Mobilität

Die Bahn hat Verspätung

Der neue unterirdische Bahnhof »Allenby« ist Teil der Roten Linie in Tel Aviv. Foto: Flash90

Rushhour gibt es in Tel Aviv rund um die Uhr. Wer in der Metropole Auto fährt, der weiß: Verstopfte Straßen beherrschen den Verkehr von Bavli im Norden bis nach Jaffa im Süden von morgens bis abends. Dass es an Parkplätzen mangelt, erhöht den Stressfaktor noch. Umso mehr sehnen sich die Tel Aviver nach ihrer U-Bahn, an der seit fast sieben Jahren gebaut wird.

Auch viele Pendler, die täglich aus den nördlichen und südlichen Vororten in das Finanz- und Kulturzentrum herein- und wieder hinausfahren, würden ihre Autos gern zu Hause lassen. Denn es wird erwartet, dass das System aus ober- und unterirdischen Bahnen das Verkehrschaos beseitigen wird. Derzeit stehen im öffentlichen Nahverkehr nur Linienbusse und Sammeltaxis zur Verfügung.

ballungsraum Nach seiner Fertigstellung soll das Stadt- und U-Bahn-Netz das gesamte Gebiet des Gusch Dan, der sich über den Ballungsraum Tel Aviv erstreckt, mit den drei sogenannten Light Rails, also der Roten, Violetten und Grünen Linie, sowie der gelben, blauen und orangefarbenen »Metro«-Linie und ihren mehreren Hundert Haltestellen abdecken.

Auch werden die nördlichen Vororte Raanana und Kfar Saba mit Tel Aviv sowie Rischon LeZion, Rechovot, Lod, Ramle und der Flughafen Ben Gurion im Süden besser ans Zentrum angebunden.

Das System aus ober- und unterirdischen Bahnen soll das Verkehrschaos beseitigen.

Ran Abir, der in Raanana wohnt und in Tel Aviv als Computerprogrammierer arbeitet, kann kaum mehr abwarten, dass die Bahn endlich kommt. »Ich sitze jeden Tag in der Woche zwei bis drei Stunden im Auto und verplempere meine Zeit im Stau. Es nervt gewaltig und verringert meine Lebensqualität sehr. Wäre ich in einer Straßenbahn, könnte ich lesen und entspannen. Außerdem würde es natürlich schneller gehen.«

slogan Mit dem Slogan »Jetzt ist es schwer – doch später wird es leichter« bittet die Verwaltung von Tel Aviv um Verständnis für die vielen Baustellen, die den Verkehr in der ganzen Stadt behindern. Denn es ist Israels größtes Infrastrukturprojekt aller Zeiten.

Die geplanten Linien durch Tel Aviv und die Anbindung der Vororte sollen mindestens fünf Milliarden Euro kosten. Anvisiert war die feierliche Eröffnung der ersten Linie eigentlich für Ende dieses Jahres. Doch nun wird es laut Medienberichten frühestens Mitte 2023 so weit sein, dass die Israelis unterirdisch durch die Stadt am Mittelmeer fahren können.

Die Rote Linie, die als das Rückgrat der Bahn gilt und aus Petach Tikwa im Nordosten über Bnei Brak, Ramat Gan nach Tel Aviv und weiter bis ins südliche Bat Yam führen wird, ist die erste von drei geplanten Stadtbahn- oder auch Light-Rail-Linien, die auch unterirdische Abschnitte hat. Sie soll eine Länge von 24 Kilometern haben, elf davon als U-Bahn.

signalsystem Probleme mit dem Signalsystem des Netzes und bei der rechtzeitigen Fertigstellung von Haltestellen sollen die Gründe für die Verschiebung des Datums sein. Doch sie führen nicht nur dazu, dass die erste Linie nicht wie geplant im November eröffnet wird, sondern die Zeitpläne für andere Strecken ebenfalls durcheinandergewirbelt wurden.

Mitarbeiter des 1997 gegründeten staatseigenen Unternehmens NTA, das für die Planung und den Bau des neuen Verkehrsnetzes verantwortlich ist, hätten das Verkehrsministerium kürzlich darüber in­formiert, dass man nicht mehr davon ausgehe, die Rote Linie rechtzeitig in Betrieb nehmen zu können, berichtete der Fernsehsender »Channel 12«. Aktuell gehe man davon aus, dass dies eher im zweiten oder dritten Quartal 2023 der Fall sein dürfte.

Die neuerliche Verzögerung ist nicht die erste. NTA hatte schon einmal erklärt, dass es mit der ursprünglichen Deadline August 2022 nicht klappen wird und den November dieses Jahres als neuen Termin genannt.
»Die Rote Linie wird definitiv Veränderungen mit sich bringen«, betonte kürzlich NTA-Sprecher Avi Furst. »Aber sie ist noch nicht der Game Changer, über den wir so gern sprechen.«

Die Anbindung an manche Vororte könnte noch viel länger dauern.

Will man wirklich von einer Revolution reden, muss erst das gesamte Streckennetz in Betrieb gehen. »Wenn die Violette Linie im Jahr 2026 sowie die Grüne Linie im Jahr 2027 hinzukommen, kann man sich mit der Bahn überall in Tel Aviv und seinen Vororten bewegen.«

Verschiebung Doch auch der Bau dieser beiden Stadtbahnlinien läuft nicht unbedingt nach Plan. So wird sich die Fertigstellung der Violetten Linie zwischen der Arlozorov- und der Hayarkon-Straße in Tel Aviv voraussichtlich um mindestens drei Jahre verzögern. Diese Strecke soll auch durch Ramat Gan gehen und in der Kleinstadt Jehud enden.

Für die Grüne Linie, die nördlich von Tel Aviv durch die Stadt Richtung Rischon LeZion verlaufen wird, rechnen die Verantwortlichen derzeit ebenfalls mit einer Verschiebung des Eröffnungstermins von mindestens zwei Jahren.

Die Anbindung an manche Vororte könnte sogar noch viel länger dauern. Denn kürzlich habe das Verkehrsministerium das nationale Infrastrukturkomitee um Erlaubnis gebeten, »bestimmte Abschnitte der Pläne zu priorisieren«, berichtet die Wirtschaftszeitung »The Marker«. Der Bau der Strecken nach Modiin, Raanana, Kfar Saba und Hod Hascharon soll dafür verschoben werden, und zwar um fast 20 Jahre. Mancher gestresste Pendler von heute dürfte dann längst in Rente sein.

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