Urteil

»Aussagen voller Lügen«

Mosche Katsav droht eine lange Haftstrafe. Foto: Flash 90

In dem kleinen Gerichtssaal konnte man die Rufe der Demonstranten hören, die sich am Donnerstag vergangener Woche in Tel Aviv auf der Straße vor dem Gericht versammelt hatten: »Wir glauben euch, wir stehen zu euch!«, skandierten Frauenrechtlerinnen, während Richter George Kara mehr als eine Stunde lang das Urteil über den ehemaligen Staatspräsident Mosche Katsav verlas. Stoisch lauschte Katsav den Worten, mit deren eindeutiger Strenge kaum jemand gerechnet hatten: »A. spricht die Wahrheit, während Katsavs Aussage voller Lügen ist«, befanden die drei Richter einstimmig. Katsav wurde für schuldig befunden, während seiner Amtszeit als Tourismusminister und später als Präsident drei seiner Angestellten vergewaltigt, sexuell gewaltsam genötigt, verbal belästigt und die Justiz behindert zu haben. Das Strafmaß wird erst später festgelegt werden. Experten rechnen mit einer mehrjährigen Haftstrafe.

Reaktionen Politiker jeder Couleur sprachen von einem »traurigen Tag für Israel«. Trotzdem war man hier stolz auf die Unabhängigkeit der Justiz, die keine Unterschiede kenne: »In Israel gibt es nur eine Kategorie von Bürgern, und die sind alle vor dem Gesetz gleich«, sagte Staatspräsident Schimon Peres. Premier Benjamin Netanjahu betonte: »Das Gericht in Tel Aviv hat heute zwei Punkte deutlich gemacht: Dass alle, Männer und Frauen, vor dem Gesetz gleich sind, und dass Frauen über ihren Körper selbst entscheiden können.«

Der Urteilsspruch beendet eine politische Glanzkarriere. Katsav wurde 1945 im Iran geboren und wanderte mit sechs Jahren in Israel ein. Das Kind einer armen Einwandererfamilie wurde zum ersten Studenten seiner neuen Heimatstadt Kiriat Malachi. Mit 24 Jahren wurde Katsav zum jüngsten Bürgermeister im Land gewählt, mit 32 war er Abgeordneter in der Knesset. Besonders in den Augen der oft benachteiligten jüdischen Einwanderer arabischer Länder galt Katsav lange als Paradebeispiel für sozialen Aufstieg im von europäischen Juden dominierten Israel. Lange wähnten sie im Prozess eine Hatz des Establishments gegen einen ihrer erfolgreichsten Vertreter. Doch diese Stimmen waren am Tag der Urteilsverkündung nicht mehr zu hören.

Debatte

Medienberichte: Israels Regierung hebt Entlassung Bars auf

Israels Führung wollte den Geheimdienstchef loswerden, am Montag erklärte Ronen Bar selbst seinen Rücktritt. Die Regierung nimmt nun ihren Entlassungsbeschluss zurück - womöglich nicht ohne Grund

von Cindy Riechau  29.04.2025

Jom Hasikaron

Ganz Israel trauert

Mit dem ersten Sirenenton am Abend beginnt das Gedenken für die gefallenen Soldaten und Terroropfer

von Sabine Brandes  29.04.2025

Rekord

So viele Menschen leben in Israel

Eine neue Statistik liefert überraschende Antworten

 29.04.2025

Tel Aviv

»Sie würde aussehen wie ein Sumo-Ringer«

Benjamin Netanjahu bestreitet im Korruptionsprozess gegen ihn, dass seine Frau 160 Kisten Champagner bekommen hat

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Israel

Israels Geheimdienstchef Bar räumt seinen Posten 

Israels Führung will den Inlandsgeheimdienstchef des Landes schon länger loswerden. Nun plant Ronen Bar, sein Amt bald niederzulegen. Grund ist aber nicht der Wunsch der Regierung

 28.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025