Jüdisches Leben in Marburg reicht bis ins Mittelalter zurück. Die erste Marburger Synagoge wurde um 1280 in der Judengasse, heute Schlosssteig/Willy-Sage-Platz, erbaut. Bei Baumaßnahmen zufällig entdeckt, sind ihre Fundamente dort heute unter einem Glaskubus zu sehen. Gleichsam amtlich bestätigt wird die Existenz dieser Synagoge erstmals in einer Urkunde vom 15. Mai 1317. Die Urkunde gilt nicht dem Gotteshaus, sondern es tritt hier eher zufällig ins Rampenlicht der Geschichte: In einem privaten Kaufvertrag dient es als topografischer Orientierungspunkt für das veräußerte Grundstück, welches der Synagoge gegenüberliegt.
Um dem Rechtsgeschäft besondere Glaubwürdigkeit zu verleihen, wird es von Marburger Schöffen bezeugt und von der Stadt besiegelt. Das Judentum erlebte in den folgenden Jahrhunderten wechselvolle Zeiten, blieb jedoch ein die Stadt prägendes Element. Einen sichtbaren Höhepunkt in seiner Geschichte stellte die Errichtung der repräsentativen Synagoge von 1897 in der Universitätsstraße dar, seinen Tiefpunkt die Vertreibung und Vernichtung durch den Nationalsozialismus, die mit der Brandstiftung und Sprengung dieser Synagoge begann. Erst langsam entstand nach 1945 wieder jüdisches Leben in der Stadt, heute prägt es die Stadtkultur erneut in vielfältiger Weise.
Seit Anfang 2003 hat die Jüdische Gemeinde Marburg ein neues Zuhause im ehemaligen AOK-Gebäude in der Liebigstraße im Marburger Südviertel bekommen. Da das Gemeindehaus am Pilgrimstein durch den kontinuierlichen Zuwachs an Gemeindemitgliedern in den letzten Jahren viel zu klein geworden war, sind größere Räume dringend notwendig. Durch die großzügige Unterstützung der Stadt konnte das Gebäude nun für die Jüdische Gemeinde erworben werden.
Heute gibt es daher in Synagoge und Kulturzentrum der Jüdischen Gemeinde genügend Platz für das Gemeindeleben und für das vielfältige kulturelle Angebot der Gemeinde. Denn Judentum ist schließlich nicht nur eine Religion, sondern eine der ältesten Kulturen der Welt. Und das neue Gemeindehaus soll auch als Stätte der Begegnung und des Miteinanders dazu beitragen, mehr darüber zu vermitteln.