Diplomatie

Bauern gegen König

Wirkt friedlich: Naharaiym im Nordosten Israels Foto: Flash 90

Rechts ab geht es auf die Friedensroute. Stolz weist Israel den Weg entlang der israelisch-jordanischen Grenze in der Arawa-Wüste mit großen Schildern, Aussichtsplattformen und Broschüren in den Hotels der Gegend. Hinter dem Zaun sind die Wüstenberge des Königreichs zu sehen, rot schimmern sie in der Abendsonne. Passend zum Idyll bestellen israelische Bauern die Felder hier. Bald ein Bild der Vergangenheit?

Unter dem Druck von Hardlinern in seinem Land hat König Abdullah II. von Jordanien am Anfang der Woche erklärt, er wolle die Anhänge zum Friedensabkommen vom Oktober 1994 nicht mehr erneuern.

Darin geht es um Boden, den Israel von seinem Nachbarn pachtet. Bei den zwei Landstrichen handelt es sich um Zofar (Ghamr auf Arabisch) in der südlichen Arawa-Wüste und Naharaiym (Baqura) nördlich des Sees Genezareth entlang der gemeinsamen Grenze. Der Boden wird für die israelische Landwirtschaft genutzt.

Priorität Der Frieden zwischen Israel und Jordanien, geschlossen zwischen dem damaligen König Hussein und Premierminister Yitzhak Rabin, ist der einzig (relativ) warme, den der jüdische Staat mit seinen Nachbarn unterhält. Dennoch ließ Abdullah über den Twitter-Account der jordanischen Botschaft am Sonntag verkünden: »Die Gegenden Baqura und Ghamr hatten immer unsere oberste Priorität, und unsere Entscheidung ist es, Artikel 2 des Anhangs I (b) des #Jordanisch-#Israelischen #Friedensvertrags zu beenden. Sie stammt aus dem Bewusstsein, das zu tun, was nötig für Jordanien und die Jordanier ist.«

Der Zusatzartikel verpachtet das Land für jeweils 25 Jahre.

Die Ländereien in der Arawa werden vom Moschaw Zofar bearbeitet, hier stehen Dattelpalmen, wachsen Paprika und Schnittblumen. Es ist keine besonders große Fläche, etwas mehr als 1,1 Quadratkilometer. Sie ist unter jordanischer Souveränität, doch von Israel gepachtet, weil vor dem Friedensschluss israelische Bauern bereits viele Jahre an dieser Stelle ihre Produkte angebaut hatten.

Eigentlich ist die Pacht für 25 Jahre mit der Option auf Verlängerung angelegt. 2019 läuft der Vertrag aus. Letzter Termin zur Erneuerung des Anhangs zum Friedensvertrag ist der 25. Oktober 2018. Behörden und Bauern geben allesamt an, von der Aufkündigung nichts gewusst zu haben.

»Ein Jahr ist die Zeit, die uns bleibt«, erklärt Eitan Lipshitz, der Leiter der Landwirtschaft in Zofar. »Wir müssen an einem Plan arbeiten, der uns eine Möglichkeit gibt weiterzumachen. Sonst bedeutet es für die 35 Bauern, die das betreffende Land bestellen, das Aus. Und später sogar für den gesamten Moschaw. Denn es gibt hier in der Arawa kaum andere Arbeit als die Landwirtschaft. Wir alle leben davon.«

Verhandlungen Die Verlegung der Felder ins Landesinnere wäre für die Betreffenden ein riesiger finanzieller Aufwand in Höhe von mehreren Dutzend Millionen Schekeln, den sie nach Angaben von Lipshitz nicht allein bewältigen könnten. Außerdem liegt der jordanische Boden höher, sei fruchtbarer und besser zu bewässern. Der Moschaw gibt an, für die Nutzung keinerlei Pacht an die Regierung zahlen zu müssen.

