Bergung

Schlammschlacht in Köln

Immer wieder senkt der Langarmbagger die Schaufel in das Grundwasser. Kurz darauf hebt sich der Arm wieder und dreht sich mit der gefüllten Schaufel zu der Fläche neben dem Becken. Mehrere Personen mit Helm und Gummistiefeln, in abwaschbarer Schutzkleidung und mit Handschuhen und Schwimmweste ausgerüstet, beginnen die Schlammmasse zu durchwühlen.

»Manchmal werden größere Dokumentenreste gefunden, manchmal ein Aktenblock, manchmal nichts«, erklärt Claudia Tiggemann-Klein, Mitarbeiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln.

U-Bahn Seit Monaten tobt mitten in der Kölner Innenstadt diese Schlammschlacht. Rund um die Uhr sind daran bis zu 40 Personen beteiligt. Es geht um eine nationale Aufgabe: die Bergung jener rund drei Regalkilometer Archivalien, die seit dem 3. März 2009 noch immer unterhalb des Grundwasserspiegels in dem Einsturztrichter liegen.

Damals war das Gebäude, vermutlich wegen des unter ihm verlaufenden U-Bahnbaus, eingestürzt und versunken. Zwei Menschen kamen ums Leben, fast 30 Regalkilometer Archivgut aus 1.200 Jahren wurden schwer beschädigt oder unwiederbringlich zerstört.

Oftmals sind die Archivalien in einem bemerkenswert guten Zustand. »Das liegt möglicherweise daran, dass das Archivgut im Grundwasser nicht mit Sauerstoff in Kontakt treten und es so nicht zu Zersetzungsprozessen kommen konnte«, sagt Tiggemann-Klein.

Seit einigen Wochen gibt es ein zentrales Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum, um die auf etwa 50 Jahre und rund 400 Millionen Euro veranschlagten Wiederherstellungsarbeiten zu bündeln. Nach und nach werden hier die 18 geborgenen Regalkilometer Archivgut wieder zusammengeführt und erfasst.

Das gilt auch für Akten, Dokumente und Zeugnisse jüdischer Provenienz oder im Zusammenhang mit jüdischem Leben stehend. Seine Bedeutung bezieht das Kölner Stadtarchiv schließlich auch aus der Überlieferung und Sammlung von Judaica, die in dieser Dichte und Reichhaltigkeit ein einmaliges Ensemble bilden, so Archivdirektorin Bettina Schmidt-Czaia.

12. Jahrhundert Zu den Dokumenten gehört etwa das sogenannte Judenschreinsbuch aus dem umfangreichen Bestand der Schreinskarten, -bücher sowie -urkunden, die Rechts- und Immobiliengeschäfte seit dem 12. Jahrhundert dokumentieren.

Dieser Bestand ermöglicht einen einzigartigen Einblick in das mittelalterliche Alltagsleben der nachweislich ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen. Das Judenschreinsbuch umfasst 100 Pergamentzettel in hebräischer Sprache, die über den Zeitraum von 1235 bis 1347 berichten – sie gelten als die ältesten überlieferten nichtreligiösen hebräischen Textzeugen des Mittelalters überhaupt.

Unter den über 2.000 Handschriften des Archivs ragt ferner ein medizinischer Traktat aus dem 14. Jahrhundert hervor, der das älteste datierte jiddische Schriftstück überhaupt enthält. Zu nennen ist auch das Familienarchiv Bodenheimer. Dieses ergänzt die Bestände der Central Zionist Archives in Jerusalem und enthält Unterlagen des Mitbegründers des Zionismus, Max Isidor Bodenheimer.

Bedeutend sind auch die Bestände über den aus Köln stammenden Komponisten Jacques Offenbach oder der Nachlass des Bankiers Abraham Schaaffhausen, der der Kölner Wirtschaft durch seine Zusammenarbeit mit Frankreich im 18. und 19. Jahrhundert zu wichtigen ökonomischen Impulsen verholfen hat.

Judenschreinsbuch und Traktat sind geborgen, aber noch nicht wieder benutzbar. Zum Schadensbild lassen sich noch keine genauen Aussagen machen. Über die anderen jüdischen Bestände gibt es kaum Angaben. Schmidt-Czaia: »Wir befinden uns noch in der Phase der Bestandszusammenführung, also dem Zusammenpuzzeln der auf die Asylarchive verteilten Einzelteile.«

Sachsen

Zahlreiche Spenden für Rettung von Synagogen-Relikt

Baumaßnahmen für die Sicherung des Mauerrests sollen im kommenden Frühjahr beginnen

 09.07.2024

Potsdam

Neues Synagogenzentrum vor Einweihung

Zu dem Festakt wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet

 04.06.2024

Berlin

Mehrere Hundert Menschen bei bunter Lag-BaOmer-Parade

Rabbiner Yehuda Teichtal: Starkes Zeichen für fried- und respektvolles Miteinander

 27.05.2024

Boris Schulman

Dieses Jahr ist Jom Haschoa anders

Zum Tag des Gedenkens an die Schoah reflektiert unser Autor die Bedeutung des Heimatbegriffs in Bezug auf Deutschland und Israel

von Boris Schulman  07.05.2024

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Erste Hinweise auf Tatverdächtigen

Für Hinweise, die zur Tataufklärung führen, ist eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt

 06.05.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 07.04.2024

Hannover

Tränen des Glücks

Auf der Damentoilette gibt es eine Schminkorgie, während Backstage auch mal die Gefühle durchgehen. Aber »je näher der Abend, desto geringer die Aufregung«

von Sophie Albers Ben Chamo  31.03.2024

Hannover

»Alle sollen uns hören und sehen!«

Tag zwei der Jewrovision beweist, dass immer noch mehr Energie möglich ist. Nach Workshops und Super-Hawdala geht es zur Kirmes und auf die Zielgerade zur Generalprobe am Sonntagvormittag

von Sophie Albers Ben Chamo  30.03.2024