Trauer

Abschied von Lilli Nachama

Lilli Nachama sel. A. Foto: Margrit Schmidt

Am Dienstagnachmittag ist Lilli Nachama auf dem jüdischen Friedhof Heerstraße beigesetzt worden. Mehr als 100 Trauernde kamen zu ihrer Beerdigung, darunter auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, zahlreiche Rabbiner, viele Freunde und Weggefährten. Auch ein Mitarbeiter des Cafés im Hotel Kempinski kam zur Trauerfeier.

Gemeinderabbiner Jonah Sievers ließ noch einmal Lilli Nachamas Leben Revue passieren und sprach das Kaddisch. Sie liegt nun neben ihrem Mann, dem ehemaligen Oberkantor Estrongo Nachama, der vor 16 Jahren starb. »Der Nieselregen passt zu meiner Trauer«, sagte Inge Robert, die viele Jahre lang mit Lilli Nachama befreundet war.

Familie Lilli Nachama starb am vergangenen Freitag in Berlin. »Eine Zeugin des 20. Jahrhunderts ist nach einem langen und aufregenden Leben in ihre Welt gegangen«, hieß es in der Todesanzeige, die die Familie Nachama am Sonntag im Berliner Tagesspiegel veröffentlichte.

Als Lilli Schlochauer wurde sie am 5. Juli 1922 in Berlin geboren. Nach der Machtübernahme durch die Nazis besuchte sie die jüdische Zickel-Schule. Schon früh verlor sie ihre Mutter, etwas später auch ihren Vater, woraufhin Lilli zu einer christlichen Tante kam. Agnes Wertheim, die Ehefrau des Kaufhausbesitzers, versteckte sie von Februar 1943 bis 1945. So überlebte Lilli die Schoa.

»Alle kennen sie als blonde Dame, doch in Wirklichkeit hatte sie dunkle Haare«, sagt ihr Sohn Andreas Nachama. Denn damals, als sie untergetaucht leben musste, färbte sie ihre Haare zum Schutz. Sie bechrieb das immer mit den Worten: »Ich habe mich ›aufgenordet‹«. Dabei ist es geblieben, denn das war von da an ihre Identität, und so kannte jeder Lilli Nachama.

In der Nachkriegszeit lernte sie den griechischen Kantor Estrongo Nachama kennen, der sich in Berlin niedergelassen hatte. Er wurde Kantor in der Synagoge Pestalozzistraße und von dort aus für seine Baritonstimme und seiner Musikalität berühmt.

Ost-Berlin Mit ihrem Mann, den sie erst viele Jahre später geheiratet hat und mit dem sie ihren Sohn Andreas aufzog, konnte die Familie auch leicht zu Besuchen der Jüdischen Gemeinde ins damalige Ost-Berlin reisen, denn Kantor Estrongo Nachama hatte seinen griechischen Pass behalten.

Andreas Nachama, Rabbiner und Direktor der Gedenkstätte Topographie des Terrors, erinnert sich noch gerne an die Nachmittage in Weißensee, wo die ganze Familie Rabbiner Martin Riesenburger besuchte.

Die beiden Damen tranken Kaffee, während die Herren sangen und musizierten. Der Flügel des Rabbiners steht heute noch in Nachamas Wohnung.

Lilli Nachama las regelmäßig die Zeitung, versäumte über Jahrzehnte keine Repräsentantenversammlung und hörte gerne Musik. Sie besuchte Konzerte und genoss es, sich mit ihrer Freundin Inge Robert mehrmals in der Woche im Café des Hotels Kempinski zu treffen. Immer am gleichen Tisch und immer zur gleichen Uhrzeit. Das war ihr Ritual.

»Nach dem Krieg hatte sie ein schönes Leben«, sagt Inge Robert. Sie sei immer freundlich und fröhlich gewesen.

In den letzten Jahren war sie Beterin bei Sukkat Schalom in der Herbartstraße. Lilli Nachama überreichte außerdem regelmäßig den Estrongo-Nachama-Preis für Toleranz und Zivilcourage, der von der Meridian-Stiftung ausgelobt wird, an den jeweiligen Preisträger.

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