Habeck in Israel

Besuch in der Geisterstadt

Wirtschaftsminister Robert Habeck besuchte mit dem deutschen Botschafter Steffen Seibert und Israels Militärsprecher Ayre Sharuz Shalicar Sderot Foto: picture alliance/dpa

Ein Vierteljahr nach dem Tag, der für Israel alles verändert hat, wirkt Sderot immer noch wie ausgestorben. Katzen und streunende Hunde ziehen um bunt bemalte Luftschutz-Unterstände, alle in Laufweite voneinander entfernt. Fünf Sekunden bleiben hier, um in Deckung zu gehen, wenn die Sirenen Beschuss aus dem nahen Gazastreifen melden. Doch am 7. Oktober traf die Stadt viel Schlimmeres als eines der üblichen Geschosse.

»Wir kennen Raketen, wir leben damit«, erzählt die Verwaltungsmitarbeiterin Gitit Botera. »Aber am 7. Oktober ist etwas zerbrochen, die Belastbarkeit. Du sitzt in deinem Zuhause und jemand versucht, dich zu ermorden. Ich weiß nicht, ob ich zurückkomme, ich weiß gar nichts. Ich weine die ganze Zeit.«

Botera erzählt ihre Geschichte dem deutschen Vizekanzler Robert Habeck, der an diesem Donnerstagmorgen in das zur Geisterstadt gewordene Sderot gekommen ist noch bevor er in Jerusalem israelische Politiker trifft. Einige Menschen kommen in die Kleinstadt zur Arbeit, aber mit ihren Familien zurückzukehren, das trauen sich viele nicht. Der Grünen-Politiker Habeck und seine Entourage tragen Schutzwesten, aus dem weniger als fünf Kilometer entfernten Gazastreifen sind gelegentlich dumpfe Explosionen zu hören. An manchen Fassaden sind Einschusslöcher zu sehen.

Als palästinensische Terroristen am 7. Oktober auch ihre Stadt überfallen, greift sich Botera ein Küchenmesser und flüchtet mit ihrer vierjährigen Tochter Adele in einen Luftschutzraum. Zehn Stunden hätten sie dort ausgeharrt, ohne Licht, Essen, Wasser. Adele habe gefragt, warum sie nicht reden soll - weil jemand versuche, sie umzubringen? Am Ende nimmt Habeck Botera in den Arm.

»Wir wurden mit herunter gelassenen Hosen erwischt, auf übelste Art«, sagt Armeesprecher Arye Shalicar, der in seiner grünen Uniform neben Habeck auf einem weißen Plastikstuhl sitzt. Dass die Hamas Israelis töten wolle, sei erwartbar gewesen, die Grausamkeit ihres Vorgehens nicht. Habeck fragt nach der Möglichkeit einer Eskalation des Konflikts, falls Israel militärisch stärker gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon vorgehen sollte, und nach der Gefahr, dass die nächste Generation in arabischen Ländern sich radikalisiert. »Diplomatie wäre natürlich wünschenswert«, meint Shalicar. Vor allem spricht er über die Notwendigkeit zu zeigen, dass man es auch militärisch ernst meine. Der deutsche Botschafter Steffen Seibert, der mit im Rund sitzt, springt Habeck bei: »Unser ganzes Argument ist immer: Gebt der Diplomatie noch Zeit, und nicht nur eine Woche.«

Gemeinsam schauen sie alle ein Video vom 7. Oktober in Sderot, einen Zusammenschnitt aus Bildern einer Überwachungskamera und der Bodycam eines Polizisten. Es zeigt, unscharf, das Mündungsfeuer von Schusswaffen junger Männer, die in den Ort fahren. Menschen fliehen vor ihnen, einige fallen hin und stehen nicht wieder auf. Ein Angreifer stirbt auf offener Straße. Einmal läuft eine Blutlache ins Bild. Und diese Szenen zeigen nicht einmal das, wovon Habecks Gesprächspartner nur fassungslos sprechen, die Verstümmelung und Folter von Opfern, die Tötung von Babies.

Wenn Israel die Hamas nicht erledigen könne, dann werde nichts aufhören, sagt Bürgermeister Alon Davidi, der Habeck im Krisenzentrum des Ortes weitere Aufnahmen zeigt. »Gaza wird weiterhin ein dunkler Ort ohne jede Zukunft sei.«

Die Hoffnung auf bessere Nachbarschaft ganz begraben will er nicht: Wenn die Hamas weg sei, der Gazastreifen demilitarisiert, dann könne dieser »ein wundervoller Ort« sein. Die Vorstellungskraft von Armeesprecher Shalicar reicht weniger weit: »Ein Seite-an-Seite in Ruhe ist mir persönlich schwer vorstellbar.«

Krieg

Hamas: Wir reagieren positiv auf neuen Vorschlag für Waffenruhe

Israelische Medien berichteten unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, Israel habe den jüngsten Vorschlag der palästinensischen Terrororganisation übermittelt bekommen

 18.08.2025

Israel

Plan zur Eroberung von Gaza-Stadt soll Dienstag vorliegen

Die Räumung der Stadt könnte in zwei Wochen beginnen

 18.08.2025

Nahost

Israel plant Feldlazarette in Gaza

Die provisorischen Krankenhäuser sind Teil des Plans der Regierung, die Kontrolle über Gaza-Stadt zu übernehmen und die Bevölkerung in südlich gelegene Gebiete umzusiedeln

 18.08.2025

Israel

Premier Netanjahu kritisiert Generalstreik

Hunderttausende sind am Sonntag für einen Geiseldeal und ein Ende des Krieges auf die Straße gegangen. Sie könnten damit die Befreiung der Geiseln gefährden, behauptet der Premierminister

 18.08.2025

Autopsie-Ergebnis

Hamas-Geisel Itzik Elgarat wurde zu Tode gefoltert

Die Familie des 69-jährigen Platzwarts hat den schockierenden Autopsie-Bericht öffentlich gemacht

 18.08.2025

Hamas-Terror

Israels Generalstabschef: Der Einsatz in Gaza-Stadt beginnt bald

Der Militärchef hatte nach Medienberichten zunächst vor großen Risiken der Ausweitung des Gaza-Kriegs gewarnt, dann aber entsprechende Planungen eingeleitet. Jetzt könnte die Ausweitung starten

 17.08.2025

Proteste

Streik in Israel aus Solidarität mit den Hamas-Geiseln

Seit mehr als 22 Monaten sind die Geiseln schon in der Gewalt der Hamas. Wütende Demonstranten in Israel blockieren Straßen und fordern ihre sofortige Freilassung sowie ein Ende des Gaza-Kriegs

 17.08.2025

Islamistische Miliz

Raketenalarm in Tel Aviv

Erneut haben die jemenitischen Huthi-Terroristen Israel angegriffen. Die Hintergründe

 17.08.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 17.08.2025