Bildung

Hier geht’s zum Abitur

Schultüten für die Großen: Vergangene Woche nahm das Albert-Einstein-Gymnasium in Düsseldorf seinen Lehrbetrieb auf. Foto: Alexandra Roth

Pünktlich zum Beginn des Schuljahres hat in Düsseldorf das neue jüdische Albert-Einstein-Gymnasium seine Fünftklässler begrüßen können, in wenigen Tagen wird es auch in München so weit sein. Die Zahl jüdischer Schulgründungen in Deutschland nimmt weiter zu – und mit ihnen die Möglichkeit, an einer weiterführenden jüdischen Schule das Abitur zu machen.

Am Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin beispielsweise haben inzwischen bereits mehrere Hundert Schüler das Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife entgegengenommen. Im kommenden Schuljahr wird es in der Stadt zudem die Möglichkeit geben, an der Jüdischen Traditionsschule Or Avner, die sich in Trägerschaft von Chabad Lubawitsch befindet, das Abitur zu absolvieren. In Hamburg werden in gut dreieinhalb Jahren die jetzigen Zehntklässler der Stadtteilschule, deren Träger die Jüdische Gemeinde ist, zu ihrer Abifeier bitten, dann folgen in voraussichtlich acht Jahren die Absolventen des Jüdischen Gymnasiums Düsseldorf und einige Wochen später die des Jüdischen Gymnasiums München.

düsseldorf Fast 40 Kinder drücken seit ein paar Tagen am Düsseldorfer jüdischen Gymnasium Albert Einstein die Schulbank. Die Fünftklässler sind der erste Jahrgang der Schule. Derzeit sind sie in einem Bürogebäude an der Theodorstraße im Stadtteil Rath untergebracht. So gut wie alle kommen von der Yitzhak-Rabin-Grundschule, aber es sind auch zwei nichtjüdische Kinder unter den Neuanfängern. »Wir sind offen für Schüler aller Konfessionen«, sagt Michael Bock, der Gründungsdirektor des Ganztagsgymnasiums. Mit zwei Klassen und zehn Lehrern ist die Schule an den Start gegangen. »Die Gemeinde war sehr großzügig, weshalb wir uns mehr Pädagogen leisten können, als der Betreuungsschlüssel vorgibt.« Insgesamt 700 Schüler sollen es einmal werden – die jüdische Grundschule zählt bereits 170.

Unterrichtet wird nach dem Rahmenplan Nordrhein-Westfalens im »G8-Modus«, der insgesamt zwölf Jahre Schulzeit bis zum Abitur vorsieht. Hebräisch wird neben Englisch als verbindliche Fremdsprache für alle Kinder ab der fünften Klasse angeboten. Die Hebräisch- und Religionslehrer unterrichten wöchentlich zwei Stunden Religion. Sobald sich zwölf Kinder einer anderen Konfession finden, deren Eltern einen entsprechenden Religionsunterricht wünschen, soll dieser zusätzlich angeboten werden.

Jede Klasse verfügt über einen großen und einen kleineren Unterrichtsraum, in dem differenziert und dem Leistungsstand der Kinder entsprechend gearbeitet werden kann. Im ersten Halbjahr wird zudem getestet werden, wo jeweils die Stärken und Schwächen der Kinder liegen, ab dem zweiten sollen die Schüler dann in zwei gleich starke Klassen eingeteilt werden.

Die koscheren Mahlzeiten werden von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf angeliefert und vor Ort zubereitet. Gegessen wird gemeinsam in der Mensa im Erdgeschoss des Gebäudes.

Eine Elternvertretung wird in den kommenden Wochen auf den Elternabenden gewählt. Und schon bald will die Schule einen Tag der offenen Tür anbieten. »Wir würden auch jetzt noch Schüler aufnehmen – unsere Grenze liegt bei 27 Kindern pro Klasse«, führt der Schulleiter Michael Bock aus. Er hofft, dass im nächsten Schuljahr die Nachfrage noch weiter steigen wird und das Gymnasium zahlreiche Neuanmeldungen erhält. In Nordrhein-Westfalen beginnt der Anmeldezeitraum für weiterführende Schulen Ende Januar und endet – je nach gewählter Schulform – spätestens im März. Dabei will Bock auch Kinder mit einer sogenannten Realschulempfehlung berücksichtigen. »Unsere Aufgabe ist es ja, sie fit fürs Abitur zu machen.« In vier bis fünf Jahren will die Schule dann an den geplanten Standort an der Borbecker Straße in einen Neubau umziehen. Mit den Planungen dafür soll schon bald begonnen werden.

