Frankfurt

Gelehrte, Bürger, Mäzene

Felix Semmelroth, Andrei Mares, Salomon Korn, Werner Müller-Esterl, Christian Wiese (v.l.) Foto: Rafael Herlich

Viele Namen von Professoren und Instituten sind Legende. Der Medizin-Nobelpreisträger Paul Ehrlich hat hier geforscht, der Physik-Nobelpreisträger Otto Stern und sein Kollege Max von der Laue. Der Psychoanalytiker Erich Fromm arbeitete am berühmten Institut für Sozialforschung, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zählten zu den Hauptvertretern der Frankfurter Schule. Sie waren Pioniere, die der Frankfurter Goethe-Universität zu ihrem Weltruf verhalfen und doch auch Zeugen wurden für deren unrühmliches Scheitern in der NS-Zeit.

Mit dem »Frankfurter Modell«, der Gründung der ersten freien Universität Deutschlands vor 100 Jahren, und ihren jüdischen Stiftern und Gelehrten befasste sich drei Tage lang ein Symposium, das von der Universität, der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, dem Jüdischen Museum sowie der Judaica- und Hebraica-Abteilung der Universitätsbibliothek veranstaltet wurde. Auftakt war am Sonntag in der Jüdischen Gemeinde.

Bedeutung Werner Müller-Esterl, Präsident der Goethe-Universität, bezeichnete die Geburtstagsfeier für die Universität in der Jüdischen Gemeinde als ein »schönes Geschenk und eine große Geste«. Müller-Esterl und Felix Semmelroth, Frankfurter Kulturdezernent, hoben die Bedeutung der jüdischen Stifter und ihres finanziellen und ideellen Engagements hervor, ohne das es 1914 nicht zur Gründung der Universität gekommen wäre.

Der jüdische Industrielle Wilhelm Merton und Oberbürgermeister Franz Adickes waren damals die Hauptkräfte hinter der bis dahin einmaligen Idee einer Stiftungsuniversität, die unabhängig sein sollte, an der es erstmals keinen Lehrstuhl für Theologie geben und an der auch für jüdische Dozenten und Studenten eine wissenschaftliche Karriere möglich sein sollte.

Schon im Gründungsjahr und trotz Beginn des Ersten Weltkriegs schrieben sich 618 Studenten ein. »Frankfurt«, so Müller-Esterl, »galt schnell als die modernste und liberalste Universität in Deutschland« – und ab 1933 als die am meisten »verjudete« Hochschule, die mit aller Härte »gesäubert« werden sollte. 109 jüdische Professoren, ein Drittel des Lehrkörpers, wurden entlassen.

zwiespältig »Die Entstehung der Universität lässt ahnen, was möglich gewesen wäre, hätte man die antisemitischen Strömungen überwunden«, sagte Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Das Symposium solle an die »zutiefst zwiespältige Geschichte der Universität« erinnern und sie kritisch aufarbeiten, so der Initiator Christian Wiese, Inhaber der Martin-Buber-Professur für jüdische Religionsphilosophie.

Der Fokus richtete sich auf die einzigartige Entstehungsgeschichte, den Aufstieg jüdischer Gelehrter und berühmter gestifteter Institute, aber eben auch die »sich vorzeitig abzeichnende Zerbrechlichkeit des Frankfurter Modells«. »Der Kontrast zwischen dem, was die Universität war, und dem, was sie wurde, war besonders erschreckend«, sagte Wiese. Der Wandel habe aber schon vor 1933 begonnen.

So gab etwa der amerikanische Historiker Michael Meyer auf der Tagung einen Überblick über das zeitgenössische politische und akademische Umfeld im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und die Debatten im Land über das Verhältnis von Deutschtum und Judentum, in denen sich nur wenige Intellektuelle zur Gleichberechtigung bekannten und Klagen über eine Dominanz jüdischer Dozenten sowie Überfremdungstheorien nicht abrissen.

visionär Vor diesem Hintergrund erschien die Frankfurter Universitätsgründung visionär, obwohl auch in der Zeitung des »Centralvereins der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens« bereits 1911 befürchtet wurde, Antisemitismus dadurch nur zu fördern. Frankfurt wurde bereits als »Neu-Jerusalem« denunziert. Dabei, betonte Salomon Korn, hätten sich die Stifter der Universität gar nicht als jüdische Stifter gesehen, sondern als deutsche Bürger und vor allem als loyale Frankfurter. Viele seien nicht religiös gewesen, andere, wie Wilhelm Merton, sogar zum Protestantismus übergetreten.

Umso erschreckender, so Christian Wiese, sei die nach 1933 »nahezu widerstandslos hingenommene Gleichschaltung, die systematische Ausgrenzung jüdischer Dozenten und Studenten und die Unterordnung der freien Wissenschaft und Lehre unter NS-Ideen«. Es sei fast so, als habe man den jüdischen Geist der Uni mit aller Macht bannen wollen.

Aus der Tagung soll eine Publikation hervorgehen sowie weitere Studentenprojekte, die sich unter anderem mit der Restitution jüdischer Kulturgüter, mit Fritz Bauer oder Martin Buber befassen.

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