Rabatt

Das Volk des billigen Buches

Am billigsten ist es sowieso im modernen Antiquariat. Foto: Stephan Pramme

Der Kampf geht in die nächste Runde. Doch diejenigen, die hier mit harten Bandagen zuschlagen, stehen nicht in der Boxarena, sondern hinter dem Ladentisch. Seit Jahren tobt in Israel ein bitterböser Krieg der Buchläden. Mit immer radikaleren Sonderangeboten locken die großen Ketten Steimatzky und Tzomet Sfarim ihre Kunden in die Geschäfte: »Kauf eines, nimm noch eins kostenlos mit« oder »Das zweite Buch für 20 Schekel« sind noch die harmloseren Angebote. Gut tut die Extremreduzierung niemandem: weder den Läden noch den Verlagen und schon gar nicht den Autoren.

Dabei hatte der Gesetzgeber erst im Februar verfügt, dass Schluss sein müsse mit den horrenden Preisnachlässen. Um die Autoren zu schützen, dürfen Bücher nach ihrer Erstveröffentlichung nun 18 Monate lang nicht preisreduziert werden. Den Schriftstellern sollen so in den ersten Monaten acht Prozent vom Listenpreis garantiert werden. Schließlich hatten sogar namhafte Autoren wie Yoram Kaniuk geklagt, dass sie von ihren literarischen Werken nicht leben könnten, da sie zum Teil nicht mehr als einen Schekel (umgerechnet weniger als 20 Cent) pro verkauftem Buch verdient hätten.

Verlagshäuser indes beklagen, dass die im Volksmund als »Buchgesetz« bekannte Regulierung zwar die Autoren, nicht aber die Hersteller schütze. Denn die beiden großen Ketten forderten von ihnen nach wie vor exorbitante Rabatte. Kurz vor Beginn der Buchwoche im vergangenen Juni soll nach Angaben der Wirtschaftsbeilage »The Marker« der Einzelhändler Steimatzky mindestens 78 Prozent Nachlass verlangt haben. Grund dafür sei die geplante Werbeaktion »Kauf ein Buch – bekomme zwei kostenlos dazu« gewesen.

Nachlässe Viele Verlage wollten diesem Druck nicht mehr nachgeben, und so weigerten sich namhafte Häuser, darunter Modan, Yedioth Books und Am Oved, den Handelsketten Nachlässe zu gewähren. Sie hatten sich in den Medien beklagt, dass diese Taktik den Buchmarkt langfristig schädigen würde. Die Hersteller zahlten bei diesen Rabatten drauf, statt etwas zu verdienen.

Der Knessetabgeordnete Nissan Horowitz, der sich seit Jahren dafür einsetzt, die Preisschlacht der Buchläden zu regulieren, hat nun einen neuen Gesetzesvorschlag eingebracht, der die Verleger verpflichtet, nicht mehr als 40 Prozent Nachlass zu gewähren. Bei Verabschiedung des ersten Gesetzes hatte Horowitz noch gesagt, dadurch würden »den Verbrauchern hochwertige Bücher zugesichert und die Autoren angemessen entlohnt«.

Nach Angaben der Marktanalyseagentur Dun & Bradstreet werden in Israel jährlich Publikationen im Wert von etwa 3,5 Milliarden Schekel (knapp 750 Millionen Euro) umgesetzt. 200 Millionen Euro wandere für neue hebräische Literatur in die Kassen. Und davon nimmt allein Steimatzky die Hälfte ein, so die Agentur. Tzomet Sfarim folge mit 30 Prozent, den Rest teilten sich kleine Ketten oder unabhängige Händler.

Aggressiv Das Gesetz sei verabschiedet worden, um den Markt zu retten, doch das Gegenteil sei der Fall. Davon ist eine unabhängige Buchhändlerin im Zentrum von Tel Aviv überzeugt, die ungenannt bleiben möchte. »Denn die Rabatte für ältere Bücher werden nun sicher noch verrückter.« Sie spürt bereits die Auswirkungen. Viele Leser seien durch die langjährige aggressive Strategie der beiden Ketten nicht mehr bereit, einen normalen Preis von elf oder zwölf Euro für ein Buch zu bezahlen. »Wieso ist das so teuer?«, fragten viele, die in ihren Laden kommen. »Oder sie wollen ein weiteres Buch zum halben Preis dazu. Das ist sehr ärgerlich. Und leben kann davon langfristig niemand.«

75 Prozent aller Buchverkäufe seien in den vergangenen Jahren durch das Rabattgeschäft getätigt worden, gibt »The Marker« an. 2013 seien darunter noch 93 Prozent aller neuen Titel gewesen. Jetzt aber werden die Läden ihre Kunden überzeugen müssen, für eine Neuerscheinung mehr zu bezahlen oder sich mit älteren Werken zu begnügen. »Ich mache mir Sorgen um das nächste Jahr«, äußerte sich die Geschäftsführerin von Steimatzky, Iris Barel. »Wir werden Einbrüche haben, das ist klar. Doch die Miete, den Strom und alles andere müssen wir weiter bezahlen.«

Dabei hatte die Kette mit dem grünen Logo vor wenigen Wochen wegen extremer Verschuldung fast Konkurs anmelden müssen. Im letzten Moment wurde sie von der Investitionsgruppe Arledan aufgekauft und gerettet. Doch nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Globes verliere sie weiterhin »Dutzende Millionen Schekel jährlich«.

Doch nicht nur sie, auch manche Verlagsinhaber glauben, dass das Gesetz die Autoren nicht nur schütze. »Unbekannte Schriftsteller wird es schädigen, da viele Leute nicht bereit sind, ein Werk von jemandem, den sie nicht kennen, zum regulären Preis zu kaufen«, ist Eitan Singer, Chef des Dionon-Verlags, überzeugt. »Sie können dann nur den Umweg über die digitale Veröffentlichung gehen.«

E-Books Der ist in Israel allerdings nicht besonders erfolgversprechend. Zwar gibt es mittlerweile vier Anbieter von Digitalbüchern – E-Vrit, Booxilla, Mendele und Indiebook –, doch das Konzept, am Bildschirm in einem Buch zu schmökern, kommt beim Volk des Buches nicht sonderlich gut an. Die Menschen bevorzugen eindeutig Papier in den Händen, und außerdem können gläubige Juden das Gerät am Schabbat nicht nutzen.

Auch Verleger Rotem Sela sieht das Gesetz mit Argwohn: »Weniger Bücher werden gedruckt, weniger verkauft und weniger gelesen. Die Sonderaktionen haben es ermöglicht, Risiken einzugehen und auch Werke und Autoren jenseits des Mainstream zu produzieren.« Das sei nun vorbei.

Jonatan Nadaw von Xargol Books meint indes, der Markt sei übersättigt. »Es werden jedes Jahr zu viele Bücher herausgegeben, was zu einer allzu kurzen Lebensdauer der Produkte und unangenehmer Konkurrenz führt.« Gleichzeitig glaubt der Verleger, der sich auf moderne hebräische Literatur spezialisiert, dass Israel zur Zeit zwar vielleicht etwas mehr unter der Flaute leide – doch generell »sind die seit zehn Jahren fallenden Bücherverkäufe kein israelspezifisches, sondern ein weltweites Problem«.

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