Berlin

Gedenken an Gleis 17

Das ältere Ehepaar im Bus 186 in Richtung S-Bahnhof Grunewald hat nur noch Augen für die weißen Rosen. »Schau, die Dame hat eine weiße Blume dabei, sie will bestimmt auch zur Gedenk-veranstaltung«, sagt die Frau zu ihrem Mann. An jeder Bushalte-stelle steigt jemand mit einer Blume in der Hand ein. Und auch an dem S-Bahnhof Grunewald strömen die Menschen mit Rosen herbei.

Mit einer Feierstunde in der Gedenkstätte Gleis 17 ist am Dienstag an den Beginn der Deportationen von Berliner Juden vor 70 Jahren erinnert worden. Am 18. Oktober 1941 verließ der erste von insgesamt 60 sogenannten Osttransporten mit 1.089 Kindern, Frauen und Männern den Güterbahnhof Grunewald in Richtung Ghetto Litzmannstadt (Lodz) in Polen. Die Transporte in die Ghettos und Vernichtungslager rollten bis Ende März 1945 aus der damaligen Reichshauptstadt. Insgesamt wurden 55.000 der 160.000 Mitglieder Berliner jüdischer Gemeinden von den Nazis ermordet.

Zur Gedenkfeier hatten die Berliner Senatskanzlei und die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Zusammenarbeit unter anderem mit der Deutschen Bahn und der Jüdischen Gemeinde eingeladen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte die Berliner dazu aufgerufen, weiße Rosen auf der Bahnsteigkante abzulegen. Und am Ende der Gedenkstunde lagen mehrere Hundert dieser Blumen auf der Bahnsteigkante.

Vergangenheit Wowereit sagte, dass der Holocaust das »schmerzlichste Kapitel in der Geschichte Berlins« sei. Gleis 17 stehe »für die hoch effiziente Organisation des Terrors«. Niemals dürfe vergessen werden, was Juden in deutschem Namen angetan wurde. Zugleich mahnte der Regierende Bürgermeister: »Nur wer der Vergangenheit ins Auge sieht, kann verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt.« Der SPD-Politiker zeigte sich erfreut, dass so viele junge Menschen gekommen waren und Interesse zeigten. Er bedankte sich bei Inge Deutschkron, dass sie die Initiative zu dieser Veranstaltung ergriffen hatte. »Wir wollen nie vergessen, was wir Juden angetan haben.« Er sei stolz darauf, dass Berlin heute wieder eine »starke, selbstbewusste jüdische Gemeinde« habe und er versicherte, weiterhin gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.

Die Zeitzeugin und Überlebende Inge Deutschkron erzählte von ihren Erlebnissen an diesen Tagen vor 70 Jahren: »Von da an hatten wir Angst.«

Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, verwies auch auf das wieder vielfältige und pulsierende jüdische Leben in der Stadt. »Doch die Gegenwart kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wunde – zu der diese Deportation vor 70 Jahren mit beigetragen hat – nur scheinbar verheilt ist.« Das Gedenken an die vertriebenen, verschleppten und ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer sei Teil ihres Lebens.

Rabbinerkonferenz

Hauptsitz in München eröffnet

Oberrabbiner und CER-Präsident Pinchas Goldschmidt: Verlegung des CER-Hauptsitzes symbolisiert Hoffnung

 19.09.2023

Nachruf

Trauer um Harry Schnabel

Das Präsidiumsmitglied des Zentralrats und Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt verstarb im Alter von 67 Jahren

 08.09.2023 Aktualisiert

Düsseldorf

Kampf um Jüdische Feiertage in NRW

Arbeiten oder Prüfungstermine an Schabbat und Jom Kippur? Die Jüdischen Gemeinde veranstaltet eine wichtige Podiumsdiskussion

von Imanuel Marcus  29.08.2023

Interview

»Wir sind Teil der Tradition - genauso wie der Apfelwein«

Rabbiner Avichai Apel über koscheren Apfelwein und die Tücken der Herstellung

von Helmut Kuhn  24.07.2023

Chemnitz

Staatsschutz ermittelt wegen judenfeindlichem Zwischenfall auf Synagogengelände

Der sächsische Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen

 24.07.2023

Heidelberger Hochschulrede

Das unbedingte Ringen um Wahrheit

Die Autorin und Publizistin Carolin Emcke sprach zum Thema »Zeugenschaft und Krieg – Über die Ethik des Erzählens«

von Dorothe Sommer  21.07.2023

Porträt der Woche

Viele Saiten

Alex Koss ist Songwriter, Rapper, Gitarrist und schreibt an seiner Bachelorarbeit

von Christine Schmitt  16.07.2023

Mönchengladbach

»Herausragende Lebensleistung«

Der 95-jährige Schoa-Überlebende Icek Ostrowicz erhält das Bundesverdienstkreuz

von Christine Schmitt  13.07.2023

Hitzewelle

Zur Abkühlung in die Synagoge

Klimaanlagen, Eis und Wasser – die Gemeinden sind gut ausgestattet

von Christine Schmitt  13.07.2023