Die Schockwellen aus Amerika sind auch in Israel zu spüren. Obwohl der Einreisestopp von Präsident Donald Trump für Menschen aus sieben überwiegend muslimischen Staaten nicht für jüdische Israelis gelten soll, sorgt er für Verwirrung und Angst. Und zwar bei jenen, die in einem der aufgelisteten Länder geboren sind. Denn der Geburtsort ist im blauen israelischen Pass aufgeführt: Jemen, Iran, Irak, Libyen.
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahshon, erklärte am Montag, dass sich verschiedene israelische Offizielle um eine Klärung der Angelegenheit bemüht hatten. Die Antwort kam am Dienstag von der US-Botschaft in Tel Aviv: Die Betreffenden könnten weiterhin in die USA reisen. »Wenn sie derzeit ein gültiges US-Visum in ihrem israelischen Pass haben und im Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien oder Jemen geboren sind, ist ihr Visum gültig – sofern sie keinen gültigen Pass aus den aufgelisteten Ländern halten«, heißt es in der Erklärung.
abstammung Dennoch sind viele Israelis mit nahöstlicher Abstammung weiterhin beunruhigt. Am Montag berichteten Zeitungen in Florida, dass eine Gruppe von Juden mit Verbindungen zur jüdischen Gemeinde in Syrien mehr als sechs Stunden festgehalten wurde, als sie ein Kreuzfahrtschiff verließ. Mindestens drei von ihnen seien in den USA geboren, doch ihre Mutter stamme aus Syrien. Sie lebe seit 20 Jahren mit einer Greencard in Amerika, heißt es in dem Artikel.
Für Verwirrung sorgt, dass sich amerikanische Offizielle bisweilen selbst widersprechen. So geschehen am Sonntag, als der Stabschef im Weißen Haus, Reince Priebus, zunächst deutlich machte, dass das Dekret Menschen aus den betreffenden Ländern mit einer Greencard, also einer Aufenthaltsgenehmigung für die USA, nicht betreffe. Wenige Minuten darauf sagte er dann, dass es »natürlich« auch für jene mit Greencard gelte.
Klärung Der jüdische New Yorker Immigrationsanwalt der Kanzlei Wildes & Weinberg, Michael Wildes, erklärte in den Medien, dass die Formulierung des Dekrets unklar und die Staatsbürgerschaft nicht definiert sei. Denn die Worte »aliens from countries« (Ausländer aus Staaten), die Trump benutzte, könnten auf unterschiedliche Weise interpretiert werden.
Mittlerweile ist bekannt, dass die Formulierung zu teilweise kompletter Verwirrung an den Flughäfen führt, weil niemand genau weiß, wer denn nun gemeint ist und wer nicht. »Entweder wird der Kongress es als Gesetz erlassen, oder Trump klärt das Dekret. Doch bis dahin rate ich jedem, der aus diesen Ländern stammt, nicht zu reisen.«
Während es aus der ganzen Welt Kritik hagelt, darunter aus Deutschland, Kanada, Frankreich, der Türkei und Großbritannien, halten sich Israels Politiker mit Äußerungen zurück. Benjamin Netanjahu, der lediglich seine Unterstützung für Trumps geplante Mexiko-Mauer tweetete und damit eine Krise zwischen dem lateinamerikanischen und dem jüdischen Staat heraufbeschwor, sagte zum Einreisebann nicht ein einziges Wort. Außer den Vertretern der linken Meretz-Partei und der Vereinigten Arabischen Liste, die beide das Dekret scharf kritisierten, blieben alle stumm. Der erste Besuch des israelischen Premiers in Washington ist für den 15. Februar angekündigt.
geburtsland Der Reisebann, der zunächst für 90 Tage gilt, richtet sich gegen Bürger aus sieben Ländern: Iran, Irak, Libyen, Sudan, Somalia, Syrien und dem Jemen. Um die 150.000 jüdische Israelis sind in einem dieser Länder geboren, etwa 50.000 im Irak, mehr als 40.000 im Iran, die restlichen stammen aus dem Jemen und Libyen. Die meisten von ihnen sind über 65 Jahre alt und sind seinerzeit vor Diskriminierung und Verfolgung geflohen. Kaum einer von ihnen besitzt noch den Pass seines Geburtslandes.
Wie Manny Damari aus dem Jemen. Der jüdische Mann mit der amerikanischen Greencard postete einen emotionalen Appell auf Facebook: »Es besteht die Möglichkeit, dass ich nicht nach Hause fliegen kann. Es ist ein Albtraum. Ich lebe seit elf Jahren in den USA ... In einigen Monaten soll ich meine Staatsangehörigkeit erhalten. Ich habe alles legal gemacht«, schreibt Damari. Damari konnte am Ende aufatmen. Er schrieb: »3,5 Stunden Arrest nach meiner Ankunft, doch jetzt bin ich endlich wieder zu Hause.«
Teheran Sara würde ihren vollen Namen gern nennen, doch sie sorgt sich, »was auf mich zukommen kann, wenn eines Tages geprüft werden sollte, ob ich mich jemals gegen Präsident Trump ausgesprochen habe«. Sie erzählt, dass sie seit Freitag in einer Art Schockzustand sei und abwechselnd mit ihren Eltern und ihrem Bruder spreche.
Die 48-Jährige machte vor zehn Jahren gemeinsam mit ihrer Familie Alija und wohnt heute in Tel Aviv. Auch ihre Eltern kamen mit nach Israel. Mehr als 30 Jahre lang hatten sie zuvor Los Angeles ihre Heimat genannt. Ihr Bruder lebt mit Frau und zwei Kindern noch immer dort. Sara, ihr Bruder und ihre Eltern haben einen gemeinsamen Geburtsort: Teheran, Iran – schwarz auf weiß in den israelischen Reisepass gedruckt. »Und das könnte uns heute wieder zum Verhängnis werden«, sagt sie. »Ich kann es kaum glauben.«
Hafen Sie fühle sich nach Trumps Ankündigung ähnlich wie damals als Kind: Als die Eltern nach Monaten der Angst und Unsicherheit nach der Revolution im Iran eines Tages ihre Kinder schnappten und ihr Zuhause verließen, weil sie um ihr Leben fürchteten. »Zwar ist unser Leben heute nicht bedroht, doch ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, wieder Verfolgte zu sein«, gibt die Israelin zu. »Und das von dem Land, das uns einen sicheren Hafen bot, das wir lieben und ehren – Amerika.«
Die Ankündigung, dass der Bann nicht für sie gelten soll, beruhigt sie nur teilweise. Sie traut der Versicherung aus Washington nicht. Sie und ihre Eltern haben Pläne, in der nächsten Zeit in die USA zu reisen, auf Eis gelegt. »Ich will auf keinen Fall, dass meine Eltern in dem Land, das sie rettete, ins Gefängnis gesteckt werden, weil der falsche Geburtsort im Pass steht.« Nur mühevoll hält Sara ihre Tränen zurück. »Ich weiß nicht, ob sie das überstehen würden.«