Rostock

Ein gutes Zuhause-Gefühl

Tenor Assaf Kacholi trat bei den ersten Kulturtagen in Rostock auf. Foto: Ullstein

Für Juri Rosov, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Rostock, war ein Traum in Erfüllung gegangen. »Überall gibt es jüdische Kulturtage. Von Erfurt über Magdeburg bis Leipzig und Dresden, nur in Rostock bislang nicht.« Nun, da sie stattfanden, gebe es ihm ein gutes Zuhause-Gefühl, erklärte Rosov, es zeige, dass die jüdische Gemeinde gut in der Stadt etabliert sei. Wichtig ist für die Gemeinde aber auch, dass all das nicht nur für die Mitglieder veranstaltet wird, sondern für alle Rostocker und Besucher der Stadt. »Die jüdische Kultur ist ein Schatz, den man mit anderen teilen muss«, ist Rosov überzeugt.

Mit den ersten jüdischen Kulturtagen wollte die jüdische Gemeinde Rostock das Leben und die Kultur ihrer etwa 580 Mitglieder bekannter und sichtbarer machen, als es bislang der Fall war. Zusammen mit der Stadtverwaltung und verschiedenen Kultureinrichtungen ist die Veranstaltungs- reihe ein Jahr lang vorbereitet worden.

Broadway-Melodien
Bis zum 8. November konnten die Gäste insgesamt zehn Veranstaltungen besuchen. Geboten wurden Lesungen, offene Tanzstunden, ein Tag der offenen Synagoge und viel Musik. Den Auftakt machte ein Konzert mit namhaften jungen Opernsängern aus Israel: »Shalom Broadway« hieß im Barocksaal der Rostocker Universität eine musikalische Reise vom Broadway in New York über Israel bis nach Berlin. Der Tenor Assaf Kacholi und die Sopranistin Einat Aronstein traten zusammen mit Shay Cohen am Klavier auf und begeisterten das Publikum mit hebräischen, deutschen und englischen Liedern.

Sie freuten sich, die Eröffnung der Kulturtage in Rostock musikalisch zu gestalten. Assaf Kacholi ist vielen Menschen durch das Musikprojekt »Adoro« bekannt. In dem Ensemble werden Elemente der Oper mit deutschsprachigen Pop-Songs verbunden.

»Für mich ist es natürlich sehr wichtig, als Israeli meine Kultur und meine Musik zu präsentieren, auch die bekanntesten Lieder vom Broadway und aus Deutschland«, sagte Kacholi nach dem Auftritt. »Dass wir so viele Sprachen singen können, das ist natürlich ein Geschenk. Mit Musik kann man die Menschen erreichen, und das ist das Ziel.« Für Einat Aronstein war es etwas ganz Besonderes, auf Deutsch und Hebräisch zu singen, denn die Großeltern ihres Vaters stammten aus Deutschland, erzählte die junge Sängerin.

Film Zu den weiteren Veranstaltungen gehörte zum Beispiel auch die Filmpräsentation Rabbi Wolff, die zum ersten Mal mit russischen Untertiteln gezeigt wurde, und ein anschließendes Gespräch mit Landesrabbiner William Wolff und der Filmregisseurin Britta Wauer.

Im Max-Samuel-Haus erzählte Anna Weißmann von ihrer Flucht aus Moldawien. Die jüdische Rostockerin war 1996 mit ihrer Großmutter vor Antisemitismus, nationalistischem Hass und Bürgerkrieg, der ihre Heimat vernichtet hatte, geflohen.

Bei den Kommunalpolitikern Rostocks war die Idee der jüdischen Kulturtage auf offene Ohren gestoßen. Die Stadt brauche genau das, meinte Michaela Selling, Leiterin des städtischen Kulturamtes. Es sei ihr und der jüdischen Gemeinde immer ein Anliegen gewesen, mehr in die Stadtgemeinde von Rostock zu gelangen. Unter den Mitgliedern würden musikalische Talente schlummern, sagte sie, und an diesen Kulturtagen habe es viele Möglichkeiten gegeben, das Leben der Gemeinde in Rostock kennenzulernen und ihren Alltag zu erleben.

»Die Religion ist nur eine Facette. Wir leben alle unter einem Dach in der Stadt. Wir hatten eine jüdische Gemeinde in Rostock, die die Nazis zerstört haben, so wie sie die Menschen vernichtet haben. Wir freuen uns, dass es seit Anfang der 90er-Jahre wieder eine jüdische Gemeinde bei uns gibt. Sie gehört dazu, zum europäischen Leben, zu einer Kultur in Europa!«, betonte Selling. Die jüdischen Kulturtage in Rostock sollen auch deshalb künftig jährlich stattfinden.

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