Am 14. Mai ist die Stimmung in russischen sozialen Netzwerken gereizt: Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden wieder als »Nazis« beschimpft. Ukrains Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj wird wie immer antisemitisch beleidigt und zu einem Strohmann »deutscher Nazis« stilisiert. Von einem deutschen revanchistischen Komplott gegen Russland ist die Rede.
Der Grund für diese antideutsche Hetze liegt auf der Hand: Selenskyj macht seine fulminante Tour d’Europe. In Berlin wird die deutsch-ukrainische Freundschaft und Partnerschaft hervorgehoben und Selenskyj macht keinen Hehl aus seinem Ziel: Von den westlichen Partnern wird noch mehr Unterstützung erwartet. Dann würde die Ukraine den übermächtigen russischen Feind besiegen.
Mut und Willen Auf seinem Weg nach Paris macht Selenskyj Zwischenstation in Aachen, wo ihm und dem ukrainischen Volk der Karlspreis verliehen wird. In seiner Laudatio würdigt Scholz Mut und Willen der Ukrainer und betont, dass Kiew zu Europa gehöre. Seine Rede schließt er mit dem inzwischen weltweit bekannten Slogan »Slawa Ukrajini!«. Der deutsche Bundeskanzler und »Slawa Ukrajini!«. Ein Skandal? Eine Provokation? Ein symbolisches Zeichen?
Der patriotische Zuruf »Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden« ist der offizielle militärische Gruß der ukrainischen Armee und ist gleichzeitig eines der Symbole des ukrainischen Kampfes gegen die russische Invasion. Seine Geschichte ist ambivalent und geht zurück auf den ukrainischen Kampf für die Unabhängigkeit im frühen 20. Jahrhundert.
Er wurde aber auch von der berüchtigten Organisation ukrainischer Nationalisten unter Stepan Bandera und der antisowjetischen Ukrainischen Aufstandsarmee verwendet. In der russischen Propaganda wird »Ruhm der Ukraine« mit dem Hitlergruß gleichgesetzt.
Durchdachte Politik Olaf Scholz steht für eine vorsichtige und durchdachte Politik. Die Geschichte des Slogans ist dem Bundeskanzler sicher bekannt. Lange wurde ihm und der Bundesrepublik zu viel Rücksicht auf Russland vorgeworfen. Nun lässt Scholz aber russische Befindlichkeiten bewusst außen vor. In diesem Moment geht es ihm allein um die Ukraine. Mit seinem »Slawa Ukrajni!« setzt er Zeichen – und gewinnt viel Sympathie in diesem Land.