Staatssymbol

Blau ist nicht gleich Blau

Blau und Weiß sind die Farben des jüdischen Volkes. Foto: Thinkstock

Für die einen ist sie ein Symbol nationaler Identität, für die anderen ein rotes Tuch. Und das, obwohl es um die Farben Blau und Weiß geht. Die Rede ist von der Flagge des Staates Israel. Sie zeigt einen blauen Davidstern in der Mitte auf weißem Feld sowie zwei ebenfalls blaue Streifen auf weißem Grund am oberen und unteren Rand.

Sie ist rund fünf Monate jünger als der jüdische Staat selbst. Denn erst am 28. Oktober 1948 hatte sich der Staatsrat für diese Variante entschieden. Sie ist weitgehend mit der Flagge der zionistischen Bewegung identisch und war ursprünglich als Raumschmuck für den Ersten Zionistenkongress 1897 in Basel gedacht. »Wir haben ja eine Fahne von weiß-blauer Farbe«, so der Zionist David Wolffsohn, der die Idee dazu hatte. »Der Tallit, in den wir uns beim Gebet hüllen, ist das jüdische Symbol.« Damit war die Diskussion darüber, wie die Flagge eines jüdischen Staates einmal aussehen wird, aber gerade erst eröffnet.

DavidStern »Wir haben keine Fahne«, schrieb 1903 Theodor Herzl in Der Judenstaat. »Wenn man viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre Häupter erheben. Ich denke mir eine weiße Fahne, mit sieben goldenen Sternen. Das weiße Feld bedeutet das neue, reine Leben; die Sterne die sieben goldenen Stunden unseres Arbeitstages.« Bei seinem Vorschlag handelte es sich eher um den Ausdruck einer universalistisch geprägten Vision neuer sozialer Verhältnisse, während die jüdische Symbolik in Gestalt der Davidsterne im Hintergrund blieb.

Dafür aber schien die Richtung klar: Die Farben Blau und Weiß sollten es wohl werden. Schließlich standen sie schon länger für eine säkulare jüdische Existenz. Als einer der Ersten sprach 1864 Ludwig August Ritter von Frankl-Hochwart, ein jüdischer Schriftsteller aus Wien, in seinem Gedicht »Judas Farben« von ihnen als den Farben des jüdischen Volkes und des »geliebten Landes« Eretz Israel.

Autonomie Ganz ohne religiöse Symbolik ging es aber doch nicht. Der Raumschmuck von Wolffsohn war schließlich vom Tallit inspiriert. Und das gleich auf zwei Ebenen: einmal durch die Streifen auf dem Gebetsschal, zum anderen durch seine Schaufäden, die Zizit, von denen einzelne oder mehrere Stränge in einem blauen Farbton gehalten sind, der auf Hebräisch Techelet heißt. Historisch symbolisiert dieser die Verbindung der Juden zu Eretz Israel, ihre religiöse Autonomie sowie magischen Schutz. Aber in keiner anderen Sprache existiert für die in zahlreichen biblischen Texten erwähnte Farbe ein adäquater Begriff.

Denn mit der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert kam die Produktion von Techelet zum Erliegen, sodass eine genaue Identifikation des Farbtons ungeklärt bleibt. Je nach Auslegung symbolisiert er die Farbe des Meeres, das wiederum dem Himmel ähnelt, weshalb Techelet oftmals auch mit dem Wort himmelblau übersetzt wird. Nur eines weiß man: Techelet wurde aus Meereslebewesen gewonnen.

Unklar ist aber, aus welchen. Während im Talmud von Hillazon die Rede ist, einem nicht näher spezifizierten Schalentier, glaubte in den 1880er-Jahren Rabbi Gershon Chanoch Leiner, mit dem Tintenfisch die Quelle des Farbstoffs entdeckt zu haben, und färbte damit seine Zizit ein, was zahlreiche Nachahmer fand. Andere religiöse Autoritäten nennen die im Meer lebende Stumpfe Stachelschnecke als Farbproduzenten.

Herkunft Techelet selbst steht also geradezu symbolisch für Verlust und Wiederentdeckung und scheint für religiöse wie auch für säkulare Juden seine Parallele in der jüdischen Geschichte zu haben. So ging mit dem Ende der jüdischen Präsenz in Palästina das Wissen über Produktionsweise und Herkunft der Zutaten für diesen Farbstoff verloren. Zugleich aber korrespondiert seine Wiederentdeckung mit der Rückkehr von Juden nach Eretz Israel.

Doch gab es 1948 bei den Staatsgründern Bedenken gegen die Übernahme der Flagge der zionistischen Bewegung. Man wollte »Komplikationen für die jüdischen Gemeinschaften vermeiden, wenn sie die internationale Flagge des jüdischen Volkes hissen, also die zionistische, und somit auch den Eindruck, dass sie die Fahne eines Staates hissen, dessen Bürger sie nicht sind«, wie es Außenminister Moshe Sharett auf den Punkt brachte.

Deswegen standen auch andere Vorschläge zur Diskussion, die Herzls Idee mit den sieben Sternen in das Konzept integrierten, beispielsweise der Entwurf des renommierten Grafikdesigners Otte Wallish, der zwei dicke blaue Streifen vorsah, die explizit nicht mehr an den Tallit erinnerten, unterteilt von einem weißen Feld mit sieben gelben Davidsternen. Doch aus der Diaspora kam Entwarnung, dort hielt man die israelischen Bedenken für übertrieben – deshalb blieb es bei der aktuellen Fahne.

Meinung

Kein Symbol für den Frieden

Warum man bestimmte Israel-Ketten besser nicht tragen sollte

von Joshua Schultheis  26.07.2024

Sexuelle Gewalt der Hamas

»Als wäre dein Blut billig ...«

Zum ersten Mal spricht ein männliches Vergewaltigungsopfer des Nova-Festivals öffentlich darüber, was ihm angetan wurde

von Sabine Brandes  26.07.2024

Washington D.C./Palm Beach

USA dringen auf Geisel-Deal - mahnende Worte an Netanjahu

Israels Regierungschef will nach Biden und Harris heute auch Trump treffen

 26.07.2024

USA

So war das Treffen zwischen Joe Biden und Benjamin Netanjahu

Auch die Bewerber für die Biden-Nachfolge trifft der Gast aus Israel

von Magdalena Tröndle  25.07.2024

Kommentar

Eine Schande für die Vereinten Nationen

Berlin muss endlich die Abberufung der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese fordern

von Frank Müller-Rosentritt  26.07.2024 Aktualisiert

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Olympische Spiele

Israels Außenminister Katz warnt vor iranischem Anschlagsplan

Der Minister schrieb einen Brief an seinen französischen Amtskollegen

 25.07.2024

Gaza/Israel

Kämpfe vor Bergung von Leichen der Geiseln aus Tunnel in Chan Junis

Jetzt wird mehr zu den Umständen des Einsatzes bekannt

 25.07.2024

Meinung

Eine eindrucksvolle Abrechnung mit allen Hamas-Verstehern im Westen

Die Rede von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress war eine Lehrstunde für die überwiegend israelfeindlich eingestellte Weltöffentlichkeit

von Philipp Peyman Engel  25.07.2024 Aktualisiert