an.

säkular Die höchsten Anteile an unverheirateten jüdischen Partnern findet man in den vornehmlich säkularen Gegenden wie Tel Aviv, Ramat Gan, Haifa und anderen Städten. Der niedrigste Prozentsatz liegt in den Hochburgen der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden wie Bnei Brak, Jerusalem, Beit Schemesch und Modiin.

Aber auch in vielen traditionellen Familien der israelischen Gesellschaft herrscht oft noch die Einstellung vor, dass Frauen spätestens Mitte 20 unter die Chuppe gehören. Die aber sehen das nicht immer so. Keren Levin ist 28, Single und eigentlich glücklich damit. Nur der Druck ihrer konservativen Familie macht der Angestellten aus Rischon LeZion zu schaffen. »Seit fünf Jahren drängen sie mich und tun so, als würde ich schon morgen niemanden mehr abkriegen. Das nervt ganz gehörig. Ich wollte aber erst mein Studium abschließen und um die Welt reisen, bevor ich heirate. Und ich habe meinen Kopf durchgesetzt.« Zwar wäre sie jetzt bereit, ihr Baschert zu ehelichen, sagt Levin. »Doch ich habe die Liebe, die für mein ganzes restliches Leben reichen muss, einfach noch nicht gefunden.«

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