Militär

»Aus moralischen Gründen«

Nadav (26) ist Reservist der Geheimdienst-Einheit 8200. Foto: dpa

Manche nennen es Verrat, andere einen mutigen Akt, der Premierminister selbst sagte am Sonntag: »Es ist nichts weiter als grundlose Verleumdung«. Der Brief, den 43 Mitglieder der Geheimdienst-Einheit 8200 innerhalb der israelischen Armee (IDF) am vergangenen Freitag verfasst haben, rüttelt Israel auf. Die Männer erklären in ihrem Schreiben, dass sie ihren Dienst aus moralischen Gründen nicht mehr ausführen werden.

In der vergangenen Woche hatten Teile der Elitetruppe in Briefen an Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Obersten des Militärs geschrieben, dass sie keinen Reservedienst mehr leisten wollen.

»Wir, Veteranen der Einheit 8200, Reservesoldaten der Gegenwart und Vergangenheit, erklären, dass wir uns weigern, an Aktionen gegen Palästinenser teilzunehmen und dass wir uns zudem weigern, weiterhin als Werkzeuge zu fungieren, die die Militärkontrolle über die besetzten Gebiete vertiefen.« Zu den Unterzeichnern gehören auch ein Major, zwei Kommandanten sowie mehrere Offiziere.

Kameraden Die Gruppe begann nach eigener Auskunft vor etwa einem Jahr mit einer Handvoll von Leuten, die wegen ihrer Tätigkeit in der Armee mit ihrem Gewissen in Konflikt gerieten. Natürlich sei da die Angst gewesen, wie die Freunde aus der Einheit auf die Verweigerung reagieren würden, sagten einige gegenüber Medien in Israel.

Und tatsächlich haben die anderen Mitglieder von 8200 für die Auffassung ihrer Kameraden keinerlei Verständnis, wie sie in einem Gegenschreiben deutlich machten. Dennoch habe man sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen wollen, meinen die Initiatoren der Aktion.

Eines ihrer Argumente ist, dass die Überwachung von Israelis strikt reguliert sei, »Palästinenser aber nicht in den Genuss dieses Schutzes kommen«. Die Informationen würden gesammelt und in den Armeesystemen gespeichert. »Und das schadet unschuldigen Menschen, weil es für die politische Verfolgung genutzt wird und dazu dient, einen Graben innerhalb der palästinensischen Gesellschaft zu schaffen. Millionen von Menschen werden so ihrer Rechte beraubt«, heißt es in dem Brief.

Das Dilemma der Notwenigkeit, Daten für die Sicherheit des Staates zu sammeln und gleichzeitig die Menschen vor Datenmissbrauch zu schützen, wird dieser Tage in Israel heftig diskutiert. Während palästinensische Quellen den Schritt der Verweigerer loben, »die zur Hilfe eines unterdrückten Volkes kommen«, hat die Politelite wenig warme Worte.

Facebook Oppositionsführer Isaac Herzog, der selbst in der Einheit tätig war, wies die Männer auf seiner Facebook-Seite zurecht: »Die Aktivitäten der Einheit sind nicht nur in Kriegszeiten, sondern vor allem im Frieden von wesentlicher Bedeutung«. Die Armee hat »klare und scharfe Bestrafungen« der »Refuseniks«, wie sie im Volksmund genannt werden, angekündigt.

Das Büro des IDF-Sprechers veröffentlichte eine Antwort: »Die Einheit 8200 arbeitet seit ihrer Gründung dafür, dass der Sicherheitsapparat funktioniert und hilft täglich, die Bürger des Staates Israel zu beschützen. Die Vorwürfe der Einheit sind dem Direktoriat unbekannt. Außerdem lässt die Tatsache, dass sich die Unterzeichner mit ihrer Kritik erst an die Medien statt an die Armee gewandt haben, erkennen, dass ihre Beschuldigungen zweifelhafter Natur sind.«

Israel

Schwarz und Weiß

Die Elite und die Benachteiligten: Warum viele Vorurteile über Aschkenasim und Sefardim im jüdischen Staat nicht zutreffen

von Richard C. Schneider  08.06.2023

Weltmeisterschaft

Gewinn für das ganze Land

U20-Team schlägt Brasilien und weckt Hoffnungen auf eine »goldene Generation«

von Sabine Brandes  08.06.2023

Visite

Unterkühlter Empfang für Smotrich in Paris

Der umstrittene israelische Finanzminister wird von französischen Regierungsvertretern ignoriert

von Sabine Brandes  07.06.2023

Kriminalität

Grenzenlose Gewalt

Die Zahl der Tötungsdelikte hat einen neuen Höchststand erreicht – insbesondere in der arabischen Community und im Bereich des organisierten Verbrechens

von Sabine Brandes  06.06.2023

Vorstoß

Jüdischer Weltkongress fordert »Marshall-Plan« für Nahost

Lauder: Dies könnte zu einer friedlichen Lösung in der Region führen

 06.06.2023

Neuerscheinung

Mehr als gemeinsames Hummus-Essen

Für sein neues Buch über jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel streift Igal Avidan durch mehrere Orte

von Leticia Witte  06.06.2023

Basketball

EM-Gastgeber Israel verliert klar gegen Deutschland

Die israelischen Frauen verloren am Montagabend in Tel Aviv mit 78:63 gegen das Team von Bundestrainerin Lisa Thomaidis

 06.06.2023

Unglück auf dem Lago Maggiore

Mossad-Agent war Teil einer Mission gegen iranische Waffenprojekte

Viel wurde über das Treffen der Geheimdienstmitarbeiter spekuliert. Nun werden immer mehr Informationen bekannt

 05.06.2023

Tod der Soldaten

»Warum hast du mich verlassen?«

Ermittlungen sollen eine Woche dauern / Tausende erweisen Lia Ben-Nun, Ori Illouz und Ohad Dahan die letzte Ehre

von Sabine Brandes  05.06.2023