Köln

Eine Jugend zwischen Graz und Tel Aviv

Die Zeitzeugin Gerda Eisler erzählt aus ihrem Leben

von Roland Kaufhold  13.11.2017 19:51 Uhr

Konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Lesung nach Köln kommen, war aber im Film präsent: Gerda Eisler Foto: Roland Kaufhold

Die Zeitzeugin Gerda Eisler erzählt aus ihrem Leben

von Roland Kaufhold  13.11.2017 19:51 Uhr

Im Jahr 2000 standen wir auf dem Balkon des Rathauses, von dem aus Hitler mehr als 60 Jahre zuvor das Volk begrüßt hat. Hitler würde sich im Grab umdrehen, wenn er diese Szene beobachtet hätte.»

Die Anspannung im voll besetzten Saal des Kölner Lern- und Gedenkortes Jawne wich einem Schmunzeln. Gerda Eisler, vor 90 Jahren in Graz geboren, aber überwiegend in Tel Aviv aufgewachsen, vermochte den Saal mit ihrer energischen, humorvollen Art unmittelbar zu erreichen.

Verschiedentlich ist die seit 1969 bei Köln lebende Jüdin in Schulen aufgetreten. Soeben hat sie, mit Unterstützung der jungen Kölner Kunstwissenschaftlerin Inga Fischer, ihre Erinnerungen an ihre prägenden Jahre in Israel in ihrem Buch Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv (Clio Verlag) versammelt.

Film Zur Enttäuschung vieler Zuhörer konnte Gerda Eisler krankheitsbedingt nicht zur Lesung kommen. Aber dennoch war sie vor Ort: Inga Fischer präsentierte einen 19-minütigen Film, in dem sich die inspirierende Vitalität der Zeitzeugin zeigte. Aufgewachsen in Graz, geht sie 1933 mit ihren Eltern nach Palästina. Es war wohl auch die Sehnsucht nach Abenteuern, die ihren Vater antrieb. Als sie mit dem Schiff in Haifa ankommt, nimmt ein mitreisender Araber ihrer Mutter alle Ängste: «Nicht alle Araber sind Wilde», versichert er ihr. Die Besorgnis weicht einer Willensstärke, die die Mutter auch an ihre Tochter weitergibt.

Gerda Eisler erzählt ein Beispiel: «Auf dem Weg zur Grundschule habe ich mit meiner besten Freundin, Nomi, ein wunderbares Spiel entdeckt», erinnert sich Gerda Eisler zur Belustigung des Publikums. Täglich kommen sie an einer Gruppe Kamele vorbei, die Sand zu einer Baustelle transportierten. Und jeden Tag läuft Gerda zwischen den Beinen der Kamele hindurch: «Die Kunst bestand darin, den richtigen Moment abzupassen und dann blitzschnell unter dem Bauch hindurchzuschlüpfen.»

Es folgen drei glückliche Jahre, trotz der auch in der Schule erlebten Angriffe von Arabern. 1936 kehren ihre Eltern nach Graz zurück. Das Leben in dem damaligen britischen Mandatsgebiet erscheint ihnen als zu mühselig. Gerda muss wie auch ihr jüngerer Bruder wegen des Antisemitismus eine jüdische Grundschule besuchen, dennoch fühlt sie sich bis 1938 nicht als Außenseiterin. Nach einem brutalen antisemitischen Übergriff verlässt Gerda die Schule.

LISL 1939 gelingt der Familie auf abenteuerlichen Wegen an Bord der «Lisl» die erneute Emigration nach Palästina. Gerda wächst in Haifa und Tel Aviv auf, für sie ihre schönsten Jahre. 1948 heiratet sie Hans Eisler. Kurz danach stirbt er als Soldat im Unabhängigkeitskrieg, ein schwerer Schicksalsschlag.

Gerda Eisler lernt Menachem Begin und Mosche Dajan kennen. Ende 1949 heiratet sie Hans’ Bruder Kurt Eisler. Das Foto, auf dem sie inniglich am See Genezareth sitzen, ziert das Buchcover.

Gerda Eisler beherrscht mehrere Sprachen und arbeitet als Sekretärin. 1969 geht das Paar mehr aus Zufall beruflich nach Köln. Eigentlich ist nur ein kurzer Aufenthalt geplant: «Freiwillig hätte ich Tel Aviv nie verlassen», sagt sie. Ihrem auch deutschsprachig aufgewachsenen Sohn gefällt es jedoch hier, so bleiben sie in Köln – und verbringen ihre Urlaube in Tel Aviv.

Sachsen

Zahlreiche Spenden für Rettung von Synagogen-Relikt

Baumaßnahmen für die Sicherung des Mauerrests sollen im kommenden Frühjahr beginnen

 09.07.2024

Potsdam

Neues Synagogenzentrum vor Einweihung

Zu dem Festakt wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet

 04.06.2024

Berlin

Mehrere Hundert Menschen bei bunter Lag-BaOmer-Parade

Rabbiner Yehuda Teichtal: Starkes Zeichen für fried- und respektvolles Miteinander

 27.05.2024

Boris Schulman

Dieses Jahr ist Jom Haschoa anders

Zum Tag des Gedenkens an die Schoah reflektiert unser Autor die Bedeutung des Heimatbegriffs in Bezug auf Deutschland und Israel

von Boris Schulman  07.05.2024

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Erste Hinweise auf Tatverdächtigen

Für Hinweise, die zur Tataufklärung führen, ist eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt

 06.05.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 07.04.2024

Hannover

Tränen des Glücks

Auf der Damentoilette gibt es eine Schminkorgie, während Backstage auch mal die Gefühle durchgehen. Aber »je näher der Abend, desto geringer die Aufregung«

von Sophie Albers Ben Chamo  31.03.2024

Hannover

»Alle sollen uns hören und sehen!«

Tag zwei der Jewrovision beweist, dass immer noch mehr Energie möglich ist. Nach Workshops und Super-Hawdala geht es zur Kirmes und auf die Zielgerade zur Generalprobe am Sonntagvormittag

von Sophie Albers Ben Chamo  30.03.2024