Statement

»Verkannt, verharmlost, unterschätzt«

Charlotte Knobloch Foto: Marina Maisel

Als Zeichen der Solidarität gedachte die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern am vergangenen Freitag vor dem Kabbalat Schabbatgottesdienst in der Ohel-Jakob-Synagoge der Opfer des Terroranschlages in Toulouse.

Bereits zuvor hatte Charlotte Knobloch zu dem Attentat Stellung genommen. Der mutmaßliche Attentäter von Toulouse, der sieben Menschen ermordet haben soll, bezeichnete sich selbst als »Mudschaheddin« und bekannte sich zu Al Qaida. Dazu erklärte Charlotte Knobloch, Präsidentin der IKG und WJC-Vizepräsidentin: »Was sich in Frankreich realisiert hat, droht uns auch in Deutschland schon seit Langem.«

»Wie der Rechtsextremismus«, so Knobloch, »wurde auch der Islamismus in der Bundesrepublik jahrelang verkannt, verharmlost und unterschätzt.« Die Sorgen der jüdischen Gemeinschaft seien nicht ernst genommen worden. Knobloch betonte: »Die Gefahr ist real!« In den Terroristencamps im Irak, in Algerien, Pakistan und Somalia gibt es immer mehr Europäer. Gerade die deutsche Szene ist sehr dynamisch.

Nahostkonflikt »Der jüngst vorgelegte Expertenbericht über Antisemitismus in Deutschland warnt vor Islamisten als dem neuen Träger von Antisemitismus«, erläuterte Knobloch. »Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts solidarisieren sich demnach vor allem türkisch-muslimische Jugendliche mit den Palästinensern und deren Sicht auf Israel. Die Judenfeindlichkeit unter den in Deutschland lebenden Muslimen wächst rasant. Davor dürfen sich Politik und Gesellschaft nicht länger verstecken.«

»Dass bislang in Deutschland nichts passiert ist, war reines Glück«, meinte Knobloch. Denn der Trend gehe weg von der Terrorzelle hin zum unberechenbaren Einzeltäter unterhalb des Radars der Ermittler.

»Der mutmaßliche Mörder von Toulouse entstammte der Mitte der französischen Gesellschaft. Dort wie hier machen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, die Suche nach Halt und Orientierung viele junge Menschen anfällig für Islamismus. Zutiefst regierungsfeindliche und antisemitische Hassprediger versprechen, sie aus der vermeintlichen Opferrolle zu befreien und zu einem Teil von etwas Großem zu machen: zu Kämpfern für Würde und Stolz gegen den vermeintlichen Islamhass in ihrem Land. Deutschland braucht Konzepte, die verhindern, dass sich junge Menschen bei uns als Verlierer betrachten und unserem zivilisatorischen Konsens wegbrechen.«

Gesellschaft Knobloch sagte weiter: »Diese jungen Menschen sehnen sich nach Aufmerksamkeit. Sie verdienen sie für das gute Potenzial, das in ihnen steckt – nicht erst dann, wenn sie uns mit Waffen bedrohen. Islamismus ist kein Teil von Deutschland! Aber wer Teil unserer Gesellschaft sein will, muss eine Chance bekommen.«

Bereits am 25. März 1994 hatte der Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck bundesweit für Bestürzung und Anteilnahme gesorgt. Vor allem den Radikalisierungstendenzen unter Neonazis und Islamisten ist es geschuldet, dass jüdische Einrichtungen und Veranstaltungen nach wie vor besondere Schutzvorkehrungen erfordern.

Der Slogan von 1994: »Es ist Zeit aufzuwachen«, ist »heute aktueller denn je«, betonte Knobloch.

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