münchen Am 13. September beginnt auch für die Fünftklässler des neuen Jüdischen Gymnasiums in München das Schuljahr 2016/17. Träger des Gymnasiums ist die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern. Damit geht ein lange gehegter Wunsch der Eltern und Kinder der Sinai-Grundschule in Erfüllung, auf deren Betreiben es zur Schulgründung kam. Zehn Lehrkräfte werden den Unterricht gestalten. Hebräisch und Religion gehören dabei ebenso zum Angebot wie das gemeinsame Begehen der Feiertage. Analog zur Sinai-Schule wird das jüdische Profil des Gymnasiums mit dem Fach Jüdische Literatur und Geschichte geschärft.

Das achtjährige Ganztagsgymnasium (G8) mit mathematisch-naturwissenschaftlich-technischer Ausrichtung folgt dem Konzept der gebundenen Ganztagsschule. In den kommenden zwei Schuljahren ist die Schule in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde am St.-Jakobs-Platz beheimatet. Das koschere Essen wird direkt vom Restaurant »Einstein« geliefert, in der Mensa wird gemeinsam gegessen. Aber auch das Münchner Gymnasium hat schon jetzt Umzugspläne: Ab dem Schuljahr 2018/19 sollen die Schüler in der Reichenbachstraße, dem früheren Sitz der Gemeinde, unterrichtet werden.

Wie alle Bildungseinrichtungen der Kultusgemeinde steht das jüdische Gymnasium auch nichtjüdischen Kindern offen. »Das ist eine bewusste Entscheidung der Gemeinde. Gerade auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch ist es ein Anliegen, dass die Kinder von klein auf ein selbstverständliches Miteinander unterschiedlicher Kulturen erleben und selbst bemerken, dass der vermeintlich andere gar nicht anders ist«, erläutert Pressereferent Aaron Buck. Zudem werden – ähnlich wie in Düsseldorf – auch Schüler aufgenommen, die noch keine Gymnasialempfehlung erhalten, bei einem Vorstellungsgespräch aber einen entsprechenden Eindruck hinterlassen haben. Der erste Schultag in knapp zwei Wochen wird zunächst eher im kleinen Rahmen begangen werden, denn »da sollen unsere Schüler im Mittelpunkt stehen«, ergänzt Aaron Buck.

frankfurt An der Lichtigfeld-Schule gibt es derzeit ebenfalls Umzugspläne: Denn damit Platz für die gymnasiale Oberstufe geschaffen werden kann, muss die Grundschule ausziehen, sagt Direktorin Noga Hartmann. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt, Trägerin der Schule, hat schon grünes Licht für einen Neubau gegeben, und in diesen Tagen geht der Architekt mit seinen Plänen ein und aus. Die jetzige achte Klasse wird die erste Klasse in der Oberstufe sein und im Schuljahr 2020/21 die Abschlussprüfung ablegen. Bis es allerdings so weit ist, müssen sich die Schüler nach der neunten Klasse ein Gymnasium suchen, um dort das Abitur machen zu können.

Auch die Lichtigfeld-Schule unterrichtet nach dem G8-Modell. Derzeit besuchen etwa 400 Kinder und Jugendliche die Ganztagsschule und werden von mehr als 65 Lehrern und Pädagogen betreut. »Die Jüdische Gemeinde unterstützt uns moralisch und finanziell«, so Hartmann. Hebräisch- und Religionsunterricht ist für alle verbindlich, auch für die nichtjüdischen Kinder. Ebenso werden die Feiertage gemeinsam begangen.

Die Klassen setzen sich aus maximal 22 Kindern zusammen. Über das normale Lehrangebot hinaus bietet die Schule Arbeitsgemeinschaften wie Fechten, Trommeln, Chor, Orchester, Schach, Tänze und eine AG Schülerzeitung an. Ergänzt werden diese zusätzlich durch wechselnde Projektangebote während des laufenden Schuljahres.

hamburg In etwa dreieinhalb Jahren werden die Schüler der Joseph-Carlebach-Schule, einer Stadtteilschule in Hamburg, für ihre Abiturprüfungen pauken. In diesem Bildungshaus lernen die Kinder gemeinsam von der Kita bis zum Abitur. In der Stadtteilschule werden über neun Jahre hinweg die Jahrgangsstufen 5 bis 13 unterrichtet. »Damit bleibt unseren Schülern ein Jahr mehr Zeit«, sagt Stefanie Szczupak, Vorstandsmitglied und Schuldezernentin der Jüdischen Gemeinde Hamburg, die Trägerin der Schule ist. 160 Schüler lernen dort bereits, darunter auch Kinder anderer Konfessionen.

