Der Name scheint Programm. Vor dem Café »Kraft« im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg trifft sich wie jeden Dienstag am frühen Abend eine bunt zusammengewürfelte Truppe im Trainings-Outfit: die Kraft-Runners. Langsam, aber sicher füllt sich der Platz mit den Freunden des Laufsports.
Die Mehrheit von ihnen dürfte zwischen Anfang 20 und 40 Jahre alt sein, darunter auch viele Neu-Berliner Hipster. Überall hört man Englisch oder Französisch. Mit dabei ist auch Shlomo Afanasev, Rabbiner von Kahal Adass Jisroel sowie Dozent für Halacha am Rabbinerseminar der Hauptstadt. »Normalerweise laufen wir nur dienstags«, erklärt der 37-Jährige, während er immer wieder herzlich alte Bekannte begrüßt. »Aber so kurz vor dem Berlin-Marathon am 16. September intensivieren wir natürlich unser Trainingsprogramm und haben nun donnerstags und sonntags zusätzliche Trainingseinheiten eingeführt.«
Bis zu 100 Personen joggen an Tagen wie diesem gemeinsam durch die Straßen. Mal geht es zum benachbarten Mauerpark, mal in den etwas entfernter gelegenen Humboldthain. »Schließlich sind die Kraft-Runners eine der größten Laufgruppen in Berlin«, sagt Afanasev. Es gibt sogar eine eigene Webseite sowie eine WhatsApp-Gruppe, wo alle Mitglieder miteinander vernetzt sind und sich über aktuelle Termine informieren können.
kondition »Mal sehen, was heute auf dem Programm steht«, sagt Afanasev. »Ich tippe auf ein Intervall-Training.« Im Unterschied zum klassischen Joggen, bei dem man die gesamte Distanz über im gleichen Tempo unterwegs ist, wechseln sich dabei schnelle Abschnitte mit sogenannten Erholungsphasen ab, in denen es deutlich gemächlicher zugeht. Das hilft, Kondition aufzubauen.
»Die Tempophase bei uns beträgt 600 Meter. Und die sollte so oft gelaufen werden, wie man kann.« Auf diese Weise bereiten sich die Kraft-Runners auf die 42,195 Kilometer lange Strecke des Berlin-Marathons vor. »Wichtig ist, sich vor dem ersten Intervall gut aufzuwärmen«, sagt der Rabbiner. Dabei ist Shlomo Afanasev alles andere als ein alter Hase, wenn es um Marathon oder Wettkämpfe geht.
Denn erst vor knapp vier Jahren hat ihn der Laufvirus erwischt. »Am Anfang ging es mir einfach nur darum, fitter zu sein«, berichtet der 1981 im usbekischen Taschkent geborene Rabbiner, der 2002 mit seinen Eltern nach Deutschland kam. Schließlich bringt die Arbeit als Rabbiner nicht unbedingt viel Bewegung mit sich.
ehrgeiz »Dann aber packte mich der Ehrgeiz. Aus einigen Kilometern wurde schon bald ein Halbmarathon.« Nun läuft er selbst Distanzen wie die Marathonstrecke ohne größere Probleme. Damit ist das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht. Aktuell bereitet sich Shlomo Afanasev auch auf den Triathlon vor – eine Ausdauersportart, die aus den Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen besteht.
»Aber das eigentliche Ziel lautet: Ironman.« Dabei sind eine Schwimmstrecke von 3,86 Kilometern, eine Radfahretappe von 180,2 Kilometern sowie ein Marathonlauf zu bewältigen. Natürlich alles hintereinander. Warum er dabei in einer Laufgruppe wie den Kraft-Runners trainiert, hat seine Gründe. »Man ist nicht allein und pusht sich gegenseitig. Die positiven psychologischen Effekte sollten nicht unterschätzt werden.«
Auch andere Mitglieder der Kahal Adass Jisroel sind mit von der Partie. So wie Pasha Lyubarskyy. Er fing vor etwa eineinhalb Jahren mit dem Joggen an. »Ich war früher nie so der sportliche Typ«, erzählt der 39-Jährige. »Aber das gemeinsame Laufen in der Gruppe hat in der Tat eine sehr motivierende Wirkung. Man wird dabei zum Teamplayer.« Heute freut sich Lyubarskyy über seine hervorragende Kondition.
sohn Zudem ist das Ganze keine Frage des Alters. Shlomo Afanasevs neun Jahre alter Sohn Eli macht ebenfalls mit. »Er schafft schon 15 Kilometer in der Woche«, sagt der stolze Vater. »Mir macht das vor allem ganz viel Spaß«, erklärt Afanasev junior.
Es wird 19 Uhr, und nun geht es denn auch los. »Wir machen heute ein Intervall-Training«, verkündet jemand von den Kraft-Runners, der zugleich auch eine USB-Lautsprecherbox bei sich trägt, über die Musik gespielt wird. Und allmählich setzen sich alle Läufer in Bewegung und joggen die Behmstraße Richtung Humboldthain entlang. Auf dem Bürgersteig wird es zwar eng, aber überraschenderweise kommt es zu keinerlei Durcheinander oder Kollisionen mit Fußgängern. Und wer läuft in der Spitzengruppe allen voran? Der Rabbi mit seinem Sohn.