Jerusalem/Warschau

»Antisemitisches und unethisches Gesetz«

Naftali Bennett (l.) und Yair Lapid Foto: Flash 90

Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett hat die Änderung des polnischen Verwaltungsgesetzes scharf kritisiert. Dies sei ein »schwerwiegender Schritt«, der Israel nicht gleichgültig lassen könne, sagte er in einer am Samstagabend veröffentlichten Mitteilung. Das Gesetz hindere Juden daran, Entschädigung für den Verlust von Eigentum zu bekommen, den sie während des Holocaust verloren hatten. Israel bedauere, »das Polen die Wahl getroffen hat, weiterhin denen zu schaden, die alles verloren haben«.

Der polnische Präsident Andrzej Duda hatte das in der vorangegangenen Woche im Parlament verabschiedete Gesetz am Samstag unterzeichnet. Es tritt damit nach zwei Wochen in Kraft. In der Gesetzesänderung heißt es unter anderem, dass Verwaltungsentscheidungen nach Ablauf einer Frist von 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet Auswirkungen auf mögliche Entschädigungen von Opfern des Holocaust.

reaktionen Erste Reaktionen auf die Unterzeichnung des Gesetzes gab es bereits am Samstag: Der israelische Außenminister Yair Lapid rief noch am Abend die Gesandte der israelischen Botschaft in Warschau, Tal Ben-Ari Yaalon, »zu unbefristeten Beratungen« zurück.

»Polen hat heute – nicht zum ersten Mal – ein antisemitisches und unethisches Gesetz erlassen«, sagte Lapid in einer Stellungnahme. »Der neue Botschafter, der in Kürze nach Warschau aufbrechen sollte, wird zu diesem Zeitpunkt nicht nach Polen reisen.«

Das Außenministerium werde zudem empfehlen, dass der polnische Botschafter in Israel in seinem derzeitigen Heimaturlaub bleibe. »Diese Zeit sollte genutzt werden, um den Menschen in Polen die Bedeutung des Holocaust für die Bürger Israels zu erklären«, sagte Lapid. Israel führe Gespräche mit den USA, um künftige Reaktionen abzusprechen.

Zudem sagte Lapid in seiner Stellungnahme: »Die Tage sind vorbei, als Polen Juden ohne Konsequenzen Schaden zufügten.« Israel habe nicht vor, »die Augen vor dem beschämenden Verhalten der antidemokratischen polnischen Regierung zu verschließen«.

Moshe Kantor, Präsident des European Jewish Congress, bezeichnete das Gesetz in einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme als »undemokratisch, ungerecht und unmoralisch«. Es bringe nicht Ordnung ins Chaos, wie Präsident Duda es sage. Das Gesetz mache vielmehr etwas legal, was illegal sein sollte und legalisiere Diebstahl.

In einer Stellungnahme des polnischen Außenministeriums hieß es, die Schritte Israels seien »ein schwerer Schaden für unsere Beziehungen«. Die rangmäßige Herunterstufung der diplomatischen Vertretung Israels in Warschau sei grundlos. Die polnische Regierung werde entsprechende politische und diplomatische Maßnahmen ergreifen.

besatzung Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Polen die größte jüdische Diaspora Europas. Dreieinhalb Millionen Menschen, ein Zehntel der polnischen Bevölkerung, waren Juden. Während der deutschen Besatzung kamen rund drei Millionen polnischer Juden in den Vernichtungslagern, Ghettos oder bei den »Sonderaktionen« der Nationalsozialisten ums Leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die damaligen kommunistischen Behörden in Polen zahlreiche Häuser und Grundstücke verstaatlicht, deren Eigentümer getötet oder aus dem Land geflohen waren.

»Es mag sein, dass das Restitutionsgesetz in Polen nicht explizit gegen jüdische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Holocaust formuliert wurde, doch tatsächlich setzt dieses Gesetz allen möglichen Ansprüchen der Erben von Holocaust-Opfern auf Wiedererlangung verlorener Vermögenswerte ein Ende«, sagte am Sonntag der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt. »Insgesamt gibt es in Osteuropa einen Trend des Geschichtsrevisionismus, der auch jüdisches Leben zunehmend infrage stellt. Das ist ein alarmierender Trend der uns mit großer Sorge erfüllt.« dpa/ja

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Politik

»Geradeaus« mit Gadi Eizenkot

Zu den Gründungsmitgliedern der neuen Partei des früheren Stabschefs gehört auch die Tochter einstiger Hamas-Geiseln

von Sabine Brandes  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

Jerusalem

Netanjahu kündigt Treffen mit Trump an, warnt Hamas und kritisiert Katar

Vor seinem Besuch im Weißen Haus will der Ministerpräsident vor den Vereinten Nationen sprechen

 17.09.2025

Nahost

Israelische Armee weitet Offensive aus

Laut Armeesprecher Effie Defrin hat eine Befreiung der in der Gewalt der Hamas befindlichen Geiseln höchste Priorität: »Ihre sichere Rückkehr ist der Kern unserer Mission. Sie sind der Grund, warum wir weiterkämpfen.«

 17.09.2025

Luftfahrt

Schlägerei während Flugs von Tel Aviv nach Bukarest

Israelische Passagiere prügeln sich. Anschließend gibt es Bußgelder. Medien berichten über mutmaßlich religiöse Motive

 16.09.2025 Aktualisiert

Nahost

Israel greift Huthi-Anlagen im Jemen an

Die Huthi-Miliz im Jemen feuert immer wieder Raketen in Richtung Israel. Der jüdische Staat reagiert mit eigenen Schlägen - auch jetzt wieder

 16.09.2025