Osnabrück

Hochzeit mit der Gemeinde

In einen Mantel aus dunkelgrünem Samt gehüllt, wird sie von Kantor Avraham Serf behutsam in den Aron Hakodesch gehoben: Die Torarolle, die vom Gemeindevorsitzenden Michael Grünberg und Gemeinderabbiner Avraham Radbil vor zwei Wochen aus Jerusalem geholt worden war, hat damit am Sonntagnachmittag ihren endgültigen Bestimmungsort in der Osnabrücker Synagoge erreicht.

Kurz zuvor hatten sich Gemeindemitglieder und Ehrengäste in der Wohnung von Rabbiner Radbil getroffen, um die 24 letzten Buchstaben der neuen Rolle zu ergänzen. Brandenburgs Landesrabbiner Shaul Nekrich trug sie feinsäuberlich mit spitzer Feder auf dem Pergament nach. Die Rolle selbst war von Raw Eisenbach in Israel geschrieben worden.

Kaum ist die Tinte trocken, wird die neue Sefer unter der Chuppa durch Osnabrücks Straßen zum Gemeindezentrum gebracht. Ein fröhlicher Zug, immer wieder klingen die Gesänge und »Mazal tow«-Rufe durch die ruhige Wohngegend. Einer, der die ehrenvolle Aufgabe hat, die Rolle einen Stück des Weges zu tragen, ist Lothar Nathan Dreschner. Seit rund 40 Jahren ist er bereits Mitglied der Osnabrücker Gemeinde, erzählt der 73-Jährige und schwärmt: »Dieser Tag ist der schönste«.

Spenden Dreschner ist einer von vielen Osnabrückern, die für die neue Rolle gespendet haben, auch der Landesverband hat einen Zuschuss gegeben. Der Gemeindevorsitzende Michael Grünberg dankt dafür. »Die Einweihung einer neuen Torarolle ist etwas ganz Besonderes«, sagt er und betont, dass an diesem Tag gleichzeitig die Amtseinführung des neuen Rabbiners gefeiert wird. Avraham Radbil ist nach seiner Ordination am Rabbinerseminar zu Berlin und den Anstellungen als Assistenzrabbiner in Köln und Gemeinderabbiner in Freiburg nun seit rund acht Monaten in Osnabrück tätig.

Hier leitet er jetzt die Synagogenfeier, die mit Segenssprüchen und Gebeten von Kantor Baruch Chauskin sowie mit musikalisch gestalteten Psalmen- und Gebettexten von den Rabbinern Zsolt Balla und Daniel Fabian begleitet wird.

Antisemitismus Präsidiumsmitglied Abraham Lehrer gratuliert im Namen des Zentralrats der Juden: »Wir sind heute hier auf einer Hochzeit, Gemeinde und Torarolle werden vereint«. Ein schöneres Fest könne es nicht geben, sagt er, und fügt in Abwandlung des vom ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau benutzten Satzes hinzu: »Wer eine Torarolle in eine Synagoge bringt, der will bleiben.«

Allerdings, so Lehrer, seien immer mehr Gemeindemitglieder angesichts judenfeindlicher Vorgänge der letzten Zeit verunsichert. Lehrer verweist auf den aktuellen Vorfall aus Dortmund, wo ein Ratsmitglied der Rechten offiziell Informationen über Juden in der Stadt einfordert. Es sei an der Zeit, endlich konsequent gegen Antisemitismus vorzugehen, mahnt Lehrer: »Wir erwarten Schutz für unsere Häuser und unsere Torarollen.«

Neben vielen Rabbinern – unter anderem aus Berlin, Duisburg, Hanau und Leipzig – sind auch andere geistliche Würdenträger zur Feier gekommen, allen voran Bischof Franz-Josef Bode vom Bistum Osnabrück. Der merkt in seinem Grußwort an, dass sich keiner der innigen Freude und Leidenschaft entziehen könne, »mit der die Tora in die Mitte der Gemeinde hineingenommen wird«. Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert verweist darauf, dass in der Stadt das Leitbild der religiösen Toleranz und der lebendige Dialog zwischen und mit den Religionen große Bedeutung habe.

erinnerung In den Reden und Grußworten kommt immer wieder ein Name vor: Mark Stern sel. A. Die Idee und Inspiration, dass die Rolle geschrieben werden sollte, sei schon rund 20 Jahre alt, und sie stamme vom ehemaligen Gemeinderabbiner. Gemeindevorsitzender Michael Grünberg würdigt den Geistlichen, der von 1994 bis 2005 in Osnabrück amtierte: »Er hat uns begleitet, das war ein großes Glück für die Gemeinde.«

Rabbiner Avraham Radbil ergänzt: »Auch wenn er schon zehn Jahre nicht mehr bei uns ist, ernten wir immer noch heute die Früchte, die er gesät hat.« Zuletzt erinnert auch Rabbiner Joshua Spinner, Direktor des Rabbinerseminars zu Berlin, an den »Rabbiner mit Leidenschaft fürs Toraleben und Toralernen«.

Der hebräische Name von Rabbiner Mark Stern, Haraw Shlomo Itzhak, ist auf dem dunkelgrünen Samt des Toramantels mit silbernem Faden aufgestickt. Die Rolle ist seinem Andenken gewidmet.

 

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