Fraenkelufer

Mufleta mit Schwarzwälder Kirsch

Mimouna ist längst in Berlin angekommen. Das traditionelle Fest zum Ausklang der Pessach-Feiertage ist eigentlich ein Brauch nordafrikanischer Juden. Aber nicht nur in Israel, auch in vielen jüdischen Gemeinden weltweit hat er immer mehr Fans gewonnen – wohl nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Köstlichkeiten, die zu diesem Anlass auf den Tisch kommen. Markiert wird auf diese Weise der Moment, an dem der Verzehr von Chametz nach Pessach wieder erlaubt ist.

Auch in der Synagoge Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg wird Mimouna seit einigen Jahren mit vielen Gemeindemitgliedern und ihren Freunden ausgiebig gefeiert. Doch in Zeiten von Corona fällt diese lieb gewonnene Tradition bedauerlicherweise ins Wasser.

Zoom »Genau deshalb ist Kreativität gefragt«, betont Nina Peretz vom Freundeskreis der Synagoge Fraenkelufer. »Wir haben uns überlegt, was überhaupt möglich ist, und beschlossen, ein wenig Mimouna-Stimmung via Zoom und Facebook allen nach Hause zu bringen.« Und was eignet sich da besser als eine Art Kochshow mit einem versierten Profi am Herd?

Itay Novik ist so einer. Der 44-jährige Israeli, der seit 2011 in Berlin lebt, ist Food-Designer und Gründer des Netzwerks »Elements of Food«, das am vergangenen Donnerstag auch noch seinen fünften Geburtstag feierte. Und für das Mimouna-Kochevent hat sich Novik etwas ganz Besonderes einfallen lassen: eine »Schwarzwälder Mufleta«.

MAROKKO Natürlich erschließt sich so ein Gericht nur den allerwenigsten auf den ersten Blick. Doch für Novik ist es eine Synthese zweier Spezialitäten aus völlig unterschiedlichen Regionen, die eigentlich wenig gemeinsam haben. »Mufleta ist eine Art sefardischer Pfannkuchen, der in Marokko, Algerien oder Tunesien von den dort lebenden Juden immer zu Mimouna gegessen wird«, erklärt der Koch.

Optisch und von seinen Zutaten her erinnert Mufleta stark an Crêpe. Die Zutaten sind ebenfalls Wasser, Mehl und Öl. Normalerweise kommen Honig und Butter dazu. »Doch wir verleihen dem Ganzen jetzt einen Twist«, kündigt Novik an, während eine Kamera auf ihn selbst gerichtet ist und eine weitere auf die Gerätschaften auf dem Tisch vor ihm. »Und da kommt der Schwarzwald ins Spiel.«

Denn eines der international bekanntesten Gerichte aus Deutschland ist die nach dieser Region benannte Torte. »Ich kannte sie bereits als Kind in Israel«, erinnert sich Novik. »Nun kombiniere ich beides.«

In Zeiten von Corona fällt das Fest ins Wasser. Deshalb ist Kreativität gefragt.

Gesagt, getan. Dem Mufleta-Teig wird Kakaopulver zugefügt, dann muss man ihn zu pingponggroßen Bällchen formen und Öl beigeben, bevor alles mit der Handfläche zu dünnen Fladen geformt in eine heiße Pfanne kommt. »Und zwar schichtweise«, zeigt Novic. »Erst wird eine Mufleta auf beiden Seiten gebraten, anschließend kommt die nächste darauf und wird nach kurzer Zeit gewendet. Genauso verfährt man mit den nächsten Fladen. Bis am Ende zehn oder mehr übereinander geschichteter Mufletas in der Pfanne sind.«

Die Schwarzwaldnote erhält das Ganze durch die Zugabe von dem Sirup, der aus dem Glas mit Sauerkirschen abgeschöpft und mit Maisstärke eingekocht wird. »Wenn keine Kinder da sind, kann man gerne auch Schwarzwälder Kirschwasser, einen recht hochprozentigen Obstbrand, dem Sirup beigeben.« Das Resultat wird auf die einzelnen Mufletas gestrichen, die daraufhin wie ein Briefumschlag gefaltet werden. »Obendrauf kommen zum Schluss Schlagsahne und einige Sauerkirschen.«

Knapp 20 Personen folgen dem Prozedere auf der Plattform des Videokonferenzdienstes Zoom. Aber auch via Facebook wird das Event übertragen. »Mehr als 200 Personen haben sich unser virtuelles Mimouna-Fest dort bereits angeschaut, und das in so kurzer Zeit«, sagt Dekel Peretz nicht ohne Stolz am Ende der Kochshow.

Er selbst war übrigens nicht nur Zuschauer des Ganzen, sondern hat parallel in der Küche der Synagoge Fraenkelufer auch versucht, die Schwarzwälder Mufleta nachzukochen – ebenfalls live und auf Zoom. Und das sehr zur Unterhaltung aller Beteiligten. Denn mit der Geschwindigkeit des Profis Schritt zu halten, war schon eine Herausforderung. Doch die Schwarzwälder Mufleta 2.0 konnte sich sehen lassen.

POTENZIAL Auch bei den Zuschauern, viele davon Beter der Synagoge Fraenkelufer, stieß die Veranstaltung auf ein positives Echo. »Für mich kommt das Schwarzwälder Mufleta-Event direkt hinter dem Schabbatgottesdienst mit einem Chasan aus Sao Paulo, dem ich kürzlich beiwohnen durfte«, schwärmt Marguerite Marcus. »Unabhängig von der aktuellen Krise betrachte ich die Nutzung solcher Online-Angebote für mich persönlich als eine wunderbare Möglichkeit, weltweit an Veranstaltungen teilzunehmen.«

Das Community-Gefühl wird auf diese Weise aufrechterhalten und gestärkt.

Auch sieht sie ein großes Potenzial darin. »Man erhält auf diese Weise einen Zugang zu den verschiedensten Koch­traditionen in der jüdischen und der islamischen Welt, der sonst wohl kaum möglich wäre«, sagt die Beterin. Dabei denkt sie auch ganz praktisch. »In der Küche vom Fraenkelufer kann aus Platzgründen nur eine begrenzte Zahl von Personen gemeinsam kochen. Zoom oder andere Plattformen erlauben da deutlich mehr Teilnehmer.«

Auch haben Veranstaltungen dieser Art eine authentische Note. Alles wirkt ein wenig improvisiert, was mitunter dem Unterhaltungswert zugutekommt – wie zum Beispiel Noviks Katze in der Küche, die sich plötzlich durch lautes Miauen bemerkbar macht. »Normalerweise ist Mimouna ein großes und lautes Fest am Fraenkelufer«, ergänzt die ebenfalls auf Zoom anwesende Sarah Behrnd. »Immer gibt es dort auch Mufleta zu essen.«

PIZZA Bei virtuellen Veranstaltungen – wie jetzt zum Ende von Pessach – wird man aber nicht einfach nur unterhalten. »Auch das Community-Gefühl wird auf diese Weise aufrechterhalten und gestärkt.« Die Kombination von virtuellem Treffen und Essenszubereitung findet Sarah Behrnd gut. »Viele verbringen jetzt so wie ich deutlich mehr Zeit als sonst in den eigenen vier Wänden, und die wird häufig zum Kochen benutzt«, so ihre Beobachtung. Aber nicht an diesem Mimouna. »Ich habe mir ganz klassisch Pizza bestellt.«

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024