Düsseldorf

Erziehungsauftrag Abitur

Möchte, dass die Schule ein Erfolg wird: Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky in Düsseldorf Foto: Alexander Stein

In diesem Jahr begeht die Yitzhak-Rabin-Grundschule in Düsseldorf ihr 20-jähriges Jubiläum. Sie und die Lauder-Morijah-Grundschule in Köln sind derzeit die einzigen jüdischen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Doch nach der Grundschulzeit endet für die Kinder abrupt sowohl der Hebräisch-Unterricht als auch die jüdische Erziehung in der Schule. Denn ein jüdisches Gymnasium sucht man in Düsseldorf vergebens – wie fast überall in Deutschland. Nur in Frankfurt am Main und in Berlin gibt es weiterführende jüdische Schulen.

»Nach vier Jahren Hebräisch wäre es schön, wenn die Kinder es weiterlernen könnten«, sagt Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky der Jüdischen Allgemeinen. Deshalb arbeite die Jüdische Gemeinde Düsseldorf an der Umsetzung einer eigenen gymnasialen Ganztagsschule. Den ursprünglichen Plan, einen »jüdischen Unterrichtszweig« in einem bestehenden städtischen Gymnasium einzurichten, habe sie jedoch verworfen – die Vorbehalte füllten mehrere Seiten. Schon koscheres Essen zu organisieren, schien zu schwierig.

Schülerzahlen Unterstützung für das Jüdische Gymnasium erhält die Gemeinde von der Stadt. Das ist nicht verwunderlich. Düsseldorf habe – wie auch andere Städte an der Rheinschiene – die »demografische Entwicklung verschlafen«, erklärt Michael N. Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde. Denn diese Kommunen wachsen. Düsseldorf müsste drei neue Gymnasien in Betrieb nehmen, um dem Ansturm des nächsten Schuljahres gerecht zu werden.

»Da können wir in die Bresche springen«, schließt Szentei-Heise. Das Jüdische Gymnasium schon 2014 zu eröffnen, sei zwar »ein sportliches Ziel«, da die Gemeinde aber eng mit den zuständigen Ministerien zusammenarbeite, sei die offizielle Genehmigung eigentlich nur noch Formsache. Man habe auch schon ein Grundstück im Auge: Ein alter Schulkomplex unweit der Gemeinde. Die rund 5700 Quadratmeter große Fläche müsste für ein »vierzügiges Gymnasium« allerdings durch einen Anbau verdoppelt werden – bei Baukosten von 3000 bis 3500 Euro pro Quadratmeter.

Das pädagogische Schulkonzept jedenfalls steht. Neben der jüdischen Grundlagenbildung sollen die sogenannten MINT-Fächer einen Schwerpunkt bilden: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das sei ebenfalls »ein Mangelangebot in Düsseldorf«. »Für jüdische Lehren brauchen wir natürlich jüdische Lehrer.« Für die profanen Fächer könne man auf den Stellenmarkt zurückgreifen, erklärt Szentei-Heise weiter. »Wenn ich trotzdem einen jüdischen habe für Mathe – prima!«

Der allgemeine Bedarf an Pädagogen wird wegen des Abitur-Doppeljahrgangs nach Ende des aktuellen Schuljahres sinken. Dieser »überschwemmte Markt« böte eine »handverlesene« Auswahl von Lehrern. Ungleich schwieriger sei es, auf dem deutschsprachigen Markt jüdische Lehrer zu finden. In ihrer Yitzhak-Rabin-Grundschule hätten sie kürzlich einen ungarischen Pädagogen eingestellt. »Ungarn wird gerade eine faschistische Diktatur«, sagt Szentei-Heise, deshalb sei es nicht schwer, dort jüdische Lehrer abzuwerben – all zu viele deutschsprachige gebe es aber nicht. So sei es keine Frage, dass sie ihr Gesuch auch in Österreich und in der Schweiz inserierten.

Einzugsgebiet Aber nicht nur der Lehrkörper, auch die Schülerschaft wird partiell aus Zuwanderern bestehen. In Düsseldorf erhalten zwar jedes Jahr rund 90 Prozent der Grundschüler eine Gymnasialempfehlung – das seien aus der Gemeinde 40 Kinder. Bei vier Parallelklassen von jeweils 21 oder 22 Schülern wäre so nicht einmal die Hälfte jüdisch. »Wir werden nicht alle Klassen mit jüdischen Schülerinnen und Schülern füllen können, aber ihr Anteil sollte so hoch wie möglich sein«, wünscht sich Rabbiner Vernikovsky. Hinzukommen könnten auch Kinder aus umliegenden Städten wie Krefeld, Köln und Duisburg.

Ob die Schule nur mit den fünften Klassen starten oder direkt eine komplette Sekundarstufe I einrichten wird, ist derzeit ungewiss. Dass aber alle Kinder gleich ihrer »ethnischen, religiösen oder weltanschaulichen Herkunft und Einstellung« am Unterricht »in den judaistischen Fächern« teilnehmen müssen, ist im dem Schulministerium vorliegenden Konzept festgehalten. Auch Russisch soll es geben und – ebenfalls optional – verschiedene Arbeitsgemeinschaften wie eine Talmud- und eine Synagogen-AG.

Anderes ist bereits verbindlich: »Alle Schüler und Schülerinnen nehmen am Mittagessen teil«, heißt es im Konzept. Hierbei sei die Einhaltung jüdischer Gebote und Rituale erforderlich. An den Hohen Feiertagen wird unterrichtsfrei sein. Grundsätzlich sei »die Ausprägung der religiösen Handlungen sowie Lehre und Auslegung im Religionsunterricht am Status der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf als orthodox geführter Einheitsgemeinde« orientiert.

Vorbilder »Natürlich haben wir uns viele Schulen angeschaut«, erzählt Vernikovsky. Das Schulkonzept der Berliner Schule habe man studiert und aus den pädagogischen Leitbildern Anregungen für »eine staatlich anerkannte Privatschule der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf« übernommen. Das Jüdische Gymnasium stelle sich dem »Erziehungsauftrag, jüdische Werte und soziale Fähigkeiten zu vermitteln und es Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, sich zu selbstständigen, demokratisch eingestellten Persönlichkeiten zu entwickeln«, heißt es.

Jüdische, christliche und konfessionslose Schüler sollen unterrichtet werden, »aber auch Schüler anderer Glaubensgemeinschaften«. Die Sprachkompetenz der Lernenden aus nichtdeutschen Herkunftsländern gelte es zu fördern, wie auch die enge Zusammenarbeit von Schülern, Eltern und Lehrern. »Unter Beachtung der staatlichen Lehrpläne« gewönnen »Unterricht und Schulleben ein spezifisch jüdisches Profil«.

Geeignete Räume ließen sich auch bald finden, gibt sich Vernikovsky zuversichtlich, auch die Einrichtung einer Schulsynagoge dürfte gelingen. »Aber«, sagt der Rabbiner und beugt sich vor: »Vor allem möchte ich, dass die Schule ein Erfolg wird.«

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