In Erfurt ist am Montag an den Brandanschlag auf die Synagoge vor 20 Jahren erinnert worden. Wegen der Corona-Krise musste der ursprünglich geplante Mahngang durch die Landeshauptstadt in das Internet verlegt werden.
Videostatements Auf den Webseiten und in den sozialen Netzwerken wie Facebook wurden ab 18 Uhr etwa einminütige Videostatements unter anderem vom Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, dem evangelischen Propst Christian Stawenow (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland) und vom katholischen Bischof Ulrich Neymeyr (Bistum Erfurt) veröffentlicht.
Zur virtuellen Gedenkfeier hatten die Landesgemeinde gemeinsam mit den Thüringer Opferberatungen Mobit und ezra aufgerufen.
Schramm erinnerte an den Brandanschlag vom 20. April 2000, als Neonazis Molotow-Cocktails auf das jüdische Gotteshaus warfen. Damals befand sich im obersten Stockwerk die Wohnung des Vorsitzenden der Landesgemeinde, Wolfgang Nossen.
In der Gästewohnung war zudem ein Gastrabbiner untergebracht. Ein Molotow-Cocktail verfehlte nur um einen halben Meter die Scheibe des Wohnzimmers. Anwohner hatten den Brand bemerkt, sodass er schnell gelöscht werden konnte und niemand zu Schaden kam.
Ein Molotowcocktail hatte nur um einen halben Meter das Fenster zum Wohnzimmer verfehlt.
Zuvor hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärt, er fühle sich seit den Ereignissen vor 20 Jahren der Jüdischen Landesgemeinde tief verbunden. Im Rückblick bewege ihn noch immer die deutlich sichtbare und spontane Solidarität all derer, die sich nicht einschüchtern ließen, schreibt Ramelow in einem am Montag in seinem politischen Internet-Tagebuch veröffentlichten Eintrag.
Dabei erinnert er auch an das aufgefundene Bekennerschreiben, in dem es geheißen habe: »Dieser Anschlag basiert auf rein antisemitischer Ebene! Wir grüßen den Verfassungsschutz Gotha. Heil Hitler. Die Scheitelträger.« Auch wenn der Brand damals von Anwohnern gelöscht werden konnte, lodere das Feuer des Antisemitismus bis heute ohne Unterlass weiter, so der Ministerpräsident.
Auch wenn der Brand damals von Anwohnern gelöscht werden konnte, lodere das Feuer des Antisemitismus weiter, schrieb Bodo Ramelow.
Für ihn sei es ein kaum zu beschreibendes Gefühl der Beklemmung und des Ekels gewesen zu wissen, dass es im Deutschland des Jahres 2000 nach wie vor Menschen gab, deren Hass auf Jüdinnen und Juden so grenzenlos war, dass sie die einzige in der DDR neugebaute Synagoge zerstören wollten.
Während Teile der Öffentlichkeit schockiert gewirkt hätten, habe der damalige Landesvorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Wolfgang Nossen, die ebenso kühlen wie klaren Worte gefunden: »Ich bin nicht sonderlich überrascht.«
Thüringen-Monitor Als eine Konsequenz aus dem Anschlag wird seit dem Jahr 2000 alljährlich der »Thüringen-Monitor« von Experten der Schiller-Universität Jena erhoben, der die politischen Einstellungen der Thüringer misst. Danach stimmten zuletzt 16 Prozent der Menschen im Freistaat antisemitischen Positionen zu.
Seit dem Anschlag sind nach Recherchen des MDR rund 1000 antisemitische Straftaten in Thüringen registriert worden. Dazu zählten Schändungen von Grabsteinen auf jüdischen Friedhöfen, Hakenkreuzschmierereien an Synagogen sowie Beschimpfungen und Übergriffe auf Juden in Thüringen. epd