Da sowohl ein autistisches Kind als auch einige Jugendliche mit Förderstatus unterrichtet werden, sind an der Joseph-Carlebach-Schule neben Pädagogen speziell ausgebildete Schulbegleiter im Einsatz. »Leider können wir keine körperbehinderten Schüler aufnehmen, da sich die Schule in einem alten Gebäude befindet, das nicht barrierefrei ist«, bedauert Stefanie Szczupak. Wegen der Denkmalschutzauflagen sei kein Umbau möglich.

»Wir sind staatlich anerkannt und somit den Bildungsplänen Hamburgs verpflichtet.« Neben den vorgeschriebenen Kernfächern wie Deutsch, Mathematik und Englisch gibt es Religions- und Hebräischunterricht. Auch die Feiertage begeht man gemeinsam, die Schüler treffen sich zum Morgengebet und feiern Schabbat. Für die Verpflegung mit koscherem Essen ist ebenfalls gesorgt. Die im Aufbau befindliche Stadtteilschule wirbt auf ihrer Webseite für ein offenes Lernkonzept mit mehr Zeit und weniger Druck und möchte Eltern und Schüler zur Mitarbeit einladen und motivieren: »Freie Bahn für frische und gewinnbringende Ideen. Kurz: Hier gibt es jede Menge Potenzial zur aktiven Mitgestaltung.«

berlin Auch die Traditionsschule Or Avner würde gerne umziehen und sich vergrößern. Pläne gibt es schon lange, nur bisher fehlte das Geld. Vier Schüler werden voraussichtlich im kommenden Jahr dort ihr Abitur ablegen. Die Einrichtung wurde von Chabad Lubawitsch 2005 als Grundschule gegründet und begann den Unterrichtsbetrieb damals mit einer Handvoll Kindern. Mittlerweile zählt sie mehr als 170 Schüler. Vor wenigen Jahren erst wurde der Lehrbetrieb durch das Ganztagsgymnasium im G8-Modus ergänzt. Die Schule stehe Kindern aller jüdischen Strömungen offen, erklärt Direktorin Heike Michalak das Konzept.

Deutschlands erstes jüdisches Gymnasium, das Berliner Gymnasium Moses Mendelssohn, hat sich seit nunmehr 23 Jahren erfolgreich in der Schullandschaft etabliert. Bis vor Kurzem noch bot die Einrichtung in der Großen Hamburger Straße die einzige Möglichkeit, an einer jüdischen Schule in Deutschland das Abitur abzulegen. Sie ist eine staatlich anerkannte Privatschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, deren Lehrplan ebenfalls auf den G8-Modus ausgerichtet ist.

»Mit ihrem Unterricht in Hebräisch und Jüdischer Religionslehre ist sie ein Zeichen für gelebtes Judentum in der Berliner Bildungslandschaft«, heißt es auf der Webseite der ehemaligen Jüdischen Oberschule. Insgesamt werden dort 450 jüdische und nichtjüdische Schüler gemeinsam unterrichtet, einige bereits ab Jahrgangsstufe fünf. Die Klassenstärke liegt derzeit bei 24 Schülern. Unabhängig von der eigenen Religion nehmen alle am jüdischen Religions- und Hebräischunterricht sowie an einem koscheren Mittagessen teil und begehen die jüdischen Feiertage.

Auch in der Beth-Zion-Schule, die 2008 eröffnet wurde und deren Träger die Lauder Foundation ist, soll langfristig eine gymnasiale Oberstufe eingeführt werden, in drei Jahren wird es voraussichtlich so weit sein. Im kommenden Frühjahr werden nun erstmals zwei Schüler den Mittleren Schulabschluss absolvieren. Für das Abitur müssen sie aber einstweilen noch an eine andere Einrichtung wechseln.

Die Anmeldungen an den Gymnasien finden je nach Bundesland von Januar bis März statt. Alle Schulen nehmen unter bestimmten Bedingungen aber auch Kinder während des laufenden Schuljahres auf, beispielsweise wenn eine Familie aus Israel nach Deutschland kommt. Nähere Informationen zu den Gymnasien finden sich auf deren Webseiten.

Berlin: www.josberlin.de, www.chabadberlin.de, www.lauderschule.de
Frankfurt: www.lichtigfeld-schule.de
Hamburg: www.jcsh.de/JCSBH/STS.html
München: www.ikg-m.de/schule-und-erziehung/weiterfuehrende-schule-privates-juedisches-gymnasium-muenchen/

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