Premierminister Benjamin Netanjahu versicherte nach dem Bekanntwerden der Neuigkeiten, dass man auf jeden Fall mit Jordanien verhandeln werde. »Es gibt keinen Zweifel, dass der Friedensvertrag ein großer Schatz ist«, betonte er während einer Gedenkfeier für den ermordeten Premierminister Yitzhak Rabin. »Die Abkommen mit Jordanien und Ägypten sind die Anker der regionalen Stabilität.« Doch die meisten Mitglieder des Moschaws sind skeptisch, was Verhandlungen angeht. »Ich glaube nicht, dass der König nur redet. Wir alle hier sind sicher, dass sein Wort endgültig ist und nicht mehr zur Debatte steht.«

Das meinen auch viele Politikexperten in Israel. Einige sind überzeugt, die Kündigung sei eine Retourkutsche von Abdullah wegen der jüngsten Übereinkünfte zwischen Netanjahu und Trump, vor allem der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem.

eiszeit Auch der Zwischenfall im Sommer 2017 hatte für eine monatelange Eiszeit zwischen Jerusalem und Amman gesorgt. Damals hatte ein Sicherheitsmann der israelischen Botschaft in Amman in Notwehr zwei Jordanier erschossen. Jordanien hatte das Team der Vertretung anschließend des Landes verwiesen. Ein Schritt auf dem Weg zur Verständigung war die Versicherung Jerusalems, dass die Botschafterin Anat Schlein nicht wieder nach Amman zurückkehren werde.

Im Juni dieses Jahres trafen sich Netanjahu und König Abdullah von Jordanien in Amman – zum ersten Mal seit 2014.

Im Juni dieses Jahres trafen sich Netanjahu und König Abdullah von Jordanien in Amman – zum ersten Mal seit 2014. Die Zeichen standen auf Verständigung, als die beiden in überwiegend privaten Gesprächen Frieden und Entwicklung in der Region sowie bilaterale Entwicklungen besprachen. Netanjahu betonte Israels Verpflichtung, den Status quo an den Heiligen Stätten in Jerusalem beizubehalten.

Minister der israelischen Regierung haben sich nach Angaben der Tageszeitung Yedioth Ahronoth zu der Krise geäußert. Der Eklat um die Ländereien sei nicht überraschend, sondern vorhersehbar gewesen. »Die Jordanier sind wütend, dass die Vereinbarung von 2015 über ein Kanalprojekt mit Israel vonseiten Jerusalems nicht eingehalten wurde«, steht in dem Bericht. Bei dem Plan geht es um eine Pipeline vom Roten zum Toten Meer und den Bau einer Entsalzungsanlage im jordanischen Aqaba. »Doch seit diesem Datum haben wir keinerlei Fortschritt gemacht. Es ist unangebracht und schandhaft, dass unsere Regierung macht, was sie will. Deshalb vertrauen uns die Jordanier nicht mehr«, heißt es weiter.

Wasser In Übereinstimmung mit dem Friedensvertrag liefert Israel an seinen Nachbarn 45 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich. In den vergangenen Jahren ist diese Menge auf Bitten der Regierung in Amman auf 55 Millionen erhöht worden. Jordanien leidet wie Israel unter jahrelanger Dürre. Das Haschemitische Königreich trifft die Wasserknappheit besonders hart, seit es mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg in Syrien aufgenommen hat.

Dennoch steht Abdullah wegen Israels Haltung zu den Palästinensern und besonders den Ausschreitungen am Grenzzaun zu Gaza seit einer Weile unter großem innenpolitischen Druck. In der vergangenen Woche forderten Demonstranten in Amman die Rückgabe der Gebiete an Jordanien, einige verlangten sogar die komplette Aufkündigung des Friedensvertrages. 87 jordanische Parlamentarier unterzeichneten zudem eine Petition an die Regierung, die Ländereien zurückzuholen.

Auch die Landwirte von Naharayim im Nordosten Israels sind verwundert über die jüngsten Entwicklungen. Idan Grienbaum, Vorsitzender des Regionalrates Jordantal, zu dem Naharayim gehört, kann nicht fassen, dass das das Ende des Status quo sein soll, der ein Vierteljahrhundert bestand. »Wir hatten in all den Jahren sehr gute Beziehungen zu den Bauern jenseits der Grenze, haben uns über Methoden der Landwirtschaft ausgetauscht. Ich hoffe wirklich, Israel findet einen Weg, mit dem König zu verhandeln. Es ist wichtig für die gemeinschaftlichen Beziehungen und die ganze Region.«

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