München

Hoffnung als Heldenmut

Bei der Gedenkstunde zum Jom Haschoa in der Ohel-Jakob-Synagoge am vergangenen Sonntag erinnerte in diesem Jahr die Zeitzeugin Henny Brenner an das Schicksal der Juden während der Schoa. Sie selbst hatte diese Zeit in ihrer Geburtsstadt Dresden überlebt.

»Dieser Tag soll uns daran erinnern, dass wir in einer besonderen Zeit leben«, sagte der IKG-Gastrabbiner Israel Meir Levinger zwischen Mincha und Ma’ariv. Gedenken und Erinnern gehöre zu den grundlegenden Traditionen des Judentums. »Die Schoa soll uns lehren, dass wir das Judentum wieder aufbauen müssen, damit unser Volk auch überleben wird«, unterstrich Levinger.

zukunft »Wir wurden entlang der Geschichte immer wieder verfolgt – aber welches Maß das erreichen kann, haben wir erst lernen müssen«, führte Rabbiner Levinger weiter aus. Seine Einführung schloss er mit einem Appell und positiven Ausblick: »Am Israel Chai! Das jüdische Volk lebt weiter – und wird weiter leben!«

»Jeder Mensch hat einen Namen, der ihm von Gott gegeben wurde, den ihm gaben sein Vater, seine Mutter« – mit diesem Gedicht, mit Liedern und Zitaten erinnerten dann Jugendliche an die ermordeten Juden. Die Gruppe aus dem Jugendzentrum der IKG wurde unterstützt von jungen Menschen von Beth Shalom. Die beiden jüdischen Gemeinden Münchens hatten gemeinsam zur Gedenkstunde eingeladen.

Rabbiner Tom Kucera von Beth Shalom bezeichnete in seiner Einführung den Jom Haschoa zugleich auch als Jom ha-Gewura: »Gewura bedeutet Heldenmut, Heldentaten. Wie passt das zusammen?«, fragte Kucera. Seine Erklärung: Die Menschen in den Konzentrationslagern hätten tagtäglich die Hoffnung aufs Überleben neu erringen müssen, für ihn eine Heldentat.

Todesgefahr Diese Haltung sprach der Rabbiner auch Henny Brenner, geborene Wolf, zu: »Sie sind ein großes Beispiel dieser Gewura. Als junges Mädchen haben Sie dreieinhalb Jahre mit dem gelben Stern in Dresden gelebt. Als Gebrandmarkte wurden Sie tagtäglich bedroht und schwebten in Todesgefahr.«

Im Anschluss ging Brenner ans Rednerpult – und zog die Zuhörer sofort in ihren Bann. Sie verstand es, aus ihrem persönlichen Leben und Empfinden zu berichten, ohne eine bloße Selbstdarstellung zu liefern. »Mein Überleben hat sich nicht in einem KZ abgespielt, ich habe in Deutschland überlebt«, erklärte Henny Brenner. Die 1924 in Dresden geborene Tochter einer jüdischen Mutter und eines evangelischen Vaters wurde von Geburt an jüdisch erzogen.

Kindheit und Volksschulzeit verliefen »ganz normal«, wie sie sagte. In der Gymnasialzeit änderte sich dann aber einiges. Hatten die drei jüdischen Mädchen in der Klasse zunächst noch alles mitmachen dürfen, wurden sie nach und nach ausgegrenzt. Ein Einschnitt war für Henny Brenner auch die »Arisierung« des Kinos ihres Vaters.

Bald darauf musste Familie Wolf aus ihrem Haus ausziehen. Auch hier machte sich das empfindsame Gespür des Mädchens bemerkbar: Bei allen Unbilden sei es ihrer Familie noch vergleichsweise gut gegangen, unterstrich sie. Die Familie bekam eine eigene Wohnung zugeteilt, andere jüdische Freunde wurden in sogenannten Judenhäusern zusammengepfercht.

Überleben Haus und Kino hätte der Vater zurückbekommen können, teilten ihm die NS-Behörden mit. Einzige Voraussetzung: Er müsse sich scheiden lassen. Genau das tat er nicht, er hielt zu Frau und Tochter. Brenner erinnert sich noch heute an seine Worte: »Entweder überleben wir zu dritt – oder nicht.«

Sie setzte hinzu: »Wir haben alle drei überlebt.« Einfach war das nicht. Die Familie musste sich die Lebensmittelration des Vaters teilen. Davon sparte er auch noch einen Teil für Verwandte in Berlin ein. Diese Familie überlebte allerdings nicht, ihr Versteck war verraten worden.

Das war Henny Brenner als junger Frau ebenso bewusst wie das Schicksal der Deportierten. Ihrer Mutter und ihr stand das im Februar 1945 auch bevor. Nur die Dresdner Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar gab der Familie die Chance zum Untertauchen. Doch noch lagen drei Monate bis zur Befreiung vor ihnen. »Ein Vierteljahr kann sehr lang sein«, sagte Brenner. Gleichzeitig denkt sie an ihre Verwandten in Berlin – die waren zwei Jahre versteckt: »Zwei Jahre, da kann man den Verstand verlieren!«

Auch der Schlusssatz ihrer Autobiografie widmet sich dem Gedenken der Schoa-Opfer. Wenn sie ihre Heimatstadt besucht, weiß sie immer: »Die Menschen, aus denen ›mein Dresden‹ bestand, sind nicht mehr zurückgekehrt.«

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