Pessach

Post aus Ludwigsfelde

Es ist halb elf am Vormittag, ein Lastwagen von DHL fährt auf den Hof der Genshagener Straße in Ludwigsfelde, südlich von Berlin, und liefert die Jüdische Allgemeine an. Hier befindet man sich schon im Kreis Teltow-Fläming – im Grünen, aber auch im Speckgürtel von Berlin. Dutzende Zuliefer-, Transport- und Autofirmen haben hier ihren Sitz, auch die Firma RWFK. Felix Solovei ist einer der beiden Juniorchefs, und er betreut das Packen und Versenden der Pessachpakete, eine gemeinsame Aktion des Zentralrats und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.

Der Tag ist sonnig, aber kalt. In der riesigen Lagerhalle ist es nicht viel wärmer, die Mitarbeiter tragen dicke Pullover und Westen, wenn sie hier die etwa fünf Kilogramm schweren Pakete zusammenstellen. Das Transport- und Logistikunternehmen, das Felix Soloveis Vater vor rund 20 Jahren aufgebaut hat, ist nicht mit den riesigen Hightech-Zentren eines Post- oder gar Amazon-Versandes zu vergleichen.

Rund 50 Kubikmeter
nehmen Beigaben für die
Pakete des Zentralrats ein.

Packordnung Auf Böcken liegt eine etwa zehn Meter lange Platte, darauf stehen dicht nebeneinander Pappkartons. »Wir haben bewusst auf ein Laufband verzichtet und uns alles Notwendige so hingestellt, dass wir logisch und zügig arbeiten können«, sagt Felix Solovei. Sascha, ein etwas fülliger Mitarbeiter Anfang 40, legt zunächst Luftpolster auf den Boden der Kartons, dann die in Krepp eingewickelte Flasche mit Kidduschwein darauf, es kommen eine Dose Gurken, Mazzemehl und ein Kilo Mazze hinzu. Der Platz ist haargenau bemessen.

Obendrauf legen Sascha und sein Kollege Alex eine rote Pessach-Haggada, auf der ein prächtiger Weinkelch abgebildet ist. Und ein persönlicher Brief kommt auch noch dazu. Auf eine Außenseite des Pakets werden dann die verschiedenen Hinweise geklebt, links unten der Barcode, darunter der rote Warnhinweis »Vorsicht Glas«. »Die Leute gehen nicht immer so sachte mit den Päckchen um und werfen sie schon einmal, da ist es schon sicherer, ein Schildchen anzubringen«, erzählt Felix Solovei. Der Gruß von Zentralrat und Zentralwohlfahrtsstelle, »Dein Pessach-Paket«, der auch auf der Weinflasche zu finden ist, klebt rechts oben.

Werbung Sorgfältig stapelt Alex die fast fertiggepackten Kartons noch geöffnet auf Europaletten. Es fehlt nur die Jüdische Allgemeine, die, mit viel Werbung für Mitzvah Day, das Jewish Music Festival, Taglit-Reisen nach Israel und die ZWST versehen, dann obendrauf gelegt wird, bevor die Pakete verschlossen werden. Um 16 Uhr müssen die 74 Sendungen heute fertig sein. Die beiden Kollegen Sascha und Alex liegen gut in der Zeit, es ist noch nicht einmal elf Uhr.

»Viele junge Leute haben wir durch diese Aktion wieder zurück in ihre Gemeinden gebracht«, betont Marat Schlafstein.

»Es ist von Vorteil, dass immer nur kleinere Bestellungen hereinkommen, das kann dann schon einmal einer allein erledigen«, sagt Felix Solovei. Er hat bereits Stoßzeiten hinter sich, da waren es einige Hundert. 1000 Pakete sind in diesem Jahr verschickt worden. »Mit ein bis zwei Tagen Lieferfrist sollten die letzten Pakete dann am Dienstag versendet werden«, erzählt Solovei. In den vier Jahren, seit Felix Solovei und seine Leute den Versand für den Zentralrat erledigen, sind sie immer professioneller geworden.

Früher hatten sie viele Rückläufe, da stimmten die Adressen nicht, oder jemand war nicht zu Hause, um das Paket entgegenzunehmen. »Das ist inzwischen sehr viel besser. Anhand der Codes lässt sich der Versand verfolgen. Von Vorteil ist sicherlich, dass ich auch Jude bin, so muss Marat Schlafstein vom Zentralrat mir nicht viel erklären. Er gibt einfach Bestellungen auf, und wir packen ein, was er haben möchte.«

Geschenk Start der Kampagne war der 1. Februar, die Zeit der Jewrovision, die in diesem Jahr in Frankfurt stattfand. Seitdem können Schüler und Studenten bis zum Alter von 35 Jahren sich Pessachpakete schicken lassen, erzählt Marat Schlafstein, der die Aktion vom Zentralrat aus organisiert. »Schön ist auch, dass viele Eltern oder Oma und Opa auf die Idee kommen und ihre Kinder beziehungsweise Enkel mit den Paketen versorgen«, freut sich Schlafstein.

Mit den Pessachpaketen
können junge Leute
ein koscheres Fest feiern.

Seit den Anfängen vor vier Jahren hat sich die Anzahl der Bestellungen verdoppelt. Waren es 2015 vielleicht 400 oder maximal 500, sind es heute 1000. »Viele junge Leute haben wir durch diese Aktion wieder zurück in ihre Gemeinden gebracht«, erzählt Schlafstein. Der Grund ist etwas kurios. Wenn beispielsweise jemand zum Studium von Regensburg nach Hamburg geht, fällt er aus seiner ursprünglichen Gemeinde heraus. »Jetzt gibt der Student aber als Heimatgemeinde Regensburg an, und die sagen: ›Jonathan Schwarz (Name geändert) ist aber nicht Mitglied bei uns.‹ In dem Fall haken wir nach. Und bei diesen Telefonaten erfahren wir ganz viel über die jungen Leute, vielleicht auch von ihren Problemen, sich koscher zu verpflegen, jüdische Kontakte zu knüpfen und vieles andere mehr.« Schlafstein erfuhr, dass viele gar nicht wussten, dass diese Schüler oder Studenten keiner Gemeinde mehr angehören, und konnte mit seinen Kollegen helfen, die Situation zu verbessern.

»Wir involvieren die Leute wieder ins Gemeindeleben, und das nur durch die Pessachpakete.« Das sei, sagt Schlafstein, doch ein toller Nebeneffekt. Abgesehen davon, dass die Pakete koschere Lieferungen ins Haus sind. »Wir tragen dazu bei, dass sie ein koscheres Fest feiern können.« Derweil werden in Ludwigsfelde die allerletzten Pessachpakete geschlossen.

Doch auch für die anderen jüdischen Feste hat Felix Solovei für Stauraum gesorgt. An den riesigen Regalen verweisen handgeschriebene Zettel darauf, was sonst noch auf dem Programm steht: Sukkot, Purim und »Baby Box Schabbat«. Denn den größten Anteil nimmt das Zentralratsprogramm »Mischpacha« ein. Von den rund 50 Kubikmetern Platz für die Dinge des Zentralrats sind 30 bis 40 Kubikmeter für Mischpacha-Beigaben vorgesehen. Und die laufen das ganze Jahr über.

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