Antisemitismus

Die meisten Delikte werden in Berlin verübt

Um die abstrakte Statistik zu antisemitischen Vorfällen konkreter zu machen, projizierte die Amadeu Antonio Stiftung im November 2016 Einzelfälle an den Berliner Friedrichstadtpalast. Foto: dpa

Berlin ist einem Medienbericht zufolge das Bundesland mit dem meisten antisemitischen Straftaten. Die Polizei meldete für das erste Halbjahr dieses Jahres 80 Straftaten von Judenhassern, berichtet der »Tagesspiegel« (Mittwoch).

Das seien fast doppelt so viele wie in Bayern, das mit 43 antisemitischen Delikten in der bundesweiten Bilanz auf Platz zwei stehe. Bundesweit registrierte die Polizei im ersten Halbjahr 401 antisemitische Straftaten, darunter zwölf Gewaltdelikte. Nach Einschätzung von Antisemitismusexperten ist die Dunkelziffer judenfeindlicher Straftaten und Angriffe signifikant höher, da viele Delikte gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden.

Gesamtzahl Vier der 80 Straftaten in Berlin waren dem Bericht zufolge Gewaltdelikte. Die Zahlen stehen in Antworten der Bundesregierung auf quartalsweise Anfragen von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und der Linken-Fraktion zu antisemitischen Straftaten in Deutschland. Die Gesamtzahl der Taten werde sich wahrscheinlich noch erhöhen, da die Polizei erfahrungsgemäß viele Straftaten nachmelde, hieß es.

Die Berliner Zahlen gingen demnach im zweiten Quartal in die Höhe. Von Januar bis März 2018 habe die Polizei in der Stadt 26 judenfeindliche Delikte festgestellt, von April bis Juni seien es 54 gewesen, darunter die vier Gewalttaten. Die meisten Straftaten, insgesamt 62, begingen nach Erkenntnissen der Polizei rechte Antisemiten, schreibt die Zeitung weiter.

Bei acht Delikten seien Tatverdächtige mit »ausländischer Ideologie« festgestellt worden, die aus Hass auf Israel in Berlin Juden angreifen. Bei drei weiteren Taten gehe die Polizei von Personen mit »religiöser Ideologie« aus. Drei Delikte werden demnach Linken zugeordnet, bei vier Straftaten sei kein ideologisches Milieu zu erkennen gewesen.

Zentralrat Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte zur Veröffentlichung der judenfeindlichen Delikte: »Die Zahl der bisher gemeldeten antisemitischen Straftaten für 2018 ist bestürzend, hat mich jedoch leider nicht überrascht.«

»Der Anstieg spiegelt die Ereignisse der vergangenen Monate wider – eine Zeit, in der immer neue antisemitische Übergriffe bekannt wurden«, so Schuster weiter. Die neuen Zahlen bestätigten auch die Berichte der Gemeindemitglieder über zunehmenden Judenhass im Alltag.

»Diese Entwicklung erfordert ein konsequentes Handeln von Politik und Behörden sowie eine allgemeine Bereitschaft der Gesellschaft, dem Antisemitismus entgegenzutreten«, erklärte der Zentralratspräsident. »Ich kann nur erneut unterstreichen, wie wichtig dabei ein bundesweites, niedrigschwelliges Meldesystem für antisemitische Vorfälle ist. Außerdem müssen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus intensiviert werden.«

überprüfung Nach Einschätzung vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, müsse zudem die polizeiliche Kriminalstatistik in Zusammenarbeit mit Experten des Bundesinnenministeriums überprüft werden. »Diese weist bekanntlich über 90 Prozent der Straftaten rechtsextremen Tätern zu«, erklärte Klein. Antisemitische Vorfälle aber, bei denen das Motiv unklar ist, werden automatisch dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.

»Aus den Jüdischen Gemeinden höre ich, dass die subjektive Wahrnehmung der Bedrohung durch muslimisch geprägten Antisemitismus größer ist, als es in der Kriminalstatistik zum Ausdruck kommt«, so Klein weiter. Die Polizeistatistik weicht stark von der Erfahrung vieler Juden ab, wie etwa eine Studie der Frankfurter Soziologin Julia Bernstein zeigt. Demzufolge gaben rund 80 Prozent aller jüdischen Gewaltopfer Muslime als Täter an.

Anders als viele andere Bundesländer sieht das Land Berlin als Reaktion auf die Zunahme judenfeindlicher Straftaten jedoch keinen Antisemitismusbeauftragten vor. Nach Auskunft des rot-rot-grünen Berliner Senats lehnt man einen Beauftragten im Kampf gegen den Judenhass bislang ab. Das Thema werde von der Senatsverwaltung für Justiz und Antidiskriminierung mit bearbeitet, heißt es auf Anfrage.

Signal Das Bundesland Bayern hingegen hat seit Mitte Mai erstmals einen Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus: den früheren Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte bei Spaenles Einführung, es sei dringend notwendig gewesen, ein Signal gegen Antisemitismus zu setzen.

Spaenle selbst sagte zu seinem Amtsantritt: »Wenn Juden angegangen werden, wenn sie beschimpft werden, oder wenn das Wort ›Jude‹ als Schimpfwort verwendet wird, dann müssen wir von staatlicher Seite dem entgegentreten.« epd/ja

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