Köln

Die Erinnerung begleitete sie ein Leben lang

Die Ausstellung zeigt Namen, Bilder und die Geschichten von Kindern und Jugendlichen, die unter den Schrecken des KZs litten. Foto: imago/Stefan Zeitz

Der kleine Kola ist verwirrt. Der tote Körper vor ihm weist weder offene Wunden noch andere Zeichen von Gewalt auf. Der Junge, der Auschwitz überlebte, nimmt nach der Befreiung des Lagers an einer Beerdigung teil und kann gar nicht verstehen, dass ein Mensch eines »natürlichen Todes« gestorben ist. Wie das gehen soll, er hat es noch nie gesehen.

Ähnlich wie Kola ist es vielen Kindern und Jugendlichen ergangen, die Auschwitz überlebt haben. Sie hatten nur die Welt im Lager kennengelernt, die von Arbeit, Misshandlung und Tod geprägt war. Die Erinnerung daran begleitete sie noch ihr gesamtes Leben – und darüber hinaus auch das ihrer Kinder und Enkel. Diese Beständigkeit des Konzentrationslagers ist es, die im Zentrum der Ausstellung Vergiss deinen Namen nicht – Die Kinder von Auschwitz steht, die am Freitag im NS-Dokumentationszentrum Köln beginnt.

banner Bis zum 23. Februar werden im hellen, schlichten Ausstellungsraum des EL-DE-Hauses Banner hängen. Diese zeigen Namen, Bilder und die Geschichten von Kindern und Jugendlichen, die unter den Schrecken des KZs litten. Es waren rund 232.000 von ihnen, die aus ganz Europa nach Auschwitz gebracht wurden – lediglich 650 überlebten.

»Auschwitz wirkt noch heute fort, auch wenn seine Kinder schon nicht mehr am Leben sind«, erklärt Kurator Alwin Meyer. Bemerkenswert sei zum Beispiel, dass viele Kinder auch weiterhin Essensreste versteckten, was im Lager überlebensnotwendig gewesen war. Auch spielten sie mit anderen Kindern Lagerszenen nach. »Die wenigsten konnten die Erlebnisse verarbeiten oder darüber sprechen«, so Meyer. »Viele haben auch Selbstmord begangen.«

»Auschwitz wirkt noch heute fort, auch wenn seine Kinder schon nicht mehr am Leben sind«, erklärt Kurator Alwin Meyer.

Kinder und Jugendliche seien im Lager nicht anders behandelt worden als Erwachsene. »Einen natürlichen Schutz für Junge oder Alte gab es nicht«, betonte Meyer. »Wer als nicht arbeitsfähig erachtet wurde, ist direkt ins Gas geschickt worden.« Dasselbe Schicksal habe auch schwangere Frauen und Mütter gedroht, die ihre Kinder beschützen wollten.

häftling Meyer setzt sich seit 48 Jahren mit dem Thema auseinander. Die Ausstellung zeigt das Ergebnis seiner Recherchen. Im Sommer 1971 besuchte er, damals 21 Jahre alt, zum ersten Mal das ehemalige KZ-Gelände. Dort lernte er den ehemaligen Häftling Thaddäus Schimanski kennen, der ihm als Erster von den Kindern im Lager erzählte. »Ich war schockiert, dass Deutsche, dass Menschen so etwas tun können«, erinnert sich Meyer. Die Geschichte habe ihn daraufhin nicht mehr losgelassen.

In den Folgejahren suchte er nach überlebenden Kindern, um mit ihnen zu sprechen. Weltweit konnte er 80 ausmachen, mit 55 von ihnen dann auch Interviews führen. Das sei zu Beginn nicht einfach gewesen. »Mit mir als Deutschem wollten viele nichts zu tun haben«, sagte Meyer. Durch die Hilfe von Schimanski habe er allerdings viele Gespräche führen können und zu einigen ehemaligen Insassen später auch enge Kontakte aufbauen können.

Dazu gehört auch der inzwischen verstorbene Kola, den er später noch zehnmal getroffen habe. Der Junge war fünf Jahre alt, als das KZ am 27. Januar 1945 von der sowjetischen Armee befreit wurde. Von seinen Eltern war er getrennt worden; ob sie noch lebten, konnte er nicht wissen. Ein kinderloses Paar aus der Umgebung nahm ihn bei sich auf und zog ihn groß. Dennoch stellte Kola insgeheim Nachforschungen an, suchte seine Familie mithilfe eines einzigen kleinen Fotos, dass ihn als Kind mit einem Regenschirm in der Hand zeigte.

»Kinder aus Auschwitz wissen teilweise bis heute nicht, was mit ihren Eltern passiert ist«, erklärt Meyer. Die Fälle, in denen Eltern und Kinder wieder zusammenfanden, seien selten. Ein Beispiel dafür sei Lidia Rydzikowska. Sie wurde bei der Ankunft in Auschwitz von ihrer Mutter getrennt, die dann in ein anderes Lager gebracht wurde. Bevor sie sich von ihrer Tochter trennen musste, konnte die Mutter ihr noch einen Rat geben: »Vergiss deinen Namen nicht.« 1962 fanden Mutter und Tochter wieder zusammen.

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