Stuttgart

Basar und Bühne

Mit Milch und Zucker?», fragt Liat formvollendet und so professionell, als schenke sie täglich Kaffee aus. Erwartungsvoll strahlen die Achtjährige mit den langen dunklen Haaren und ihre blonde Freundin Melody, beide aus der Grundschule der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) alle an, die sich beim Basar der WIZO Stuttgart am Stand des Kindergartens und der Schule umgucken. Der elfjährige Mark verkauft Kuchen, Alissa, die auch schon ins Gymnasium geht, häkelt modische Mützchen, allein der kleine Leon, gerade zweieinhalb Jahre alt und einer von den 55 Jungen und Mädchen im Kindergarten der Gemeinde, hat als einzige Aufgabe, nur mit seinem unwiderstehlichen Blick aus dunklen Augen zu bezaubern.

Jubiläum Mit dem 30. Basar am vergangenen Sonntag konnte die zionistische Frauenorganisation WIZO in Stuttgart ein Jubiläum feiern. Mit so vielen Besuchern, Freunden und Käufern, dass der Saal des Rupert-Mayer-Hauses in der Nachbarschaft des Gemeindezentrums den Andrang kaum fasste, mit guten Umsätzen beim Verkauf von Früchten, Wein, Schmuck, Kosmetik vom Toten Meer, Judaica, Kunstgewerbe und vor allem an den Büfetts mit koscheren israelischen Spezialitäten und Kuchen.

Ein Erfolg, der die Damen des WIZO-Vorstands, Angelika Jung-Sattinger, Bertilla Jontofsohn, Ganna Rubin, Julia Vamosi, Sarah Wurmser und Agnes Schön-Abiry, für ihren hohen Einsatz belohnt: «Wir sind geschafft, aber glücklich», so Jung-Sattinger, die sich freut, wieder eine große Spendensumme an das Theodor-Heuss-Familienzentrum in Herzliya überweisen zu können.

Daher war es den WIZO-Damen auch ein Anliegen, den Kindern eine Rolle beim Basar zu übertragen: «Sie sollen lernen, anderen Kindern zu helfen, was dem jüdischen Wertekanon entspricht», betont Jung-Sattinger. Denn der Basar und sein Angebot mögen einmal umfangreicher gewesen sein, doch mit der sichtbaren Präsenz einer neuen Generation ist er heute mehr denn je ein lebendiger Beleg für das Blühen der Gemeinde. Und ein authentisches Stück jüdischer Kultur mitten in den Jüdischen Kulturwochen unter dem Motto «Aufbruch in die Moderne – Judentum heute» bis zum 17. November in Stuttgart.

aufmerksamkeit Der Tod eines Kindes, seines Sohnes Uri, der 2006 in den letzten Tagen des Libanon-Krieges fiel, ist seither das Thema des Schriftstellers David Grossman. Im Stuttgarter Literaturhaus stellte er sein neuestes Buch Aus der Zeit fallen vor: über die Suche eines Vaters nach seinem toten Sohn. Es war nicht leicht, den viel gefragten Autor nach Stuttgart zu holen. Doch das Publikum im ausverkauften Literaturhaus dankte ihm und den Organisatoren, dem ehemaligen Landesrabbiner Joel Berger, seiner Frau Noemi und Susanne Wetterich, mit fast atemloser Aufmerksamkeit, Betroffenheit und Empathie.

Die unausgesprochene Frage, wie man nach einem solchen Verlust weiterlebt, stand fast spürbar im Raum. «Der Tod eines Sohnes vor den Eltern bricht alle Regeln», sagte Grossman. Das Buch, aus dem die Schauspielerin Barbara Stoll vorlas und dessen ungewöhnliche Erzählform die Literaturwissenschaftlerin Anat Feinberg als «Polyphonie der Trauer» beschrieb, berührte alle zutiefst. «Es ist so geschrieben, wie es geschrieben werden wollte», sagt Grossman schlicht.

Auf eine Reise in 100 Jahre deutscher Theatergeschichte nahm der Theaterwissenschaftler und Dramaturg Hartwin Gromes seine Zuhörer im Renitenztheater bei seinem Exkurs über das «Deutsche Regietheater und seine jüdischen Väter» mit. Wie entsteht eine Inszenierung? Gromes öffnete, unterstützt vom Sprecher Rudolf Guckelsberger, den Blick hinter den Vorhang, ehe er sich zur Premiere erhebt.

Theatergeschichte Einstmals hätten selbst für eine Aufführung von Hamlet nur drei oder vier Proben genügt, bevor Ludwig Chronegk (1837–1891) bei den Meiningern als Vorläufer des Regietheaters und dann Otto Brahm (1856–1912), Max Reinhardt (1873–1943) und Leopold Jessner (1878–1945) die Szene betraten. «Einen Paukenschlag» nannte Gromes das Erscheinen Max Reinhardts im Deutschen Theater in Berlin mit seiner Inszenierung und Premiere von Shakespeares
Sommernachtstraum am 31. Januar 1905. Der Kreis der jüdischen Regisseure, zu denen auch die aus der Emigration an deutsche Theater zurückgekehrten Fritz Kortner, Peter Zadek, George Tabori und die Nachgeborenen Luc Bondy oder David Mouchtar-Samorai zählen, schließe sich heute mit Jossi Wieler, dem Intendanten der Stuttgarter Oper.

Wenn es bei den Jüdischen Kulturwochen etwas zu beklagen gäbe, dann höchstens, dass man kaum alles wahrnehmen könne. «Fast ein Überangebot», seufzte Karl-Hermann Blickle, Mitbegründer des Stuttgarter Lehrhauses, ehe er nach einer kurzen Stärkung beim Basar zusammen mit IRGW-Ehrenmitglied Meinhard M. Tenné wieder zu einem Studiennachmittag über Judentum, Christentum und Islam ins Lehrhaus aufbrach.

Ausstellungen Ein Glück, dass zwei Ausstellungen noch länger zu sehen sind. Im Stuttgarter Rathaus wird bis zum 29. November die Dokumentation über Shanghai als letzte Zuflucht für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und anderen vom NS-Regime überfallenen Ländern gezeigt. Aus Dokumenten, Fotos und Berichten von Zeitzeugen ist zu erfahren, dass in dieser chinesischen Stadt bis 1941, dem Ausbruch des Pazifischen Krieges und der japanischen Besetzung, mehr als 23.000 Juden Rettung fanden und diese Solidarität nie vergaßen. Wie auch Michael Blumenthal, einst US-Finanzminister und jetzt Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, diese Rettungsinsel nicht vergaß.

Wie geht es an den Hohen Feiertagen in jüdischen Familien zu? Wie wird Schabbat begangen? Antworten darauf geben die Kinder, die zum Thema «Das bunte jüdische Jahr» gezeichnet, gemalt, collagiert und aus Ton, Filz und Pappmaché gebastelt haben und deren Arbeiten bis zum 11. Januar in der Stadtteilbibliothek Feuerbach, St. Pöltener Straße 29, gezeigt werden.

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