Beim jüdischen Lerntag Limmud haben die Teilnehmer die Qual der Wahl: Soll man sich besser Tipps für den Umgang mit chronischen Antisemiten geben lassen oder über Israels Demokratie diskutieren? Oder vielleicht einen Gedankenausflug in die Welt der Prophetin Chulda unternehmen? Tanzen wäre auch nicht schlecht oder nach Klesmer-Klängen musizieren. Das war am Sonntag in Köln alles gleichzeitig möglich. Die Premiere von Limmud im jüdischen Gemeindezentrum von Köln zog rund 470 Teilnehmer an. 60 Seminare, Workshops, Diskussionen, Filme und Spiele waren im Angebot.
Die Reaktion der Besucher äußerte sich mehrfach in großem Applaus für das Organisationsteam um Daniela Kalmar und Sophie Mahlo. Kölner Gemeindemitglieder hatten das Festival mit Unterstützung des Berliner Limmud auf die Beine gestellt. »Ich war 2009 in Berlin, und die Atmosphäre dort hat mich einfach umgehauen«, erzählt Eleonora Kryvonos vom Organisationsteam.
Mammutprogramm Die Idee, eine solche Veranstaltung auch an den Rhein zu holen, faszinierte zunächst zehn Kölner, die in der Gemeinde weitere Helfer gewannen und in gut siebenmonatigem Vorlauf ein Mammutprogramm vorbereiteten. Man setzte auf die gewohnte Mischung aus politischen Themen, religiösen Alltagsfragen wie: »Wie wird die Mikrowelle koscher?«, Historischem, Theaterspiel und Gesang – mit Angeboten für alle Altersklassen.
Einige Referenten sind schon alte Limmud-Bekannte, die Kölner bemühten sich aber auch um eigene Akzente. Die in Serbien geborene und als Atheistin aufgewachsene Hana Fischer erzählt freimütig, wie sie langsam immer tiefer in den jüdischen Glauben vordringe und diesen auch an ihre zwei Kinder weitergibt: »Ich bin dabei, eine ganz neue Welt zu entdecken, weiß aber nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe das Gefühl, dass so viel von mir erwartet wird.« Im Workshop der 29-Jährigen entwickelte sich eine Diskussion über das Judentum als Familienreligion und die Bedeutung von religiösen Wurzeln.
öffentlichkeit Zu den Höhepunkten der Veranstaltung zählen die Podiumsdiskussionen, etwa zur PR-Arbeit Israels. Botschafts-Mitarbeiterin Janine Khoschlessan erläuterte das Dilemma der amtlichen Öffentlichkeitsarbeit. Natürlich hielte die Botschaft ausführliche Informationen zum Nahost-Problem bereit, aber es komme doch darauf an, im Ausland zu zeigen, dass Israel weit mehr sei als eine Nation in ständigem Konflikt. Sie wünscht sich mehr Engagement von Israel-Befürwortern. Aus dem Publikum kam darauf der Vorschlag, doch einen israelischen TV-Sender als Gegengewicht zu Al-Dschasira zu installieren. Davon hält Nahost-Korrespondent Gil Yaron wenig: »Bei weiterem Siedlungsbau helfen auch keine neuen Fernsehsender.« Er unterstreicht, dass es die Hamas verstanden habe, die Weltöffentlichkeit schnell mit eindringlichen TV-Bildern echter oder vermeintlicher Opfer israelischer Militäroperationen zu versorgen. Israels Öffentlichkeitsarbeit sei dagegen ein »PR-Desaster«.
Für den Limmud-Verein geht die Arbeit nach der Kölner Veranstaltung weiter. Die Vorbereitungen für das große Festival am Werbellinsee bei Berlin (13. bis 16. Mai) laufen – und auch in Frankfurt steht am 29. August eine Limmud-Premiere an. Die Limmud-Freunde aus den Niederlanden, die auch zahlreich in Köln vorbeischauten, laden am 23. und 24. Mai nach Amsterdam ein.